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Besuch des Königspaares: Was verbindet die Deutschen mit den Holländern?

Besuch des Königspaares

Was verbindet die Deutschen mit den Holländern?

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    Wehe, wenn sie losgelassen werden: Niederländer gelten als reisefreudig. Gerne auch mit Wohnwagen.
    Wehe, wenn sie losgelassen werden: Niederländer gelten als reisefreudig. Gerne auch mit Wohnwagen. Foto: Archivfoto: Marcel Antonisse/dpa

    1968 hat Liselotte Rauhut den Campingplatz zwischen Illertissen und Dietenheim von ihrem Vater übernommen. Seither ist eines so sicher wie das Amen in der Kirche: Die Holländer kommen. Im Augenblick tauchen zwar nur vereinzelt Wohnwagen mit den gelb-schwarzen Kennzeichen auf. Aber in wenigen Wochen, wenn es wärmer ist, wird es auf dem drei Hektar großen Gelände anders aussehen, ist sich die Geschäftsfrau sicher. Aufs Jahr gerechnet reisen 80 Prozent der Camping-Gäste aus den Niederlanden an. Meist bleiben sie nur für eine Nacht und erholen sich von ihrer Tagestour, um am nächsten Morgen etwa nach Österreich aufzubrechen.

    Jährlich übernachten 1,1 Millionen Holländer in Bayern

    Aber Bayern, ja Deutschland insgesamt ist eben nicht nur Durchreiseziel für den kleinen Nachbarn im Westen Europas. Peter Alexander Vermeij, seit eineinhalb Jahren niederländischer Generalkonsul in München, erzählt von jährlich 1,1 Millionen Übernachtungen seiner Landsleute im Freistaat. Seine Stimmlage, gepaart mit dem Gesichtsausdruck, den er dabei macht, lässt beim Gesprächspartner nur einen Gedanken zu: Er findet das selbst beachtlich.

    Außerdem habe Deutschland 2007 Frankreich den Rang abgelaufen, beliebtestes Reiseziel der Holländer zu sein. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Kommende Woche reist auch noch das Königspaar an. Die Krönung für das Tourismusland Bayern sozusagen.

    Die gute Beziehung ist nach der Besatzung kein Selbstläufer

    Das mit der Beliebtheit ist beileibe kein Selbstläufer gewesen. Die fünfjährige Besatzung (Mai 1940 bis Mai 1945) hat tiefe Spuren hinterlassen. Wenn ein Deutscher mit süffisantem Lächeln bei der Touristeninformation in Rotterdam nach einem guten Hotel in der Altstadt fragt, dürfte das nicht jeder Ohrenzeuge besonders witzig finden. Die Hafenstadt wurde am 14. Mai 1940 bombardiert, obwohl den deutschen Stellen bereits bekannt war, dass die Stadt übergeben werden sollte. In der Altstadt ist kein Stein auf dem anderen geblieben.

    Im Laufe der Besatzungszeit wurde Nazi-Deutschland immer fordernder. Lebensmittel wie Kaffee und Tee, aber vor allem Roh- und Treibstoffe, kassierten die Unterdrücker ein. Im kollektiven Gedächtnis der Bevölkerung hat sich festgesetzt, dass Teile der Fahrradproduktion abgeliefert werden mussten. Mitte 1942 beschlagnahmte die Wehrmacht sogar Hollandräder auf der Straße. Der Satz „Gib mir mein Fahrrad zurück“ ist zum geflügelten Wort geworden – bis heute.

    Die Rivalität auf dem Fußballplatz

    Das Kriegstrauma wurde auf anderen Feldern verarbeitet – zum Beispiel auf dem Fußballplatz. 1974 waren die Niederlande nahe dran, den Deutschen zu zeigen, dass ein David den Goliath nicht nur im Alten Testament bezwingen kann. Ein Nördlinger namens Gerd Müller hatte etwas dagegen. Vizeweltmeister Willem van Hanegem blieb als Einziger dem Festbankett fern. Die Antipathie gegen die Deutschen war zu groß. „Ich hasse sie. Sie ermordeten meine Familie. Meinen Vater, meine Schwester, zwei meiner Brüder. Jedes Mal, wenn ich Deutsche sah, war ich voller Angst“, begründete er seine Haltung.

