Giftige Dämpfe, hohe Stromspannung, ein versperrter Weg zum Brandherd. Für Feuerwehrleute bedeuten Photovoltaikanlagen vor allem eines: zusätzliche Gefahr für Leib und Leben des Löschtrupps. Bei dem Großbrand in einem Oberstdorfer Wohn- und Geschäftshaus vergangene Woche erschwerte eine solche Anlage auf dem Dach die Arbeit der rund 200 Einsatzkräfte vor Ort.
Die Solarzellen konnten erst nicht entfernt werden, weil man Stromschläge befürchtete. Letztlich hob ein Gabelstapler mit roher Gewalt das Dach an und trennte so auch die Kabelverbindungen der Anlage. Erst dann konnte der Brand unter Kontrolle gebracht werden.
Tödliche Stromschläge sind Gefahr für die Feuerwehrmänner
Photovoltaikanlagen wandeln Sonnenstrahlen in elektrische Energie um. Und solange Tageslicht auf die Module einfällt, wird Gleichstrom erzeugt. Der wird über Kabel im Haus zu einem Wechselrichter geleitet. Wenn dann bei einem Brand Löschwasser in den Stromkreis gelangt, sind tödliche Stromschläge die größte Gefahr für die Feuerwehrmänner.
Es gibt auch Brandrisiken, die durch die Solaranlagen ausgelöst werden können. Defekte elektrische Bauteile können sogenannte Lichtbögen hervorrufen, die Gegenstände in der Umgebung entzünden. Löschen kann man Lichtbögen nur, wenn man den betroffenen Stromkreis abschaltet, beschreibt der Deutsche Feuerwehr-Verband in seinen Info-Blättern für Schulungen.
Der Oberallgäuer Kreisbrandrat Michael Seger plädiert deshalb, wie viele seiner Kollegen, für einen verpflichtenden Notschalter an der Hausfassade, mit dem man den Strom per Knopfdruck ausstellen kann. „Optimal wäre, wenn Module ferngesteuert abgeschaltet werden könnten“, sagt Seger. Derzeit gebe es zwar schon einzelne Lösungen der Industrie, aber nicht flächendeckend.
Wissenschaftler des Münchener Fraunhoferinstituts untersuchen auch deshalb in einem gemeinsamen Projekt mit dem TÜV Rheinland und der Berufsfeuerwehr München Brandschutzaspekte bei Photovoltaikanlagen. Aus ersten Versuchen und Erfahrungsberichten kristallisierten sich bereits Lösungen heraus, die die Wehren in ihre Ausbildungskonzepte aufgenommen haben.
Sicherheitsabstand ist das Wichtigste
Kreisbrandrat Seger: „Das Wichtigste ist, die Sicherheitsabstände einzuhalten.“ Bei Löscharbeiten an einer Anlage ab 1000 Volt sind es zehn Meter zwischen Vollstrahl aus der Spritzenmündung und Modulen. Beim Sprühstrahl kann die Wehr bis auf fünf Meter ran. „Der Sprühstrahl ist nicht gebündelt und hat deshalb eine geringere Leitfähigkeit“, erklärt Seger.
Trotz der Leitfähigkeit des Wassers müsse man hauptsächlich damit die Flammen bekämpfen. Denn Löschschaum, der etwa die Zellen abdunkeln könnte und so „abschalten“, funktioniere nicht. „Normaler Schaum rutscht von den glatten Oberflächen der Solarzellen ab“, sagt Seger. Dass ganze Module oder deren Befestigungen unter der Hitze schmelzen und lawinenartig vom Dach sausen, habe er noch nie gesehen. „Bei einem Fall ist die komplette Dachkonstruktion verbrannt, aber die Photovoltaik war noch da.“
Gegen giftige Gase, die bei Verbrennungsprozessen auftreten, schützen sich die Feuerwehrler mit Atemschutzmasken. „Rauchgase aus Isolierung und Baumaterialien sind schlimmer als die geringen Mengen an Quecksilber, die mit den Anlagen verbrennen und freigesetzt werden“, sagt Kreisbrandrat Seger.
Ein Anforderungskatalog für Photovoltaikanlagen wird von der Brandschutz-Forschungsgruppe derzeit entwickelt. So sollen die Kabel in feuerresistenten Kanälen verbaut sowie Hinweisschilder und Leitungslagepläne empfohlen werden. Freischalter, um die Anlage spannungsfrei zu schalten, stehen auch auf der Agenda. 2014 sollen alle Ergebnisse vorgestellt werden.