Markus Söder hatte sich das wahrscheinlich anders vorgestellt. Damals, im vergangenen Jahr, als er sich hinstellte und einen „Beitrag zu Versöhnung im ländlichen Raum“ ankündigte. Söder meinte damit den „Aktionsplan Wolf“. Am Montag wurde das Papier nun veröffentlicht – von einer Versöhnung kann aber nicht die Rede sein. Ganz im Gegenteil.
Beim Thema Wolf kochen die Emotionen im Freistaat regelmäßig hoch. Zuletzt im vergangenen Sommer, als im Allgäu in relativ kurzen Abständen mehrere Kälber gerissen wurden. Unter Bauern ging die Angst um, viele wollten dem Wolf an den Kragen und forderten vehement, das Raubtier, das mehr als 100 Jahre lang aus Bayerns Wäldern verschwunden war, abzuschießen.
"Gefahr, dass Wolfsabschüsse die Regel statt die Ausnahme werden"
Im Aktionsplan ist der Abschuss der streng geschützten Tiere nun neu geregelt. Ein Wolf soll künftig schon dann getötet werden dürfen, wenn er sich wiederholt Nutztieren nähert und sie bedroht. Er muss also gar kein Schaf oder Rind gerissen haben, um – wie es im Amtsdeutsch heißt – „entnommen“ zu werden. Diese Abschussregelung gilt für Gebiete, in denen Weidetiere durch Zäune oder andere Maßnahmen nicht ausreichend geschützt werden können. Was genau „nicht schützbare Weidegebiete“ sind, das soll von einer speziellen Kommission geprüft und festgelegt werden. In Gebieten, in denen Zäune möglich sind, reicht es, wenn ein Wolf so einen einmal überwunden hat – dann ist ein Abschuss möglich.
Naturschützer lehnen den Aktionsplan strikt ab. Wolfsabschüsse seien damit früher und leichter möglich als in anderen Bundesländern, bemängelt etwa der Vorsitzende des BUND Naturschutz, Richard Mergner. „Wir laufen Gefahr, dass Wolfsabschüsse die Regel statt die Ausnahme werden“, sagt er. Auch Andreas von Lindeiner, Wolfsexperte beim Landesbund für Vogelschutz und Mitglied in der Arbeitsgruppe „Große Beutegreifer“, die zu Zeiten von Problembär Bruno gegründet wurde, macht deutlich: „Einen rein präventiven Abschuss darf es nicht geben.“ Eine Bedrohung rechtfertigt seiner Ansicht nach noch keinen Abschuss.
Harsche Kritik kommt auch von der Gesellschaft zum Schutz der Wölfe. Deren Vorsitzender Peter Blanché bemängelt, dass der Aktionsplan aus juristischer Sicht „sehr zweifelhaft“ und nicht mit geltendem Recht vereinbar sei. Er glaubt, dass es mehrere Klagen vonseiten der Naturschützer geben werde.
Den Bauern geht der "Aktionsplan Wolf" nicht weit genug
Nun könnte man meinen, dass zumindest die Almbauern zufrieden sind. Doch weit gefehlt. „Der Aktionsplan geht uns nicht weit genug“, sagt Georg Mair, der Vorsitzende des Almwirtschaftlichen Vereins Oberbayern. Er hätte sich spezielle Gebiete gewünscht, aus denen der Wolf komplett rausgehalten wird – und wo gar nicht erst abgewartet wird, ob er sich einem Nutztier nähert. „Wenn er sich dort ansiedeln wollen würde, dann müsste ihm nachgestellt werden.“ Einfach Zäune aufzustellen, wie immer gefordert werde, sei nicht so leicht, sagt Mair. „Auf dem bergigen Gelände ist das schwierig, es gibt viele Felsen und Gräben.“ Hinzu komme, dass der Schnee im Winter die Zäune beschädige. Sie würden außerdem die Lebensräume von anderen Tieren durchtrennen.
Das Umweltministerium betonte am Montag, mit dem Aktionsplan wolle man den strengen Artenschutz beim Wolf und die Belange der Weidewirtschaft vereinen. „Er soll dazu beitragen, Beeinträchtigungen für alle Betroffenen zu minimieren“, erklärt Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler). Überzeugt hat er damit aber offenbar weder die Almbauern noch die Naturschützer.
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