    14 Jahre sollte es bis zur Revanche dauern. Am 22. Juni 1988 war es für Deutsche nicht unbedingt ratsam, auf niederländischen Straßen unterwegs zu sein. Lachen und Lichthupen der Einheimischen waren die Überbleibsel des Vorabends, als die Niederlande im EM-Halbfinale Deutschland besiegt hatten. Nach dem Trikottausch mit Olaf Thon wischte sich Ronald Koeman mit Thons Fußballhemd den Hintern ab. Wenige Tage später wurde Holland in München Europameister. Für die Akteure der niederländischen Mannschaft war das der Höhepunkt ihrer Karriere – natürlich auch für Bondscoach Rinus Michels, der auf den Spitznamen „General“ hörte. Mit diesem Beinamen ist sein Zitat „Spitzenfußball ist wie Krieg“ wenig verwunderlich. 1990 bespuckte Frank Rijkaard während des Achtelfinals der Fußball-Weltmeisterschaft Rudi Völler – ein weiterer markanter Pinselstrich auf dem grellen Gemälde der Fußball-Rivalität zwischen beiden Ländern.

    Wenige Jahre später dann waren die politischen Beziehungen tatsächlich im Keller. Ruud Lubbers, der als einer der bedeutendsten niederländischen Ministerpräsidenten gilt, wollte EU-Kommissionschef werden, was der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl zu verhindern wusste. Die niederländische Gesellschaft regte sich über die Deutschen nach fremdenfeindlichen Ausschreitungen auf. Nach dem Brandanschlag in Solingen fiel 1993 die Postkartenaktion eines Radiosenders auf fruchtbaren Boden. „Ik ben woedend“ stand darauf: Ich bin wütend. Säckeweise wurde mehr als eine Million dieser Karten vor das Bundeskanzleramt in Bonn gekarrt.

    Die bekannte Clingendael-Studie tat im selben Jahr ihr Übriges dazu, das verheerende Deutschland-Bild in den Niederlanden zu illustrieren. Befragt wurden Jugendliche zwischen 15 und 19 Jahren. Die Deutschen seien dominierend und arrogant, Deutschland wurde mehrheitlich als kriegstreiberisch bezeichnet und als ein Land, das die Welt beherrschen wolle. Auch wenn die Methodik der Umfrage etwa wegen vorgegebener Antworten später Anlass zur Kritik gab: Der Geist war aus der Flasche, die politisch Verantwortlichen zeigten sich ob dieses Negativurteils entsetzt und vereinbarten, auf zahlreichen Ebenen enger zusammenzuarbeiten.

    Was diese Initiativen tatsächlich gebracht haben, ist schwer zu ermessen. Von den Schatten der Vergangenheit ist jedenfalls kaum etwas übrig geblieben. Die Deutschen werden bewundert, wie sie die Wiedervereinigung gemeistert haben. Sie werden dafür respektiert, wie sie aus der globalen Wirtschaftskrise gekommen sind.

    Außerdem weiß eine „Kaufmannsnation“ wie die Niederlande – von dort wurden Mitte des 17. Jahrhunderts rund 50 Prozent des Welthandels organisiert –, wie wichtig es ist, Kontakte zu pflegen. Animositäten sind für Geschäfte nur hinderlich. Das passt nicht in eine Welt, in der gigantische Summen und Waren per Mausklick verschoben werden und Internet und Co. die Erdkugel zum globalen Dorf schrumpfen lassen.

    Die wirtschaftlichen Beziehungen  sollen angekurbelt werden

    Insofern wirkt das Votum der niederländischen Wähler Mitte dieser Woche, die sich mehrheitlich gegen ein Abkommen der EU mit der Ukraine ausgesprochen haben, für die politische Klasse wie ein Bremsklotz. Es lässt eine andere Facette der Niederlande zutage treten, kommentiert die Amsterdamer Zeitung de Volkskrant: „Nicht die eines mehrsprachigen, auf Zusammenarbeit orientierten Kosmopoliten, sondern die eines besorgten Wählers, dem zu viel Macht und Kontrolle nach Brüssel abfließt.“ Die Folgen des Referendums, an das sich die Regierung nicht halten muss, sind noch nicht absehbar. Die Reparatur dürfte aufwendig sein.

