Die drängendste Frage fällt schon nach wenigen Sekunden. Barack Obama ist gerade erst unter frenetischem Jubel auf die Bühne gelaufen, hat mit den Gründern der Startup-Konferenz „Bits & Pretzels“ einen lässigen Faustgruß ausgetauscht und auf einem beigefarbenen Sessel Platz genommen. Ob er heute noch auf die Wiesn gehen wird, will Moderatorin Britta Weddeling dann vom ehemaligen US-Präsidenten wissen. Obama lächelt, bleibt aber vage: „Der Secret Service wird da etwas nervös.“ Aber vielleicht könne er es mit einer Verkleidung versuchen, scherzt der Ex-Politiker, „einem falschen Schnurrbart vielleicht“.
Wenige Stunden später wird Obama München bereits wieder verlassen haben, ohne einen Wiesn-Besuch. Von seinen Plänen verrät er auf der Bühne allerdings nichts. Lieber spricht der Amerikaner über das Geschenk der Konferenzveranstalter, das er in seinem Hotelzimmer vorgefunden hat. „Man hat mir eine Lederhose gegeben“, berichtet Obama. Heimlich, in der Abgeschiedenheit seines Hotelzimmers, habe er sie anprobiert – und für perfekt befunden. „Ich fand, ich sah darin ziemlich gut aus. Vielleicht werde ich sie für Michelle tragen.“
Bits & Pretzels wurde vor fünf Jahren erstmals veranstaltet
Das Publikum jubelt, es wird nicht das letzte Mal an diesem Morgen sein. Es wirkt, als treffe die Menge auf einen alten Bekannten, der viel zu lange nicht vorbeigeschaut hat. Obama erinnert viele an eine Zeit, in der nicht alles, aber doch vieles ein wenig einfacher schien. Als er zum US-Präsidenten gewählt wurde, war das Smartphone noch nicht einmal zwei Jahre alt, Facebook war in Deutschland noch kaum verbreitet, Twitter schon gar nicht. Der Begriff "Fake News" war noch nicht erfunden.
Obama ist mittlerweile Privatmann, dennoch ist er der wohl gefragteste Redner der Welt. In den ersten zwei Jahren nach dem Ende seiner Amtszeit machte er sich rar. Mittlerweile meldet sich der Ex-Politiker wieder häufiger zu Wort. Der Trip nach München ist schon sein zweiter Besuch in Deutschland in diesem Jahr. Dass er nun auf der Bits & Pretzels spricht, ist trotz allem eine kleine Sensation. Denn die Konferenz ist vergleichsweise jung, ein Liebhaber-Projekt dreier Gründer, die das Festival vor fünf Jahren zum ersten Mal veranstaltet haben – anfangs noch vor knapp 200 Menschen im Löwenbräu-Keller in München. In den Jahren danach ist die Veranstaltung stetig gewachsen. Jan Böhmermann stand bereits auf der Bühne, genauso wie die Sportler Oliver Kahn, Philipp Lahm und Nico Rosberg, oder auch der Milliardär Richard Branson, ein Freund Obamas.
Zwei Jahre lang haben die Gründer darauf hingearbeitet, den ehemaligen US-Präsidenten auf die Konferenz-Bühne zu holen. Sie schrieben Briefe, suchten den Kontakt zu Vertrauten Obamas und produzierten am Ende sogar ein Video, in dem sie dem Ex-Politiker in 90 Sekunden erklärten, warum er unbedingt nach München kommen müsse. Am Ende sagte Obama zu. „Ich fall gleich vom Stuhl“, schrieb Veranstalter Felix Haas an seine Mit-Gründer, nachdem er die Nachricht erhalten hatte. „Good things come to those who wait“ hatte ein Mitarbeiter des Ex-Präsidenten ausrichten lassen, gute Dinge passieren denen, die warten.
Obama hält Greta Thunberg für "außergewöhnlich"
Der Obama, den die Zuschauer am Sonntag auf der Bühne sehen, enttäuscht die Erwartungen nicht. Er scherzt routiniert mit Moderatorin Weddeling, wird dann allerdings schnell ernst. Der Ex-Präsident spricht über Toleranz und Vielfalt, über den Klimawandel und die weltweite Klima-Bewegung. Gerade erst hat er in New York Greta Thunberg getroffen, die Initiatorin der „Fridays-for-future“-Proteste. „Greta ist außergewöhnlich“, sagt Obama. Und doch ist er der Meinung, dass diese „monumentale“ Aufgabe eigentlich andere bewältigen müssten. „Eine 16-Jährige sollte das nicht tun müssen“, sagt Obama. „Wir sollten es jungen Leuten wie Greta nicht so schwer machen.“ Sie würden immer wieder bei ihren Vorhaben behindert – „von alten Leuten wie mir“.
Ob er damit vor allem auch seinen Nachfolger im Amt meint, lässt Obama offen. Wie auch bei all seinen anderen Auftritten erwähnt er Donald Trump mit keiner Silbe. Die ein oder andere Spitze kann sich der Ex-Präsident aber nicht verkneifen, etwa, wenn er den Blick über das Publikum schweifen lässt und sagt: „Sie sehen mir wie ein sehr gebildetes Publikum aus. Ich gehe davon aus, dass ich Sie nicht mehr von der Existenz des Klimawandels überzeugen muss.“
Im Interview gibt sich Obama sehr nachdenklich
Am Ende des Interviews mit einem streckenweise sehr nachdenklichen Obama will Moderatorin Weddeling wissen, was ihn trotz aller Probleme in der Welt optimistisch stimmt. Der Ex-Präsident antwortet mit einer Anekdote. Einmal habe ihn ein Mitarbeiter in einer schweren Phase seiner Präsidentschaft gefragt: „Sind Sie zuversichtlich?“ Er habe ihn daraufhin daran erinnert, wie sein voller Name lautet. „Wenn dein Name Barack Hussein Obama ist und du im Weißen Haus lebst, dann musst du optimistisch sein.“
Heute, sagt Obama, würden ihn vor allem die vielen idealistischen jungen Leute zuversichtlich stimmen. „Es gibt so viele Gretas“, betont der Ex-Präsident und hält zum Abschluss noch mal einen seiner flammenden Appelle, für die er so bekannt ist. „Wenn wir uns heute eine Zeit aussuchen sollten, in der wir leben müssen, dann wäre es immer das Jetzt“, sagt Obama. „Obwohl die Zeiten hart sind, waren wir noch nie besser ausgebildet, reicher, gesünder, weniger gewalttätig, toleranter.“ Das Problem sei, dass die Evolution nicht immer geradlinig verlaufe, sagt Obama. Manchmal gehe man einen Schritt voraus, um kurz darauf wieder einen Schritt zurückzufallen. „Ich zähle auf die jungen Menschen“, betont er. „Sie werden uns nach vorne bringen.“