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Bildungsprotest in München: "Wo gehobelt wird, da fallen Spaenle"

Bildungsprotest in München

"Wo gehobelt wird, da fallen Spaenle"

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    "Wo gehobelt wird, da fallen Spaenle"
    "Wo gehobelt wird, da fallen Spaenle"

    München Punkrock und harte Beats schallen über die von Regen und Hagel mitgenommenen Zelte: "Wir ziehen in den Krieg." Dann tritt Fabian Bennewitz, einer der führenden Köpfe des Münchner Bildungsstreiks, ans Mikrofon. "Endlich gehen Schüler und Studenten gemeinsam auf die Straße", ruft der Abiturient mit Halstuch, langen roten Haaren und Vollbart.

    "Weg mit diesem Bildungssystem." Hunderte junge Menschen klatschen, pfeifen, jubeln. "Ich krieg voll die Gänsehaut", flüstert ein Schüler mit Achselshirt und Baseballmütze. Seit Sonntag campieren Studenten und Schüler vor der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und protestieren für bessere Lernbedingungen. An diesem Mittwoch soll der Bildungsstreik seinen Höhepunkt erreichen - wie in vielen anderen deutschen Städten.

    Nach der Kundgebung vor der LMU ist eine große Demonstration durch die Innenstadt geplant. Die Protestler im Bildungscamp sind an diesem Tag schon um 6 Uhr auf den Beinen und rufen Jugendliche auf dem Schulweg zum Streiken auf. Einer davon ist Stefan Liebl. "Es kann so nicht weitergehen", sagt der Politikstudent und ballt die Faust. "Studiengebühren sind ein dicker Brocken. In meiner Familie arbeitet ein Elternteil nur für mich und meine Schwester. Wenn ich jetzt Schüler wäre, ich würde nicht mehr studieren." Auf dem Camp aus 25 Zelten riecht es nach Farbe. "Im G 8 wird alles in einen reingestopft", sagt Julie (14), die ein Banner bemalt. Ein Nachmittag im Schwimmbad - das sei nicht mehr drin. Der schmächtige Juval neben ihr nickt. "Seit ich im Gymnasium bin, kann ich nicht mehr zum Turnen", erzählt der 12-Jährige.

    Nach der Kundgebung herrscht dichtes Gedränge vor der LMU. Gerade hat Studentin Maren Ulbricht "Studieren macht krank" ins Mikro gerufen und Ulrike Köllner vom Bayerischen Elternverband eine Schule ohne Angst gefordert. Jetzt ziehen die 5000 Schüler, Studierenden, Lehrer, Eltern und Auszubildenden durchs Siegestor. "Hoch mit der Bildung", rufen sie, springen in die Luft und gehen in die Knie: "Runter mit der Rüstung." Mit Trillerpfeifen fordern die Streikenden kleinere Klassen, mit Buhrufen verurteilen sie Lehrer, die fürs Schuleschwänzen Verweise angedroht haben und Schüler nicht zur Demo lassen.

    An Schulen und Hochschulen schreien sie: "Leute lasst das Glotzen sein, reiht euch in die Demo ein." Am Lenbachplatz taucht plötzlich Kultusminister Ludwig Spaenle auf. Die Streikenden buhen ihn aus und rufen: "Wo gehobelt wird, da fallen Spaenle." Der CSU-Politiker verzieht das Gesicht, gibt sich sonst aber gelassen: "Das hat man schon zu meinem Vater gesagt." Er lässt sich fotografieren und sagt ein paar kurze Sätze ins Mikro. Zum Beispiel, dass der Schulerfolg in Bayern mittlerweile nicht mehr so stark vom Geldbeutel der Eltern abhänge wie früher. Dann verschwindet der Kultusminister in einer Seitenstraße. Abiturient Michael Bohlender hechtet ihm hinterher. "Das ist seine Gewohnheit: schöne Bilder machen, und nichts passiert", schimpft er. "Ich hab' ihn jetzt auf einen Termin für ein Gespräch festgenagelt."

    Als die jungen Leute nach drei Stunden Streik auf dem Odeonsplatz ankommen und Spaenle zu einer Rede auffordern, ist der Minister längst weg. Heiser und mit hochrotem Kopf ruft Student Sebastian Urchs der Menge zum Abschluss zu: "Ab jetzt übernehmen wir."

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