    Einfacher und deutlich glanzvoller wird es in der kommenden Woche, wenn König Willem-Alexander und Königin Máxima Bayern besuchen. Angesichts der Vielzahl der Termine in München, Erlangen und Nürnberg sollte es nicht verwundern, wenn beide Doppelgänger einsetzen würden. Komiker Hape Kerkeling, der Willem-Alexanders Mutter Beatrix vor 25 Jahren bei ihrem Besuch in Berlin unvergesslich doubelte, hat sein Erscheinen allerdings nicht angekündigt.

    Im Schlepptau des Königspaares ist dagegen eine etwa 200-köpfige Delegation. Die meisten Mitreisenden vertreten Unternehmen in den Niederlanden. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern sollen angekurbelt werden, das ist das erklärte Ziel der „Handelsmission“, wie die niederländische Seite den königlichen Arbeitsbesuch auch nennt – so, als ob die Bayern bekehrt werden müssten, ihren Blick stärker in den Norden zu richten. Vielleicht müssen sie ja.

    Beim Export nach Bayern stagnieren die Niederlande

    Generalkonsul Vermeij freut sich darauf, zu zeigen, „dass es bei uns mehr gibt als Tulpen, Käse und Meer“. Und auch Monique van Daalen, die niederländische Botschafterin, sieht wirtschaftlich betrachtet noch „Luft nach oben“. Ein Blick in die Statistik belegt das. Beim Export nach Bayern stagnieren die Niederlande seit vielen Jahren. Ihr Anteil liegt aktuell bei 5,3 Prozent. Vermag der König an dieser Schraube zu drehen? Die Diplomatin sieht den Monarchen durchaus als Türöffner im Ausland, der etwas von den Mechanismen verstehe. Willem-Alexander beschäftigt sich „viel mit Wirtschaft und Handel“, sagt van Daalen.

    Kulturell haben die Niederlande gerade einen großflächigen „Deutschunterricht“ hinter sich. Die landesweite Buchwoche beschäftigte sich im März mit dem Nachbarn. Eines der Bücher hat der frühere Deutschland-Korrespondent Wouter Meijer geschrieben. Sein Titel drückt augenzwinkernd aus, dass es zurzeit sehr gut geht mit Deutschland und den Niederlanden. „We kunnen niet allemaal Duitsers zijn“, ruft er gewissermaßen seinen Landsleuten zu. „Wir können nicht alle Deutsche sein.“

    Der königliche Besuch in Bayern - Termine

    Am Mittwoch und Donnerstag besucht das niederländische Königspaar Bayern. Auszüge aus dem Programm:

    13. April, München

    Alte Pinakothek: Nach Abschluss der Renovierungs- und Erneuerungsarbeiten wird dort der „Holländer-Saal“ des Museums wiedereröffnet, in dem Meisterwerke der holländischen Malerei aus dem 17. Jahrhundert ausgestellt werden.

    BMW Group: Danach besucht das Königspaar die BMW-Welt, das Ausstellungs- und Auslieferungszentrum der BMW Group. Auf einem Seminar sprechen deutsche und niederländische Teilnehmer aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik über nachhaltige urbane Mobilität.

    Residenz: Horst Seehofer und seine Frau Karin begrüßen das Königspaar auf dem Max-Joseph-Platz vor der Münchner Residenz. Beim Mittagessen halten der König und der Ministerpräsident Reden im Antiquarium.

    Deutsches Museum: Im Deutschen Museum wohnt das Königspaar einem Teil des Niederländisch-Deutschen Forums bei, das sich mit der Bedeutung der IT-Sicherheit für die Industrie beschäftigt.

    14. April, Erlangen und Nürnberg

    Siemens Healthcare: In der Region sind etwa 180 Unternehmen ansässig, die im Bereich der Medizintechnik aktiv sind. Siemens ist ein wichtiger globaler Akteur der Branche. Das Königspaar besucht die Produktionshalle von Siemens, in der Magnetresonanztomographen hergestellt werden.

    Justizpalast : Nachmittags sehen sich Willem-Alexander und Máxima den Justizpalast in Nürnberg, insbesondere den Schwurgerichtssaal 600, an, in dem die Nürnberger Prozesse stattfanden.

    Albrecht-Dürer-Haus: Der König und die Königin beschließen ihren Arbeitsbesuch in der ehemaligen Wohn- und Arbeitsstätte des Nürnberger Malers Albrecht Dürer (1471–1528), der sich ein Jahr in den Niederlanden aufhielt.

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