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Bayern: Sextäter in Freiheit: "Es ist ein Albtraum"

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Sextäter in Freiheit: "Es ist ein Albtraum"

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    Die Justizvollzugsanstalt Straubing: Hier sitzen 20 Straftäter, die nach einem EU-Urteil eigentlich entlassen werden müssten, aber als gefährlich gelten.
    Die Justizvollzugsanstalt Straubing: Hier sitzen 20 Straftäter, die nach einem EU-Urteil eigentlich entlassen werden müssten, aber als gefährlich gelten. Foto: dpa

    Das Urteil wurde im November 1991 gesprochen. Die Richter wählten die höchstmögliche Strafe. Für 15 Jahre schickten sie den Augsburger Robert M. (Name geändert), damals 43 Jahre alt, ins Gefängnis. Mindestens tausend Mal hatte er seine Tochter vergewaltigt und missbraucht, außerdem hatte er die Tochter und seine Ehefrau zu Sex mit einem Hund gezwungen. M. sitzt nach wie vor hinter Gittern, weil die

    Robert M. ist einer von 20 Straftätern in Bayern, die nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eigentlich aus der Sicherungsverwahrung in die Freiheit entlassen werden müssen. Die Entscheidung des Gerichts ist fast ein Jahr alt. In anderen Bundesländern gab es schon Freilassungen, in Bayern bisher nicht. Der Grund: Die Straftäter sitzen alle im Gefängnis in Straubing, wo viele Schwerverbrecher für ihre Taten büßen. Das zuständige Oberlandesgericht in Nürnberg stellt sich bisher gegen die europäischen Richter, es lässt die Straftäter nicht raus.

    Doch das könnte sich demnächst ändern. Urteile des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts werden zu dem Thema erwartet. "Je nachdem, wie und wann die obersten Gerichte entscheiden, könnte es sehr schnell gehen", sagt Stefan Heilmann, Sprecher des Justizministeriums in München. Das heißt: Quasi über Nacht könnten sich die Gefängnistore für Straftäter öffnen, die nach wie vor als hochgefährlich gelten. Bei der Polizei blickt man mit Sorge auf dieses Szenario. "Es ist ein Albtraum", sagt ein ranghoher Polizist aus Augsburg.

    In Augsburg stellt man sich derzeit auf zwei mögliche Straftäter ein, die von der Polizei überwacht werden müssten. Robert M. lebte vor seiner Verhaftung in Augsburg, deshalb vermutet man, dass er dorthin zurückkehren könnte. Im zweiten Fall geht es nach Informationen unserer Zeitung um einen Sexualtäter, der mehrfach fremde Frauen überfallen und vergewaltigt hat. Er sitzt seit 1989 hinter Gittern, gilt als therapieresistent und intelligent. Zuletzt lebte auch er in Augsburg.

    Würde einer der beiden Männer tatsächlich nach Augsburg kommen, müssten ihn mehrere Polizeibeamte Tag und Nacht im Auge behalten. Deshalb wird, wie es heißt, vom Polizeipräsidium derzeit eine Truppe von rund 30 Beamten zusammengestellt, die diese Bewachung übernehmen würde. Dazu kommen weitere Vorsichtsmaßnahmen. Im Fall der Fälle würden auch Verwandte oder mögliche neue Opfer durch die Polizei gewarnt. "Natürlich bereiten wir uns vor, so wie alle Dienststellen in Bayern", bestätigt Udo Dreher, der Sprecher des Augsburger Präsidiums. Mehr will er derzeit aber nicht sagen.

    Für die Polizei wäre die Überwachung der entlassenen Straftäter eine brisante Angelegenheit. Sie muss mögliche Opfer gut schützen, gleichzeitig muss sie jedoch auch eine Hexenjagd verhindern. Öffentlich machen werde man die Namen auf keinen Fall, heißt es in Augsburg. Man will keine Entwicklung wie in Heinsberg. In dem Dorf in Nordrhein-Westfalen gab es im vorigen Jahr wegen eines aus der Haft entlassenen Kinderschänders fast täglich Mahnwachen und Proteste.

    Nicht nur bei der Augsburger Polizei hofft man, dass der Ernstfall erst gar nicht eintritt. Die Chancen dafür sind gestiegen, seit das Bundeskabinett vor einigen Tagen eine Neuregelung der Sicherungsverwahrung beschlossen hat. Jetzt soll das Gesetz so schnell wie möglich in Kraft treten, der Bundestag soll bereits in dieser Woche zustimmen. Es ist ein Rennen mit der Zeit. Nach den neuen Regeln müssten wohl die meisten der 20 bayerischen Straftäter hinter Gittern bleiben - aber nur, wenn ein Gutachter ihnen eine psychische Störung attestiert. Ministeriums-Sprecher Heilmann wagt eine Prognose: "Das wird auf viele, aber nicht auf alle Fälle zutreffen." Jörg Heinzle

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