Paul Romahn hat nur eine Hand. Seit seiner Geburt muss der 18-Jährige ohne linken Unterarm zurechtkommen. Beim Sport und beim Autofahren behilft sich der Neu-Ulmer Abiturient mit einer Prothese. Wenn Paul jedoch mit Michael Berg, Leonhard Sommer und Jonas Viel in der Robotik-Arbeitsgemeinschaft des Neu-Ulmer Lessing-Gymnasiums an Robotern herumbastelt, kann er auf die künstliche Hand gut verzichten. Seit der fünften Klasse tüftelt das Quartett an Robotern, die im Rahmen des Junior-Robocups gegeneinander Fußball spielen. Mit Erfolg, wovon drei Deutsche Meisterschaften und vier Teilnahmen an Weltmeisterschaften anschaulich zeugen. Fußballspielende Roboter waren ihr dominierendes Hobby - bis Professor Klaus Buchenrieder bei einem Besuch an der Universität der Bundeswehr in München den Blick der Gymnasiasten auf ihren Teamkameraden Paul richtete. Der hatte immer wieder mit den Mängeln der 10 000 bis 15 000 Euro teuren Standardprothesen zu kämpfen. "Ihr könntet auch mal was Sinnvolleres bauen als immer nur Spielgeräte", beschied der Fakultätschef der Informatik den Jungforschern, die sich nun plötzlich andere Fragen stellten als nur nach der Treffsicherheit ihrer Roboter. "Was braucht der normale Nutzer, und wie lässt sich das möglichst einfach und kostensparend umsetzen?", fasst Michael zusammen. Zunächst als Projektarbeit für die Schule entwickelten Jonas, Leonhard und Michael eine Prothese, die im Gegensatz zu herkömmlichen Modellen nicht nur greifen, sondern sich motorgetrieben auch drehen und beugen kann - ein Fall für den Regionalwettbewerb von "Jugend forscht", den unsere Zeitung gemeinsam mit MAN Turbo & Diesel im Februar ausrichtete. In Augsburg führte Paul die Prothese erstmals vor, und die drei Jungforscher wurden souveräner Sieger im Fachgebiet Arbeitswelt. Beim Bayerischen Landesfinale in Regensburg überzeugten sie erneut mit ihrer Erfindung: Nur durch die Anspannung seiner an drei Elektroden angeschlossenen Oberarmmuskeln kann Paul den künstlichen Unterarm steuern. Über eine selbst entwickelte Handy-App wird die Prothese eingestellt und an die individuelle Muskelkraft angepasst. Für das Bundesfinale verbesserte das Trio die Stabilität und die Form seines Projektes. So fuhren die Neu-Ulmer mit einer deutlich leistungsstärkeren und natürlicher aussehenden Prothese nach Ludwigshafen - aber ohne Paul. "Er hätte seinen Aufenthalt selbst bezahlen müssen und nur bei der Jurybefragung mit uns zusammen sein dürfen", erklärt Michael, warum die drei Neu-Ulmer ausgerechnet im Wettstreit mit Deutschlands besten Nachwuchsforschern ihre Erfindung nicht unter realen Bedingungen präsentieren konnten. Umso beachtlicher, dass das Neu-Ulmer Trio dennoch auf dem fünften Platz landete. Auch wenn einige Motoren und Akkus aus ihren Robotern in die Prothese gewandert waren, ließen sich die vier Neu-Ulmer Gymnasiasten ihren Spaß am elektronischen Fußballspiel zwischenzeitlich nicht vermiesen: Ende April wurden sie wieder deutscher Meister. Ach ja, und "nebenher" haben Michael, Leonhard und Paul ihr Abitur gemacht, dem Jonas nächstes Jahr entgegensieht. Paul und Michael werden nun ein Duales Studium mit technischem Schwerpunkt starten, während Leonhard noch grübelt, ob er Informatik oder Elektrotechnik studieren soll. Zuvor sind die Neu-Ulmer Tüftler aber erst noch mal mit ihren fußballspielenden Robotern unterwegs: bei der Weltmeisterschaft im ostchinesischen Hefei Ende Juli - und da ist Paul definitiv wieder mit dabei.
Bundesfinale 2015