Etwa 15 Menschen stehen am Eingang jener Gasse mitten in Regensburg, in der sich das Haus von Papst-Bruder Georg Ratzinger (96) befindet, des früheren Kapellmeisters der weltberühmten Regensburger Domspatzen. Die Polizei hat sie abgeriegelt, denn in dem Haus befindet sich auch Joseph Ratzinger (93) – der emeritierte Papst Benedikt XVI. Er ist am Donnerstag völlig überraschend von Rom nach Regensburg gereist, um seinem Bruder beizustehen, der im Sterben liegt.
Der emeritierte Papst kam sichtlich erschöpft am Münchner Flughafen an
Bistumssprecher Clemens Neck ist am Freitagvormittag ebenfalls hierhergekommen. „Es ist ruhig, die Stimmung ist von Respekt getragen“, erzählt er unserer Redaktion am Telefon. Er spüre in der Stadt und darüber hinaus eine große Anteilnahme der Menschen. Sie bemerkten die „brüderliche Treue und gegenseitige, lebenslange Zuneigung“ von Joseph und Georg Ratzinger und begleiteten die beiden mit Sympathie. Dies gelte selbst für die angereisten Journalisten, sagt Neck. Sie verhielten sich ebenfalls respektvoll. Das Bistum Regensburg hatte die Öffentlichkeit darum gebeten, die Privatsphäre der Brüder zu wahren. Bislang hätten sich alle daran gehalten. Neck sagt, er habe noch keine Drohne gesehen, die Paparazzi-Fotos aus der Luft machen könnte. Auch sei wohl kein Zimmer in nahen Häusern von Journalisten angemietet worden.
Clemens Neck, der Bistumssprecher, hat seit Donnerstag viel zu tun: Das Interesse an seinen Informationen ist hoch. Kein Wunder. Denn dass Benedikt noch einmal in seine Heimat zurückkehrt, galt bis vor Kurzem noch als ausgeschlossen. Er selbst ist ein gebrechlicher, alter Mann. Auf einem Foto, das selbst Vatican News, das Portal des Heiligen Stuhls, via Twitter verbreitete, sah man ihn bei seiner Ankunft auf dem Flughafen in München im Rollstuhl sitzen, sichtlich erschöpft.
Noch ist unklar, wie lange Benedikt in Regensburg bleibt
Nach Angaben von seinem Privatsekretär, Erzbischof Georg Gänswein – einer seiner Begleiter –, war er das auch. Die Reise habe ihn angestrengt. Neck sagt: „In diesem Alter hängt vieles von der Tagesform ab.“ Er betont: „Für beide Brüder ist diese Begegnung ein Lebenselixier.“ Und er bekräftigt diesen Satz mit einer Beobachtung, die er gemacht habe: „Vorhin habe ich Georg Ratzinger noch singen gehört. Das Fenster stand offen.“
Zu diesem Zeitpunkt am Vormittag feierten die beiden ein Hochamt zum Herz-Jesu-Fest. Nach einer Nachmittagsruhe trifft Benedikt ein weiteres Mal bei seinem Bruder ein. Zwei Mal am Tag, vormittags und nachmittags, wird er Georg vermutlich in den nächsten Tagen aufsuchen – dabei werden sie viel beten, die priesterliche Tagesliturgie.
Wie lange Benedikt in Regensburg bleibt, wisse er nicht, sagt Bistumssprecher Neck. Die Bild hatte zuvor unter Berufung auf das nähere Umfeld des emeritierten Papstes geschrieben: „Er wird so lange bleiben, bis der Lebensweg seines Bruders zu Ende geht.“ Dies sei „reine Spekulation“, sagt Neck. Wie die Mutmaßung, Benedikt reise gar nicht mehr nach Rom zurück. Christoph Leuchtner, stellvertretender Leiter des Regensburger Priesterseminars, wo der emeritierte Papst übernachtet, spricht von drei Tagen, die zunächst vorgesehen seien. Neck zufolge ist man „auf alle Varianten“ eingestellt. Ziel von Benedikts Besuch sei, seinen Bruder noch einmal zu sehen. „Im Moment gibt es keine weiteren Pläne.“
Benedikt besuchte zuletzt im Jahr 2006 seine bayerische Heimat
Mit Sicherheit kann Neck dagegen sagen, dass der emeritierte Papst am Freitag „ein echt bayerisches Frühstück“ samt Brezen bekam und mittags Apfelstrudel. Zum aktuellen Zustand des schwerkranken, bettlägerigen Papst-Bruders vermag er keine Auskunft zu geben. Seit Jahren schon ist Georg Ratzinger auf den Rollstuhl angewiesen und fast blind. Wenn er stirbt, werde er vermutlich auf dem „Unteren Katholischen Friedhof“ in Regensburg beerdigt – und damit nicht im Grab seiner Eltern. Zumindest geht Clemens Neck davon aus.
Benedikt besuchte im Jahr 2006 zuletzt seine bayerische Heimat, seine letzte Deutschlandreise war im Jahr 2011. Sein Besuch in Regensburg jetzt ist die erste bekannte Reise seit 2013, die ihn außerhalb Italiens führt. Seit seinem Rücktritt als Papst am 28. Februar 2013 lebt er zurückgezogen im Kloster Mater Ecclesiae in den Vatikanischen Gärten. Für die Reise nach Regensburg habe er sich kurzfristig und in Absprache mit seinem Nachfolger Papst Franziskus entschieden, hieß es.
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