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Bildung: Immer weniger Kinder besuchen den Religionsunterricht

Bildung

Immer weniger Kinder besuchen den Religionsunterricht

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    15 Prozent der bayerischen Schüler sind konfessionslos, knapp zehn Prozent sind islamischen Glaubens. Das Kreuz hängt trotzdem noch in den Klassenzimmern.
    15 Prozent der bayerischen Schüler sind konfessionslos, knapp zehn Prozent sind islamischen Glaubens. Das Kreuz hängt trotzdem noch in den Klassenzimmern. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa (Symbol)

    Wenn Pfarrer Gerd Greier die Tür zum Klassenzimmer öffnet, sieht er es schmerzhaft mit eigenen Augen: "Die Klassen werden immer kleiner", erklärt der Stadtpfarrer von Bad Kissingen in Unterfranken. Seit mehr als 20 Jahren unterrichtet er Schüler in katholischer Religionslehre. Das gehört zu seinen Aufgaben als Oberhaupt der Pfarrgemeinde. 153 Katholiken sind 2018 in der unterfränkischen Stadt aus der Kirche ausgetreten – 74 Prozent mehr als im Vorjahr. Ein trauriger Spitzenwert in Bayern. Und je mehr die Zahl der Gläubigen sinkt, desto schneller leeren sich auch die

    Schon im Jahr 2016 haben 163 Religionsdidaktiker in Deutschland ein Positionspapier unterschrieben, das ein neues Konzept für die Kirchenlehre an Schulen fordert. Die wichtigste Aussage daraus: Schüler unterschiedlichen Glaubens sollen nicht streng getrennt voneinander lernen, sondern möglichst viel zusammen.

    Muslimische und christliche Schüler sollen gemeinsamen Religionsunterricht haben

    Elisabeth Naurath, Professorin für Religionspädagogik an der Universität Augsburg, war eine der Wissenschaftlerinnen, die 2016 das Konzept zum Unterricht der Zukunft entworfen haben. Sie will gar nicht am nach katholisch und evangelisch getrennten konfessionellen Unterricht rütteln, denn nur da könnten Schüler "ihre eigene religiöse Orientierung gewinnen": Allerdings müsse die religiöse Bildung "stärker in gemeinsame Projektphasen mit anderen Glaubensrichtungen gehen, um von klein auf Verständnis für andere Sichtweisen zu schulen".

    Die Professorin schließt bewusst auch den Islam in ihre Überlegungen ein. Denn ein weiterer Grund für die sinkende Beliebtheit des christlichen Religionsunterrichts ist der, dass an den Schulen im Freistaat deutlich mehr Muslime lernen als vor zehn Jahren.

    Waren es im Schuljahr 2008/2009 noch 87.000 Schüler islamischen Glaubens gewesen, sind es heute 119.000. Insgesamt kommt damit knapp jeder zehnte Schüler im Freistaat aus einer muslimischen Familie. Das Problem: Nur für einen Bruchteil dieser Schüler gibt es passenden Islamunterricht. Er läuft derzeit als Modellversuch an ausgewählten Schulen. Rund 16.000 Kinder besuchten ihn im vergangenen Schuljahr. Speziell ausgebildete Lehrer vermitteln Wissen über den Islam und andere Religionen sowie gesellschaftliche Werte – aber keine subjektiv muslimischen Weltdeutungen.

    Kinder kennen Geschichten aus der Bibel nicht mehr

    Pfarrer Gerd Greier würde befürworten, wenn Schüler verschiedener Glaubensrichtungen mehr zusammen lernten. "Die evangelische und katholische Kirchen haben so viel gemeinsam. Gleichzeitig fände ich es sinnvoll, wenn Schüler auch die Unterschiede deutlicher erfahren würden." Mit dem muslimischen Glauben verbinde die christliche Kirche ebenfalls viel. "Fasten und Pilgerfahrten etwa gehören zu den fünf Säulen des Islam. Und sie sind auch Basics bei uns. Ich finde es wichtig, dass man sich kennt."

    Muslimische Kinder, an deren Schule es keine Islamkunde gibt, sitzen im Ethikunterricht, der allgemeingültige Werte und Normen der Gesellschaft lehrt. Auch für konfessionslose Schüler steht Ethik auf dem Stundenplan. Sie bräuchten ebenfalls religiöses Wissen, fordern Religionspädagogen wie Naurath. Denn: "Ein Dialog unter religiös Ahnungslosen kann nicht zum gegenseitigen Verständnis führen."

    In Bayern dürfen Schüler erst ab dem 18. Lebensjahr allein entscheiden, ob sie den Religionsunterricht besuchen. In den meisten übrigen Bundesländern haben sie dieses Recht schon mit 14 Jahren, wenn sie laut Gesetz die vollständige Religionsmündigkeit erreichen. Vorher bestimmen die Eltern, ob Reli oder Ethik auf dem Stundenplan stehen.

    Der unterfränkische Pfarrer Greier unterrichtet vor allem an der Grundschule. Neben der zunehmenden Leere im Klassenzimmer fällt ihm noch etwas auf: "Bei den Kindern kann man immer weniger voraussetzen." Wenn er früher Geschichten aus der Bibel zitiert habe, habe eine Großteil der Schüler sie gekannt. "Jetzt sind sie für fast alle neu." Greier hat sich angewöhnt, das positiv zu sehen. Er fängt dann ganz vorne an zu erzählen – "so, wie es die ersten Jünger getan haben".

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