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Bildungspolitik: Sozis im Schlaraffenland

Bildungspolitik

Sozis im Schlaraffenland

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    Bayerns SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher
    Bayerns SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher

    Bozen Bayerns rekordverliebte Politiker seien gewarnt: 280 Kilometer südlich von München erwartet sie ein Schock. In Deutschland ist Bayern Spitze – doch das kleine Südtirol übertrifft den großen Freistaat in vielerlei Hinsicht. SPD-Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher und seine Kollegen kommen bei ihrem Besuch in Brixen und

    In Bayern wurden in den vergangenen Jahren serienweise Landschulen geschlossen. „Bei uns ist das Prinzip, dass in jedem Dorf die Schule erhalten bleibt“, erzählt Veronika Pfeifer vom Südtiroler Schulamt den Sozialdemokraten. Eine Dorfschule werde auch dann nicht geschlossen, wenn in jedem Jahrgang nur noch zwei Kinder sitzen. Der aus Niederbayern stammenden stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Johanna Werner-Muggendorfer entfährt ein fassungsloser Seufzer, als sie das erfährt.

    Gemessen an der Schülerzahl gibt es außerdem auf der Südseite der Alpen doppelt so viele Lehrer. In Südtirol kommt ein Pädagoge auf acht Schüler, in Bayern liegt das Verhältnis derzeit bei etwa eins zu sechzehn. Umgerechnet würde das bedeuten, dass Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) 240 000 Lehrer an Bayerns Schulen haben müsste – anstelle der 120 000, die es heute sind. Doch sollte Spaenle mit dem Wunsch nach einer entsprechenden Aufstockung bei Finanzminister Georg Fahrenschon (

    Vorbildlich ist Südtirol auch in anderer Hinsicht: bei der Aufnahme behinderter Kinder in die Regelschulen. In ganz Italien gibt es seit 1977 keine Sonderschulen mehr, sagt Siegfried Baur, Professor an der Hochschule für Bildungswissenschaften in Brixen. Alle, auch schwerstbehinderte Kinder, werden gemeinsam unterrichtet. Das ist für Besucher aus Deutschland vor allem interessant, da die Inklusion behinderter Kinder in allen EU-Ländern zur Regel werden soll. Am Dienstag wollen die fünf Landtagsfraktionen dazu einen gemeinsamen Gesetzentwurf im Maximilianeum vorlegen (siehe nebenstehender Artikel).

    Wie die Einbeziehung der Kinder funktioniert, besichtigen die Politiker in der Goethe-Grundschule im Herzen der Bozener Altstadt, die für deutsche Bildungspolitiker zum beliebten Reiseziel geworden ist. Die durchschnittliche Klassengröße liegt unter 20. In den Klassen, in denen ein behindertes Kind sitzt, unterrichten zwei Lehrer – der Klassen- oder Fachlehrer sowie ein Integrationslehrer, der sich um das behinderte Kind kümmert. Das gilt auch für körperlich schwerst beeinträchtigte oder geistig behinderte Kinder. Die Integrationslehrer haben die Zeit, sich um die einzelnen Kinder zu kümmern – in Einzelbetreuung oder in Kleingruppen mit anderen Kindern. „Von dem System bin ich absolut überzeugt. Das heißt nicht, dass alles einfach ist“, sagt Schulleiterin Angelika Ebner.

    Rinderspacher sitzt in der Klasse 5d und beobachtet, wie sich die Integrationslehrerin um einen geistig behinderten Buben kümmert. „Wir sind in eine andere Welt eingedrungen“, sagt er anschließend. „Es ist fast schon paradiesisch, was hier Realität ist.“ Und die Goethe-Schule ist kein Modellprojekt, sondern eine ganz normale Grundschule.

    Die Südtiroler Schulministerin Sabina Kasslatter-Mur ist höchst erfreut über das Lob der bayerischen Besucher. Allerdings hat Südtirol einen großen Vorteil im Vergleich zu Bayern: Es gibt keinen Länderfinanzausgleich. „Das, was unsere Leute erarbeiten, bleibt zu 90 Prozent hier.“ Carsten Hoefer, dpa

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