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Brauchtum: Aiwanger und Scheuer erleben einen schwierigen Gillamoos

Brauchtum

Aiwanger und Scheuer erleben einen schwierigen Gillamoos

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    Andreas Scheuer (CSU) spricht beim virtuellen politischen Frühschoppen Gillamoos in einer Festhalle.
    Andreas Scheuer (CSU) spricht beim virtuellen politischen Frühschoppen Gillamoos in einer Festhalle. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Kleine Planänderung, eine Viertelstunde vor Beginn. Eigentlich sollten die Ehrengäste hier, im Abensberger Gasthof zum Kuchlbauer, leise bleiben – kein Applaus, kein Rufen, kein Tischklopfen während der Reden. Der Politische Gillamoos 2020 ist wegen Corona ein digitaler, da stören Geräusche aus der analogen Welt. Aber Hubert Aiwanger will es anders. Der Freie Wähler-Chef möchte sich einen Rest Bierzeltstimmung bewahren. „Schreien darf I ned, oder?“, fragt einer der gut Dutzend Ehrengäste. Ein Mitarbeiter von Aiwanger antwortet: „Nein, aber bissl Gas geben dürft’s scho.“ Um Punkt 10 Uhr setzt die fünfköpfige Blaskapelle an, kurz danach betritt Aiwanger die Bühne. Applaus bleibt aus.

    Der jährliche Schlagabtausch, den sich die Parteien in Abensberg beim Politischen Gillamoos von Festzelt zu Festzelt liefern, fällt 2020 wegen der Corona-Pandemie flach. Nur zwei Parteien wagen ein Experiment: Die CSU und die Freien Wähler verlagern den Gillamoos aus Niederbayern ins Internet. Das bedeutet: Die Reden finden fast ohne Publikum statt und werden dafür online übertragen. Andere Parteien verzichten auf Ersatzprogramm. Der Reiz des Gillamoos gehe ohne volles Bierzelt verloren, hieß es. Derzeit stehen keine größeren Wahlen an.

    Live-Übertragung beim Gillamoos bricht zeitweise ab

    Aiwanger hat sich als Kulisse ein Wirtshaus ausgesucht, das in Abensberg zwischen Rathaus und Kirche liegt. 40 Menschen sind gekommen, Parteifreunde, Mitarbeiter, Journalisten. Am Rand der Tribüne spielt die Blaskapelle, auf den Tischen steht viel Mineralwasser und kein Maßkrug. Aiwanger ist Spezialist im Spiel mit den Emotionen, die im Bierzelt zuhause sind. Nun, im holzvertäfelten Saal unter dem historischen Gewölbe, betritt er neues Terrain. „Ich stelle mir einfach vor, wie die Leute mit dem Kopf schütteln oder klatschen. Wir probieren es.“

    Aiwangers Rede ist eine Bierzelt-Rede. Es dauert fünf Minuten, da sind alle anderen Parteien inklusive Koalitionspartner CSU abgewatscht. Der Freie Wähler holt sich den Applaus ab, den er braucht, um selbst in Stimmung zu kommen, auch wenn es nur ein paar sind, die da vor ihm klatschen. Selten richtet er den Blick in die Kamera. Wie viele ihm live im Internet zusehen? Wenige Hundert, sofern die Verbindung überhaupt steht. In sozialen Netzwerken bricht die Übertragung teilweise komplett zusammen – unter anderem, als Aiwanger, Bayerns Wirtschaftsminister, mehr „digitale Souveränität“ Deutschlands fordert. Internet-Nutzer reagieren verärgert. „Schade, die Übertragung ist so schlecht, das hat keinen Sinn“, kommentiert eine Facebook-Nutzerin. „Wäre gerne dabei gewesen.“

    Scheuer verteidigt vor kleinem Publikum die bayerische Corona-Politik

    Knapp zwei Kilometer nordöstlich vom Abensberger Zentrum steht Andreas Scheuer am Rednerpult. Der Bundesverkehrsminister ist das Aushängeschild der CSU für den virtuellen Gillamoos. Vor ihm spielt sich ein bizarres Schauspiel ab: Die Festhalle Bayernland, in der sich sonst tausende Menschen tummeln, zuprosten und unterhalten, ist jetzt quasi leer. 80 handverlesene CSUler lauschen Scheuers Worten, es ist eine kleine g’mahde Wiesn für den gebürtigen Niederbayern. Doch auch der geübte Bierzelt-Redner tut sich schwer damit, gegen die Stille im Raum vor sich anzureden. Im Hintergrund füllt die Belüftungsanlage Scheuers rhetorische Pausen, die wenigen Zuhörer klimpern beim Weißwurstfrühstück mit Besteck. Man riecht, dass man nichts riecht: kein Brathendl, kein Bier, kein Schweiß. Nur das Parfum der Bedienung, die mit Kaffee in der Hand vorbeieilt.

    Scheuer spricht routiniert, wenig bissig. Gelegentlich Applaus und Tischklopfen. Über sein gescheitertes Mautprojekt will Scheuer nicht reden, dafür verteidigt auch er die bayerische Corona-Politik und wehrt sich gegen Kritik an Testpannen: Es sei „typisch deutsch“, wenn nur wenig über die zig tausend Tests gesprochen werde, die gut liefen, dafür aber über die „40, 46, 90 Tests, die vielleicht nicht so gut gelaufen sind.“ Fakten, Prädikat Bierzelt.

    Die Rede ist vorbei, die Bayernhymne gesungen, das Rednerpult abgebaut. Der Mittag naht, erste Volksfestbesucher betreten die Festhalle. Scheuer, sonst gerne forsch, resümiert: „Ohne Leute, das ist total schwierig. Ich habe die leise Hoffnung, dass der eine oder andere vor dem Bildschirm war und applaudiert hat.“ Auch die CSU haben online nur wenige verfolgt, auch hier gab es Übertragungsprobleme. Der Funke vom Gillamoos, er verglüht an diesem Montag in Abensberg.

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