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Besuch bei Putin: Horst Seehofer will in Russland die Eiszeit beenden

Besuch bei Putin

Horst Seehofer will in Russland die Eiszeit beenden

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    Horst Seehofer ist nach Russland gereist, um in Moskau Putin zu besuchen.
    Horst Seehofer ist nach Russland gereist, um in Moskau Putin zu besuchen. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Ein eisiger Wind pfeift über den Roten Platz. Gut, für russische Verhältnisse mag das ein laues Lüftchen sein. Aber trotzdem frieren einem die Ohren ab. Horst Seehofer ist das egal. Er schlägt den Kragen hoch und lächelt für die Kameras. Der Mann hat gute Laune. Wieder. Das muss man dazusagen. Mögen die Zeitungen doch schreiben, was sie wollen. Mögen diese kleingeistigen Kritiker zu Hause in Deutschland noch so über Geltungsdrang und Profilierungssucht mosern. Seehofer bleibt dabei: Seine Reise zu Wladimir Putin war richtig.

    Zwar hat der russische Präsident seinem Gast aus Bayern für keine der großen Krisen, über die sie sprachen, eine Lösung geboten oder gar Zugeständnisse gemacht. Aber darum ging es dem CSU-Chef ja auch gar nicht. Er wollte das Signal setzen, dass man mit Moskau im Gespräch bleiben muss. Ganz egal, was war.

    Dass die russischen Medien seinen Besuch für ihre Propaganda ausschlachten und ihn jetzt erst recht als großen Gegenspieler von Kanzlerin Angela Merkel inszenieren, nimmt er gelassen zur Kenntnis. Hat er keine Angst, dass seine Botschaft an Putin in der Welt falsch ankommt? Ach was! Seehofer ist sich seiner Sache sicher. Doch wer ihn in diesen Tagen in Moskau erlebt, spürt durchaus, wie sehr er unter Druck stand. Erst Stunden nach dem Termin in der Residenz des Staatschefs weicht langsam die Anspannung.

    Es ist schon spät am Abend, als der bayerische Ministerpräsident sich mal wieder zu ein paar launigen Worten hinreißen lässt. Seehofer sitzt in einer Hotelbar auf einem aufdringlich gestreiften Sofa und unterhält sich mit den mitreisenden Journalisten. Auf die Frage, ob er den Kreml-Chef zum Gegenbesuch nach Deutschland eingeladen hat, antwortet er, das sei natürlich der Kanzlerin überlassen. „Ein paar Regeln gibt es schon noch“, sagt er dann mit einem schelmischen Grinsen und fügt nach einer kleinen Kunstpause hinzu: „Auch für mich.“

    Seehofer steht wegen Russland-Reise in der Kritik

    Seehofer weiß natürlich trotz aller Zuversicht, dass seine „freundschaftliche Begegnung“ mit Putin einen entscheidenden Schwachpunkt hat: Die unangenehmen Fragen nach den russischen Soldaten in der Ukraine, nach der undurchsichtigen Rolle Moskaus im Syrien-Konflikt, nach Propaganda, Demokratie und Menschenrechten bleiben unbeantwortet. Hat er sie überhaupt gestellt? Das wollen auch deutschsprachige Journalisten wissen, die in Russland arbeiten und vom Seehofer-Putin-Gipfel irritiert sind. Auch ihnen weicht der bayerische Realpolitiker am Abend aus und gibt eine Antwort, die man in Moskau oft von ihm hört: „Ich möchte mich nicht zum Oberlehrer oder Vormund anderer machen.“

    Als Seehofer dann auch noch sagt, es sei „nobel“, dass Putin sich nicht in die deutsche Flüchtlingspolitik einmische, schütteln einige die Köpfe. Er wolle lieber gegenseitiges Vertrauen neu aufbauen, statt immer nur aufzulisten, wer wann was falsch gemacht hat. Damit liegt Seehofer zumindest ganz auf der Linie von Edmund Stoiber.

    Der frühere Ministerpräsident läuft in Moskau zu großer Form auf. Als wäre er nie weg gewesen, führt er leidenschaftliche Debatten. Beim Mittagessen ist der rüstige Politrentner kaum zu bremsen. Da muss der Moskauer Oberbürgermeister mit seinem Anschlusstermin zur Not eben ein bisschen warten. Stoiber genießt seine Rolle als Elder Statesman sichtlich. Und es erinnert an fast vergessene Zeiten, wenn er auf dem Roten Platz steht (ohne Mantel übrigens, trotz der Kälte), eine Antwort mit den Worten „Es ist alles gesagt“ beginnt – und dann trotzdem fünf Minuten weiterredet.

    Dass ihm sein Vor-Vorgänger die Show stehlen könnte, fürchtet Seehofer übrigens nicht: „Der Edmund macht das mit großem Fingerspitzengefühl und drängt sich nie in den Vordergrund – ich bin nicht sicher, ob das alle meine aktuellen Minister auch so machen würden.“

    Putin soll zu Seehofer gesagt haben: "Kommen Sie wieder"

    Aber zurück zu Putin. Glaubt Seehofer wirklich, dass Reden da noch hilft? Ist es nicht naiv, diesen Mann mit Samthandschuhen anzufassen? „Wir sind nicht blauäugig. Wir wissen, dass die Welt kompliziert ist, und das ist auch deutlich geworden in unserem Gespräch“, sagt der CSU-Chef. Klingt ernüchtert. Aber das ist für ihn noch lange kein Grund, seine diplomatischen Bemühungen einzustellen. Vorerst freut er sich über die „ausgezeichnete, extrem angenehme Atmosphäre“ bei dem Treffen.

    Am Ende habe Putin ihn gebeten: „Kommen Sie wieder!“ Darauf kann er Gift nehmen. Schließlich will der bayerische Handelsreisende schon im Herbst noch einmal nach Moskau fliegen. Dann soll ihn eine große Wirtschaftsdelegation begleiten. Auch deshalb hofft Seehofer inständig, dass die Sanktionen gegen Russland bis dahin erledigt sind. Andernfalls könnte der Besuch zur Farce werden.

    Es gibt also noch eine Menge zu tun. Und wieder ist es Stoiber, der die Richtung vorgibt. „Politik ist ein Langstreckenlauf, der nie endet“, sagt der mittlerweile 74-Jährige. Und er meint damit bestimmt nicht (nur) sich selbst.

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