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Unglück: Brückeneinsturz an der A7: Wie konnte es so weit kommen?

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Brückeneinsturz an der A7: Wie konnte es so weit kommen?

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    Wie gesprengt: Ein frisch betoniertes Teil der neuen Autobahnbrücke bei Schweinfurt ist eingestürzt und hat mehrere Arbeiter mit in die Tiefe gerissen.
    Wie gesprengt: Ein frisch betoniertes Teil der neuen Autobahnbrücke bei Schweinfurt ist eingestürzt und hat mehrere Arbeiter mit in die Tiefe gerissen. Foto: Hajo Dietz, dpa

    Als Anton Weingart ins Auto steigt und die 300 Meter bis zur Brücke an der A7 fährt, erwartet er nichts Gutes. Eine Minute zuvor hat er auf seinem Hof, dem letzten im unterfränkischen Schraudenbach (Kreis Schweinfurt) vor dem Ortsausgang, ein ohrenbetäubendes Donnern gehört. „Wie ein Düsenjäger, der eine Notlandung macht und sich in den Boden rammt.“ Ungefähr fünf Sekunden lang. Einer der ersten Blicke geht zur Brücke. Er ist am Mittwochnachmittag einer der Ersten an der Unglücksstelle.

    Rund 300 Einsatzkräfte aus dem ganzen Umkreis waren im Einsatz

    Vor Ort empfängt Weingart ein Bild „wie im Krieg“. Totenstill sei es gewesen, nur 20 Meter über dem Boden rollen die Autos. Metallstreben liegen kreuz und quer auf einem meterhohen Berg. Dazwischen erkennt er Bauarbeiter.

    Schon häufiger ist er an der Baustelle stehen geblieben und hat sich mit dem Vorarbeiter unterhalten. Nach dem Einsturz hängen von oben Stahlverstrebungen herunter – und dazwischen befindet sich ein Arbeiter, der sich in fünf Meter Höhe verfangen hat. „Wir holen sofort Hilfe“, ruft Weingart nach oben. Bevor er überlegen kann, den Mann mit der eigenen Hebebühne zu befreien, sind schon Polizei und Ersthelfer vor Ort.

    Rund 300 Einsatzkräfte aus dem ganzen Umkreis werden es am Ende sein. Ein 40 Meter langes Teilstück der im Bau befindlichen Schraudenbach-Talbrücke zwischen zwei Pfeilern stürzt 20 Meter in die Tiefe und reißt ein unter der Brücke montiertes Gerüst mit Arbeitern mit. Ein 38 Jahre alter Bauarbeiter aus Kroatien kommt bei dem Einsturz ums Leben. Elf Menschen werden schwer verletzt, vier weitere leicht, wie Polizei und Bayerisches Rotes Kreuz später übereinstimmend mitteilen. Einer der Leichtverletzten ist ein Mann, der sich im unwegsamen Gelände mit seinem Motorrad eine Stelle mit guter Aussicht auf die Katastrophe sichern will. Der Verkehr auf der Autobahn 7 ist nicht gefährdet, da er noch über die parallel verlaufende alte Brücke fließt.

    Unglück: Waren Mängel im Baugrund oder Fehler am Gerüst Schuld?

    Schaulustige bekommen am Unglücksort am Donnerstag nicht viel zu sehen. Auf beiden Seiten der Brücke sichern Polizisten die Unglücksstelle ab. Außerdem sind Sichtschutzwände aufgestellt. Dahinter befinden sich Sachverständige. Sie sind dabei, nach der Schwachstelle zu suchen, die unter dem Gewicht mehrerer tausend Tonnen Beton nachgegeben hat. Per Hebebühne begutachten Experten die Abbruchstelle.

    Der Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer, Heinrich Schroeter, vermutet als wahrscheinlichsten Auslöser Mängel im Baugrund oder Fehler am Gerüst. Wann die Unglücksstelle aufgeräumt und die Bauarbeiten fortgesetzt werden können, bleibt nach Angaben der Autobahndirektion zunächst unklar. Wie Schroeter erklärt, wird bei Bauten wie der betroffenen Autobahnbrücke zunächst eine Schalung aus Holz auf einem Gerüst errichtet, dann die Bewehrung aus Stahlstäben eingelegt und schließlich der flüssige Beton eingelassen. Dabei gebe es „unendliche Möglichkeiten, wo man etwas falsch machen kann“. Der bayerische Ingenieure-Präsident erläutert: „Wenn zum Beispiel vor 40 Jahren ein Bauer da ein Loch gegraben hat, kann dadurch der Baugrund absinken.“ Das könnte dazu führen, dass Gerüst und Bauwerk einstürzen.

    Die ausführende Baufirma Max Bögl aus Neumarkt in der Oberpfalz bezeichnet den Einsturz als „tragischen Unfall“. Beim Bau der Brücke sei ein „lange erprobtes und bewährtes Bauverfahren“ angewendet worden. Bei den Toten und Verletzten handle es sich um Beschäftigte von beauftragten Subunternehmern.

    Die Gewerkschaft IG Bauen Agrar Umwelt nimmt die Firma am Donnerstag in Schutz. „Das alteingesessene Unternehmen gehört zu den besten Baufirmen in Deutschland“, sagt Regionalleiter Hans Beer. Bögl sei eine „überaus seriöse Firma“, bei der die einschlägigen Vorschriften zur Arbeitssicherheit genau eingehalten würden.

    Die bayerische Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) zeigt sich über den schweren Unfall tief betroffen. „Ein solcher schwerer Schicksalsschlag trifft ins Mark und lässt uns fassungslos zurück“, sagt Stamm. Es sei „wichtig, die Umstände des Unfalls aufzuklären, damit die Betroffenen und die Angehörigen Klarheit haben, wie sich so etwas überhaupt ereignen konnte“.

    Wie es nach dem Unglück weitergeht, bleibt zunächst offen. Nach Darstellung der Polizei hat derzeit höchste Priorität, dass „die Beweisführung nicht gefährdet“ ist. Die Staatsanwaltschaft habe eine Sperre des Unglücksorts verfügt.

    Wann aufgeräumt oder die Bauarbeiten fortgesetzt werden könnten, sei deshalb noch unklar, sagt eine Sprecherin der Autobahndirektion. Weitere Aussagen dazu seien frühestens am Freitag, eher aber in der kommenden Woche zu erwarten. Die ursprüngliche Bauplanung sieht vor, dass die neue Brücke 2017 stehen soll. Ob dieser Plan durch das Unglück gefährdet ist, konnte die Sprecherin nicht sagen.

    Anton Weingart ist ins Grübeln gekommen nach dem Unglück. Noch eine Viertelstunde vor dem Unglück am Mittwoch ist er unter der Brücke unterwegs. Ihm ist nichts passiert. Gestern kann er den 16. Geburtstag seiner Enkelin Annika feiern. mit dpa

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