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Bayern: Im Schulalltag ist Gewalt gegen Lehrer verbreitet

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Im Schulalltag ist Gewalt gegen Lehrer verbreitet

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    Lehrer werden an Schulen immer häufiger Opfer von Gewalt, Beleidigungen und Mobbing.
    Lehrer werden an Schulen immer häufiger Opfer von Gewalt, Beleidigungen und Mobbing. Foto: Oliver Berg, dpa

    Polizisten haben an einem Dienstagmorgen Ende Oktober die Nürnberger Berufsschule umstellt. Hunderte riegeln den Komplex ab, ein paar tausend Schüler verbarrikadieren sich in ihren Klassenzimmern. Erst ein paar Wochen zuvor haben sie das für den Fall eines Amoklaufs geprobt. Doch diesmal ist es keine Übung. Ein Schüler hat gedroht, einem der Berufsschullehrer etwas anzutun. Am Ende nimmt die Polizei den 26-jährigen Täter in seiner Wohnung fest. An die Schule ist er nicht gekommen. Trotzdem dürfte der bedrohte Lehrer den Psychoterror nicht vergessen.

    Fast ein Viertel aller Lehrkräfte werden in der Schule bedroht oder beleidigt

    Natürlich ist das ein besonders extremer Fall. Doch auch im normalen Schulalltag ist Gewalt gegen Lehrer verbreitet – vor allem psychische. Fast ein Viertel der Lehrkräfte an Deutschlands allgemeinbildenden Schulen berichtet von Bedrohungen, Beleidigungen, Beschimpfungen und Mobbing. Für die neue Studie, die der Verband Bildung und Erziehung (VBE) beim Forsa-Institut für Politik- und Sozialforschung in Auftrag gegeben hat, wurden auch 500 Lehrer in Bayern befragt. Im ganzen Freistaat gibt es etwa 100.000 Lehrkräfte. Repräsentativ ist die Analyse für

    „Die Ergebnisse machen eines unmissverständlich deutlich: Gewalttaten gegen Lehrer sind keine Einzelfälle“, sagte sie gestern in München. 55 Prozent der Befragten in Bayern berichten von Fällen psychischer Gewalt an ihrer Schule. Fast jeder Fünfte ist demnach selbst schon Opfer geworden. Fast zwei Drittel wurden von Eltern beschimpft, bedroht oder anderweitig verbal attackiert. Gut die Hälfte der Betroffenen kennt Mobbing durch Schüler. Vorgesetzte und Lehrerkollegen waren der Umfrage zufolge nur bei 21 und zwölf Prozent involviert. Körperliche Übergriffe sind der Studie zufolge seltener. Sechs von 100 Lehrern in Deutschland wurden demnach schon mindestens einmal geschlagen, getreten, an den Haaren gezogen oder anderweitig bedrängt. Hochgerechnet sind das 45.000 Lehrkräfte.

    In Regensburg wurde eine Lehrerin sogar mit einer Waffe bedroht

    In Bayern erlebten vier Prozent der Befragten bereits körperliche Angriffe. Die absolute Ausnahme sind Extremfälle wie in Regensburg vor rund zwei Wochen: An einer Mittelschule hatte ein 17-Jähriger eine Lehrerin in der Aula mit einer Waffe bedroht. Als deren Kollegen den Notruf wählten, floh der Täter, wenig später wurde er in Handschellen abgeführt. Die Waffe war eine Schreckschusspistole.

    Das bayerische Landeskriminalamt (LKA) registrierte im Jahr 2015 insgesamt 106 Straftaten mit Lehrern als Opfer. Fast alle waren „Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit“. Darunter versteht die Polizei etwa Körperverletzung, Raub oder Nötigung. Angestiegen jedoch sind die Zahlen in den vergangenen Jahren nicht. 2009 gab es sogar 172 solcher Straftaten, wie das LKA auf Anfrage unserer Zeitung berichtet. Seither schwankt die Zahl zwischen knapp 100 und 130. Was man wissen muss: Nur ein verschwindend geringer Teil schulischer Gewalt wird angezeigt. Oft regelt die Schule solche Fälle selbst – mit Elterngesprächen oder Verweisen zum Beispiel.

    Ein Problem ist nach den Autoren der Studie, dass viele Lehrer nicht über ihre Erfahrungen reden. Mehr als die Hälfte aller deutschen Befragten gibt an, dass Übergriffe von Schülern und Eltern ein Tabuthema sind. Zwei Drittel fühlen sich alleingelassen von den jeweiligen Landesregierungen, die zuständig für die Bildungspolitik sind. Rund 40 Prozent im Bund wie in Bayern wünschen sich mehr Fortbildungen zum Umgang mit Gewalt.

    Ludwig Unger, Sprecher des bayerischen Kultusministeriums, signalisiert die Bereitschaft dazu. „Wenn der Bedarf da ist, müssen wir uns daran orientieren.“ Allerdings müssten die Betroffenen dafür auch den Willen haben, an die Öffentlichkeit zu gehen. „Zuschauen und Zudecken ist nicht angebracht.“

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