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Blitzermarathon: Blitzer: Wenn die Augsburger Autofahrer den Polizisten zuwinken

Blitzermarathon

Blitzer: Wenn die Augsburger Autofahrer den Polizisten zuwinken

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    Blitzer: Wenn die Augsburger Autofahrer den Polizisten zuwinken
    Blitzer: Wenn die Augsburger Autofahrer den Polizisten zuwinken

    Erster bundesweiter Blitzmarathon: Am Donnerstag wollte sich keiner verstecken. Oberkommissar Paul Wittkopf und sein Kollege Michael Aumüller haben extra ihre neuen, neongelben Warnmäntel angezogen. Sie stehen am Morgen mit ihrer Laserpistole an der Straße neben dem Augsburger Rosenaustadion – die Beamten bilden eine Station des bundesweiten 24-Stunden-Blitzermarathons. „Eigentlich muss jeder wissen, dass man heute langsam fahren sollte“, sagt Wittkopf noch. Und dann passiert es doch. Genau 100 Stundenkilometer zeigt das Display der Laserpistole bei einem Auto an – und das innerorts.

    Paul Wittkopf winkt den grünen Kombi mit der Kelle raus. Im Gesicht von Markus W.*, 20, tauchen innerhalb von wenigen Sekunden knallrote Flecken auf. Er wollte einen Freund zu einem Prozess ans Amtsgericht fahren, sie waren spät dran. Wittkopf will den Führerschein sehen, dann bittet er den Mann, auszusteigen und in den Polizeibus zu kommen. Der Beamte muss ein Protokoll anfertigen, denn für W. hat die Sache Konsequenzen. Es wird ihn über 100 Euro kosten, dazu kommen ein Punkt in der Verkehrssünderdatei und ein einmonatiges Fahrverbot.

    Blitzerarten: So werden Raser geblitzt

    Polizei und kommunale Verkehrsüberwacher haben mehrere Möglichkeiten, das Tempo von Autofahrern zu kontrollieren. Die gängigsten Kontrollverfahren:

    Ende der 1950er Jahre begann eine neue Ära im Straßenverkehr: Im Regierungsbezirk Düsseldorf kam erstmals ein mobiles Radargerät zur Geschwindigkeitskontrolle zum Einsatz. Mittlerweile gibt es eine Reihe unterschiedlicher Techniken.

    Radaranlagen: Die Geräte senden Radarstrahlen aus, die das Auto reflektiert. Wird die Messschwelle überschritten, wird ein Fotoapparat ausgelöst - eine der am weitesten verbreiteten Techniken.

    Lichtschranke: Mehrere Lichtschranken stehen nacheinander quer zur Straße. Beim Unterbrechen jeder Lichtschranke liefert das Auto ein elektrisches Signal. Das Gerät misst die Zeitabstände und errechnet so das Tempo.

    Drucksensoren: Mehrere Sensoren werden in bestimmten Abständen in die Fahrbahn eingelassen. Beim Überfahren werden Signale ausgelöst, mit denen das Tempo errechnet werden kann.

    Lasergeräte: Sie senden eine Folge von Impulsen aus und empfangen den vom Fahrzeug reflektierten Anteil. Die Geräte messen die Zeit bis zum Wiedereintreffen des Signals und errechnen so die Entfernung des Fahrzeugs. Aus deren Veränderung ergibt sich die Geschwindigkeit. Neben Handmessgeräten, die einzelne Autos anvisieren, gibt es Laserscanner, die mehrere Fahrstreifen zugleich überwachen.

    Video: Videokameras setzt die Polizei in ihren Fahrzeugen und im fließenden Verkehr ein. Um zu messen, ob ein Autofahrer zu schnell unterwegs ist, wird manuell die Zeit gestoppt, die er für eine gewisse Strecke braucht. Das Gerät errechnet das Durchschnittstempo.

