Ob es nun 30.000 Demonstranten am Donnerstag in München waren, wie die Behörden sagen, oder 40.000, wie die Veranstalter behaupten. Klar ist: Der Massenprotest gegen das neue Polizeiaufgabengesetz (PAG) war überraschend groß. Selbst Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) war beeindruckt: „Mit einer derart hohen Zahl an Demonstranten hat im Vorfeld keiner gerechnet, weder die Polizei noch die Veranstalter selbst“, sagte Herrmann unserer Redaktion. Der CSU-Politiker zieht aber aus der regen Teilnahme ganz andere Schlüsse als die PAG-Gegner.
Herrmann denkt, dass sich viele Demonstranten in die Irre führen haben lassen und wählt deftige Worte. Er spricht von „Lügenpropaganda“ der Gegner und von „Stimmungsmache, die bewusst auf Unwahrheiten setzt“.
Diese Haltung wiederum ärgert die SPD maßlos. Sie kritisiert Herrmann als „undemokratisch, arrogant und überheblich“. „Wer über 40000 Demonstranten, die für ihre Freiheitsrechte auf die Straße gehen, als „unbedarft“ und von „Lügenpropaganda“ in die Irre geführt bezeichnet, der ist in seiner Rolle als Innenminister fehl am Platz“, sagte die bayerische SPD-Chefin Natascha Kohnen.
Der CSU-Politiker diskreditiere nicht nur diejenigen, die sich um ihre Bürgerrechte sorgten, er bezichtige auch die Medien der Lüge, die ihrer journalistischen Pflicht nachkommen. „Herr Herrmann hat den Kontakt zu den Menschen und ihren Sorgen völlig verloren“, sagte sie. Der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Ralf Stegner ergänzte: „Die CSU verwechselt sich selbst mit dem Staat und hat offenbar jedes Gespür für den Umgang mit demokratischem Protest verloren.“
110.000 Unterschriften gegen das PAG übergeben
Auch der Präsident des Deutschen Anwaltvereins, Ulrich Schellenberg, wies Herrmanns Kritik an den Gegnern zurück: „Es gibt sehr gute rechtliche Argumente gegen das kritisierte Gesetz“, sagte er. Herrmann sei aufgerufen, die Kritik „ernst zu nehmen und die Kritiker nicht pauschal als Lügner und Propagandisten zu diffamieren“.
Herrmann wehrte sich gegen die Kritik der Sozialdemokraten. Er nehme alle Bürger ernst, sagte der Minister. „Meine Kritik richtet sich nicht gegen die Demonstranten oder Medien an sich. Sie richtet sich gegen diejenigen, die derzeit mit bewusst gestreuten Unwahrheiten Stimmungsmache gegen das PAG betreiben.“ Es entbehre jeglicher Grundlage zu behaupten, die Polizei solle in eine Geheimpolizei und der Freistaat in einen Überwachungsstaat umgebaut werden. Auch künftig werde sich kein rechtschaffener Bürger vor der Polizei fürchten müssen, so Herrmann. „Für die bayerische Polizei werden auch in Zukunft ganz klare und überprüfbare Regeln gelten, die rechtsstaatlich einwandfrei und ausgewogen sind“, betonte der Innenminister.
In unserem Podcast "Bayern-Versteher" widmen wir uns dem umstrittenen Gesetz. Hier können Sie reinhören:
Auch innerhalb der Polizei gibt es Kritik am Gesetz
Sogar innerhalb der Polizei gibt es Kritik an dem bayerischen Gesetz. Die Vorlage gehe zu weit in den Verdachtsbereich hinein, sagte Oliver Malchow, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), dem Sender WDR 5. Der geplante Einsatz von Maschinengewehren und Handgranaten werde von der GdP abgelehnt, meinte der Kriminalbeamte. „Wir wollen eine zivile Polizei und keine militarisierte Polizei.“ Zwar seien einheitliche Polizeigesetze in ganz Deutschland nötig, aber das bayerische Gesetz könne nicht Muster für die ganze Bundesrepublik sein, sagte Malchow.
Unterdessen hat der Fachabiturient Nicolai Wilke aus Heroldsberg bei Nürnberg dem Minister nach Angaben der Petitions-Internetplattform Campact rund 110.000 Unterschriften gegen das PAG übergeben.
Die Gegner des Gesetzes werfen Herrmann und der Staatsregierung vor, dass die Polizei künftig zu viele Rechte zur Überwachung von Bürgern ohne konkrete Gefahr bekommen solle. Die CSU will mit ihrer Mehrheit kommende Woche das neue Polizeiaufgabengesetz im Landtag beschließen. Änderungen am Gesetzentwurf lehnt die CSU bisher ab. (mit dpa)
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