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Bayerns Wissenstempel ist marode: Das Deutsche Museum ist reif fürs Museum

Bayerns Wissenstempel ist marode

Das Deutsche Museum ist reif fürs Museum

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    Das Deutsche Museum in München.
    Das Deutsche Museum in München.

    Von Sylvia Rustler, München Das Deutsche Museum wackelt - ständig. Die beiden Arme der Isar haben die Museumsinsel fest im Griff. Mit ihrer unterirdischen Strömung erschüttern sie die Sandbank, auf der das Museum steht. Die Besucher, die in einer langen Schlange vor dem Eingang stehen, spüren vom Wanken des 800 Meter langen Eilands nichts.

    Wohl aber das Gebäude. In der Mauer klaffen Risse, Stahlstreben bohren sich ans Tageslicht. Die Hüterin ehemals revolutionärer technischer Apparate leidet unter massiven Alterserscheinungen. Die Außenhaut sieht mitgenommen aus. Das nicht der einzige Makel. "Das Deutsche Museum hat im Moment keinen Leuchtturmcharakter mehr", sagt Elke Kollar, Vorsitzende des Landesarbeitskreises Museumspädagogik.

    Um die alte Dame wieder fit zu machen, die sich seit über 80 Jahren bemüht, komplexe wissenschaftliche Theorien einfach zu erklären, benötigt Generaldirektor Professor Wolfgang M. Heckl nach eigenen Angaben 400 Millionen Euro. Zwar hat die Privatwirtschaft - Firmen wie Siemens, MAN oder ThyssenKrupp - mit etwa 35 Millionen Euro knapp zehn Prozent der Summe zugesagt. Aber aus dem Konjunkturpaket II der Bundesregierung gibt es zusätzlich nur 29 Millionen. "Im Ausland hat man eine hohe Meinung von uns", sagt der 50-Jährige. "Gott sei Dank haben die noch nicht gemerkt, wie es bei uns aussieht."

    Von dem Geld aus dem Konjunkturpaket sollen 24 Millionen für die energetische Sanierung, also Wärmedämmung und neue Fenster, sowie fünf Millionen zur Erneuerung des Verkehrszentrums verwendet werden. Der Rest muss warten.

    Aber die Isar wartet nicht. An Regentagen bedroht der Fluss die Schätze im Untergrund. In dem weitläufigen, kühlen Keller des Museums rattert ein Luftentfeuchter, unter einem staubigen Teleskop des Physikers Joseph von Fraunhofer sind große Wasserflecken zu sehen. Hat die Isar Hochwasser, drückt das Grundwasser durch den Boden, greift das Leder alter Fotoapparate an und gefährdet wertvolle Stücke wie die Olympiafackel von 1972.

    80 Prozent der Museumsobjekte sind nicht ausgestellt und lagern im Verborgenen - unter dem Museum und in sieben Depots, die bis nach Ingolstadt verstreut sind und laut Heckl hohe Mietkosten verursachen. Die Lösung der Probleme ist für den Museumschef einfach: ein zentrales, öffentliches Depot bei der Flugwerft in Schleißheim. Aber dafür fehlen 44 Millionen.

    So bekommen Besucher vorerst "nur" die über 20 000 Exponate in den 50 Ausstellungen zu sehen. Eine davon ist die "Wissenschaftliche Chemie". Die Tafeln aus den 70er Jahren sind zum Teil vergilbt und an einigen Experimenten, die mit blutroten, klobigen Knöpfen gestartet werden, stehen Schilder mit der Aufschrift "Außer Betrieb". "Viele Sachen gehen nicht", ärgert sich Hendrik Bohnhammel, ein Augsburger Gymnasiast mit schwarzem Kapuzenpulli. Sein Schulkamerad, der sich gerade den Kernspaltungstisch von Otto Hahn angesehen hat, nickt. "Das Museum ist cool, weil es riesig ist", sagt er. "Aber man müsste es auf Vordermann bringen. Dann wäre es wahrscheinlich wieder das geilste Museum Deutschlands."

    Für Alfred Siebert ist es das immer noch. Der Rentner freut sich, dass "alles noch fast genauso ist wie 1962, als ich zum ersten Mal hier war". Der Frankfurter hat sich die Reise nach München zum 70. Geburtstag gewünscht. Für die abblätternde Farbe an der 57 Jahre alten Hochspannungsanlage hat er keinen Blick. "Den Faraday'schen Käfig kenne ich noch genau", sagt er und schwelgt in Erinnerungen.

    Neben Siebert lässt ein schlaksiger Junge eine graue Kurbel surren. Ein Ziffernblatt, das an eine Uhr in einer Schule oder einem Freibad erinnert, zeigt 200 Watt an. Was er mit der Energie machen könnte, weiß der britische Schüler nicht. Anders in der Energietechnik im ersten Stock: Hier treten die Schüler Stefan und Daniel in die Pedale eines Liegefahrrads - bei 200 Watt bringen sie einen Fernseher zum Laufen. "Das zeigt, was möglich wäre", sagt Bernhard Weidemann, Sprecher des Deutschen Museums.

    Im Schnitt sind die Ausstellungen 19,8 Jahre alt. "In Teilbereichen sind wir sehr modern. Aber es gibt viele Ausstellungen, die furchtbar veraltet sind", betont Generaldirektor Heckl. "Wir wissen selbstverständlich, dass wir unsere Mitmach-Experimente, für die wir berühmt geworden sind, am Laufen halten müssten. Aber der Haushalt gibt das nicht her." Bei aller Vielfalt im Deutschen Museum, sagt Pädagogik-Expertin Elke Kollar, bei "interaktiven Sachen" hätten andere Museen wie "Mensch und Natur" in München oder das Bahn-Museum in Nürnberg aufgeholt.

    Um wieder das Maß aller Dinge in Deutschland zu sein, möchte Heckl auch das Nachbargebäude an der Straße zurückerwerben und zu einer modernen Eingangshalle machen. Wo jetzt Kinos Teenie-Filmchen zeigen, plant er Live-Übertragungen von einem großen Observatorium in Chile und einen Globus, auf dem die großen Menschheitsprobleme dargestellt werden. Hier sollen Besucher in die Welt der Wissenschaft eingeführt werden. Drinnen im Haupthaus warten dann deren tiefe Geheimnisse.

    Der Museumschef will Standfestigkeit beweisen. "Die öffentliche Hand hat den ersten Schritt gemacht", sagt er und lehnt sich in ein schwarzes Ledersofa. "Ich bin guter Dinge." Spätestens 2025, also 100 Jahre nach der Eröffnung, soll der Tempel, durch den Generationen von Schülern durchgeschleust wurden, wieder in altem Glanz erstrahlen. Heckl: "Dann soll die ganze Erde auf uns blicken. Auf Deutschland. Auf Bayern. Auf München."

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