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NSU-Prozess: Beate Zschäpe holt sich starkes Verteidiger-Team

NSU-Prozess

Beate Zschäpe holt sich starkes Verteidiger-Team

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    Zschäpes Verteidiger (v. l.): Wolfgang Stahl, Wolfgang Heer und Anja Sturm.
    Zschäpes Verteidiger (v. l.): Wolfgang Stahl, Wolfgang Heer und Anja Sturm. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Man kommt um das Thema nicht herum: Wenn in einem Prozess um eine rechtsterroristische Mordserie die Verteidiger der Hauptangeklagten Stahl, Heer und Sturm heißen, was hat das zu bedeuten? In diesem Fall: nichts.

    Denn auch wenn es so klingt, als habe die mutmaßliche Nazi-Terroristin Beate Zschäpe ihre Rechtsanwälte nach den Namen ausgesucht, ist der martialische Dreiklang reiner Zufall. Wolfgang Stahl, Wolfgang Heer und Anja Sturm sind völlig frei vom Verdacht, rechtsextremistische Szene-Anwälte zu sein. Eher schon könnten sie einer amerikanischen Anwaltsserie entstammen. Alle drei sind um die 40, sie sind smart, sie sind ehrgeizig. Ideologisches Arbeiten, wie es bei den RAF-Prozessen teils der Fall war, ist ihnen fremd.

    Das ist Beate Zschäpe

    Beate Zschäpe wurde am 2. Januar 1975 in Jena geboren. Dem Hauptschulabschluss folgte eine Ausbildung als Gärtnerin.

    Von Mitte 1992 bis Herbst 1997 ging Beate Zschäpe einer Arbeit nach, zweimal unterbrochen von Arbeitslosigkeit. So steht es in einem Bericht des ehemaligen Bundesrichters Gerhard Schäfer für die Thüringer Landesregierung. «Ihre Hauptbezugsperson in der Familie war die Großmutter», heißt es weiter.

    Mit dem Gesetz kam Zschäpe erstmals als 17-Jährige in Konflikt. Der Schäfer-Bericht vermerkt 1992 mehrere Ladendiebstähle. 1995 wurde sie vom Amtsgericht Jena wegen «Diebstahls geringwertiger Sachen» zu einer Geldstrafe verurteilt.

    Zu der Zeit war sie aber häufiger Gast im Jugendclub im Jenaer Plattenbaugebiet Winzerla, bald an der Seite des Rechtsextremen Mundlos. Über das ungewöhnliche Dreiecksverhältnis zwischen ihr, Mundlos und Böhnhardt ist viel spekuliert worden.

    Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt beteiligten sich zu der Zeit an Neonazi-Aufmärschen im ganzen Land.

    Im Alter von 23 Jahren verschwand die junge Frau mit den beiden Männern aus Jena von der Bildfläche. Zuvor hatte die Polizei ihre Bombenbauerwerkstatt in der Thüringer Universitätsstadt entdeckt.

    Danach agierte Zschäpe mit einer Handvoll Aliasnamen: Sie nannte sich unter anderem Silvia, Lisa Pohl, Mandy S. oder Susann D. Zeugen beschrieben sie als freundlich, kontaktfreudig und kinderlieb. Bei Diskussionen in der Szene soll sie jedoch die radikaleren Positionen ihrer beiden Kumpane unterstützt haben.

    Nach der Explosion in Zwickau am 4. November 2011 war Zschäpe mit der Bahn tagelang kreuz und quer durch Deutschland unterwegs. Sie verschickte auch die NSU-Videos mit dem menschenverachtenden Paulchen-Panther-Bildern. Am 8. November stellte sie sich der Polizei in Jena.

    Im Prozess schwieg Zschäpe lange Zeit. An Verhandlungstag 211, im Juni 2015, antwortete sie dem Richter ein erstes Mal, und zwar auf die Frage, ob sie überhaupt bei der Sache sei.

    Zu den Vorwürfen äußerte sich Zschäpe erstmal im September 2015. Ihr Verteidiger las das 53-seitige Dokument vor, in dem Zschäpe ihre Beteiligung an den Morden und ihre Mitgliedschaft im NSU bestritt. Lediglich die Brandstiftung in der letzten Fluchtwohnung des Trios gestand sie.

    Ein psychologisches Gutachten aus dem Januar 2017 beschreibt Zschäpe als "voll schuldfähig".

    Die drei sind nicht auf Vermittlung alter Seilschaften zu dem Mandat gekommen, sondern durch die Vermittlung eines Kollegen. Als Beate Zschäpe sich nach dem Selbstmord ihrer Kameraden am 8. November 2011 stellte, ging sie in Begleitung eines ihr bekannten Anwalts zur Polizei in Jena. Der erkannte schnell, dass die Angelegenheit für ihn eine Nummer zu groß war und rief den Kölner Kollegen Wolfgang Heer an. Der wurde der erste Pflichtverteidiger der mutmaßlichen Terroristin.

    Top-Verteidiger für NSU Zschäpe

    Heer, 1973 geboren, ist ein echter Kölner, der dem Karneval zugeneigt ist und die liberale Atmosphäre der Domstadt mag. Er ist seit 2004 als Anwalt zugelassen. Seine ersten größeren Prozesse führte er im Bereich Wirtschaftskriminalität. Heer kann, so wird erzählt, völlig emotionslos Richter und Staatsanwälte zur Weißglut treiben.

    „Er ist unser Kettenhund“, sagt sein Koblenzer Kollege Wolfgang Stahl über ihn. Die beiden kennen sich seit Jahren und haben schon öfter zusammengearbeitet. Stahl, 1972 geboren, verteidigte bislang vor allem Wirtschaftsmanager. Seine Spezialität ist das Revisionsrecht. Diese Fachkenntnis wird er aller Voraussicht am Ende des NSU-Prozesses brauchen können. Denn wie auch immer das Verfahren ausgeht, das am Montag starten soll – eine Revision ist höchst wahrscheinlich.

    Anja Sturm, Jahrgang 1970, hat schon mutmaßliche Mörder, Islamisten und Mafiosi verteidigt, aber der NSU-Prozess ist auch ihre größte Herausforderung. Nach dem Jura-Studium arbeitete sie unter anderem beim EU-Ministerrat in Brüssel und eröffnete eine Kanzlei in Berlin. Nach der Geburt von Zwillingen war sie von 2004 bis 2012 in einer bekannten Münchner Kanzlei tätig. Heute arbeitet sie wieder in Berlin. 2010 wurde bei Anja Sturm Krebs diagnostiziert. Operation, Chemotherapie, das ganze Programm. Heute glaubt sie, dass die Krankheit überwunden ist.

    Auch Neonazis haben Recht auf einen fairen Prozess

    Wie können diese drei eine Frau vor Gericht vertreten, die als Inkarnation des Bösen gilt? Geld? Der Honorarsatz für eine Pflichtverteidigung liegt bei 435 Euro pro Sitzungstag plus Spesen. Es gehe ihnen um den Rechtsstaat, sagen die Verteidiger. Auch eine in der Öffentlichkeit vorverurteilte Neonazi-Terroristin wie Beate Zschäpe habe ein Recht auf einen fairen Prozess mit einer kompetenten Verteidigung. Die Anwälte wissen aber, dass sie mit dieser Argumentation nicht alle Menschen erreichen werden.

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