    Paul Wittkopf ist ein erfahrener Beamter. Er versteht es, das unangenehme Gespräch so sachlich zu führen, dass die meisten Autofahrer ruhig bleiben. Auch Markus W. ist eher kleinlaut. Als er zurück zum Auto schlurft, murmelt er noch reumütig: „Einmal und nie wieder.“

    215 Menschen starben im vorigen Jahr auf Bayerns Straßen wegen überhöhter Geschwindigkeit

    Auf diese Einsicht kommt es den beiden Beamten an. Die Zahlen geben ihnen recht. 215 Menschen starben im vorigen Jahr auf Bayerns Straßen, weil Fahrzeuge zu schnell unterwegs waren. „Wir haben kein Interesse daran, die Autofahrer einfach abzukassieren“, sagt Paul Wittkopf. Ihm geht es nicht um die Masse, sondern darum, vor allem die echten „Raser“ zu erwischen. Deshalb ist er auch recht großzügig. Eigentlich gilt neben dem Rosenaustadion wegen einer Baustelle derzeit nur Tempo 40 statt der sonst zulässigen 60. Doch weil an diesem Donnerstag keine Arbeiter da sind, drücken die Beamten ein Auge zu.

    Die Polizisten haben einen Spielraum bei der Entscheidung, ob sie kassieren oder es bei einer Ermahnung belassen. Paul Wittkopf bittet die Autofahrer in der Regel erst zur Kasse, wenn sie mehr als 15 Stundenkilometer zu schnell gewesen sind. Theoretisch ist viel schneller ein Bußgeld fällig, als es die meisten Autofahrer vermuten. Die vom Gesetz vorgeschriebene Toleranz liegt bei nur drei Stundenkilometern.

    Michael Aumüller blickt konzentriert durch den Sucher der Laserpistole. Er sieht darin einen roten Punkt, mit dem er das Nummernschild eines Autos anvisieren muss, dann drückt er ab. Ein Laserstrahl schießt nach vorne und misst die Geschwindigkeit. Auf eine Distanz von bis zu einem Kilometer funktionieren die modernen Geräte – und sie sind inzwischen sehr exakt. Paul Wittkopf hat schon viele Gerichtsverhandlungen erlebt, in denen Autofahrer gegen die Messwerte vorgehen wollten. Die meisten scheiterten allerdings. Die alten Geräte waren ungenauer. Da konnte auch ein Hausdach plötzlich mal sieben Stundenkilometer schnell sein.

    Die Autofahrer recken beide Daumen nach oben

    Während die Polizisten in der Stadionstraße stehen, winken ihnen viele Autofahrer zu. Ein Mann reckt beide Daumen nach oben. Das kommt ständig vor. Wie sie es deuten sollen, wissen sie nicht. Manche meinen es wohl wirklich als Aufmunterung, andere dagegen machen sich lustig. „Das bringt uns aber nicht aus der Ruhe“, sagt Paul Wittkopf – Ruhe scheint ein Wesenszug von ihm zu sein. Die meisten Autofahrer, die er stoppt, sehen ihre Fehler ein. „Nur ab und zu ist mal einer cholerisch“, erzählt er. „Und manchen hat ein Bußgeld sogar schon so mitgenommen, dass er danach nicht weiterfahren konnte.“

    Paul Wittkopf und Michael Aumüller schauen nicht nur aufs Tempo. Sie ziehen am Donnerstag auch einen Autofahrer aus dem Verkehr, der überholt und dabei eine durchgezogene Linie überfahren hat. Zähneknirschend zückt der Mann den Geldbeutel und zahlt 20 Euro. Mitunter machen die Beamten auch andere Zufallsfunde. Man entdeckt eine Waffe im Kofferraum oder merkt, dass ein Autofahrer längst keinen Führerschein mehr hat. Einmal öffnete Wittkopf die Türe eines Kleinwagens und erwischte einen jungen Mann, der sich gerade einen Joint anzünden wollte – und verzweifelt versuchte, die Haschischzigarette verschwinden zu lassen.

    Das Radarfoto, herausgegeben zeigt ein weißes Pferd auf dem Schullendamm in Meppen, das von einer Koppel ausgebrochen war.
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    Vor 60 Jahren, am 15. Februar 1959, blitzten Polizisten in Deutschland erstmals mit mobilen Geräten. Seitdem halten sie auch kuriose Momente fest.

    Am Donnerstagmorgen gibt es solche Entdeckungen nicht. Markus W. bleibt ein Einzelfall. Die meisten Autos fahren sogar langsamer als vorgeschrieben. Das melden auch andere Polizeistreifen, die draußen unterwegs sind. „Die Kollegen sagen, es sei anders als sonst“, sagt Bernd Waitzmann, der stellvertretende Chef der Inspektion Augsburg-Süd. „Es wirkt alles langsamer und ruhiger.“ *Name geändert

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