Steine, Kies, Beton statt Blumen, Bäume, Sträucher – gerade in Neubaugebieten ist dieser Trend oft zu beobachten. In ganz Bayern. Doch die Stadt Erlangen will sich mit dieser Entwicklung nicht mehr abfinden und beschloss als Vorreiter in Bayern, den im Internet oft als „Gärten des Grauens“ bezeichneten Anlagen mittels Verordnung den Kampf anzusagen. Insbesondere geschotterte Steingärten sind in Erlangen nicht mehr zulässig.
In Erlangen müssen unverbaute Flächen bei Neubauten ab sofort begrünt werden
Bei Neubauten sind unverbaute Flächen, soweit sie nicht für Stellplätze, Spiel- und Aufenthaltsbereiche benötigt werden, zu begrünen. Auch Zuwege und Zufahrten beschränkt die Stadt Erlangen auf ein Mindestmaß – sie müssen „soweit es die Art der Nutzung, Verkehrssicherheit und Barrierefreiheit zulassen, mit wasserdurchlässigen Belägen“ versehen werden. Einhausungen für Müll- und Abfallbehälter gilt es mit hochwachsenden oder rankenden Gehölzen „wirksam einzugrünen“. Flachdächer sollten ab einer bestimmten Größe dauerhaft begrünt werden und auch für fensterlose Fassaden hat die Stadt Vorgaben gemacht.
Den Stein im wahrsten Sinne des Wortes ins Rollen brachte ein Antrag der Grünen, erzählt Erlangens Baureferent Josef Weber. Er sieht den Beschluss als wichtiges Signal. Schließlich geht es seiner Ansicht nach nicht nur um ästhetische Fragen, sondern auch um einen „Kulturverlust“. Früher sei es selbstverständlich gewesen, dass gerade auch Vorgärten Nutzgärten waren. Doch gerade in den Neubaugebieten von Erlangen entstanden immer mehr Steingärten.
Für Weber ein Zeichen dafür, dass man allein mit Beratung, Aufklärung und Information die Hausbesitzer nicht davon überzeugen kann, freiwillig ihre Gärten naturnah zu gestalten. „Wir haben gesehen, dass hier auch Druck nötig ist.“
Steingärten sind häufig nicht wirklich pflegeleichter
Zumal mit Blick auf den Klimawandel Grünflächen eine immer größere Bedeutung haben, erklärt Jochen Henning, Pressesprecher des bayerischen Landesverbandes für Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau. Er bedauert es allerdings, dass nun ein gesetzlicher Rahmen geschaffen werden musste, damit Hausbesitzer umdenken, versuche es der Verband doch seit Jahren die Bürger zu animieren, freiwillig Grünoasen zu schaffen und keine Steinwüsten.
Vor allem werde immer wieder daran gearbeitet, gängige Vorurteile auszuräumen: So ist es nach Meinung von Henning ein Trugschluss zu glauben, Steingärten seien pflegeleichter. Wilde Samen kommen auch dort zum Zug. Hinzu kommt, dass Steine sich aufheizen und Hitze nicht wie Pflanzen aufnehmen, sondern abgeben – das Mikroklima erwärme sich deswegen durch Steingärten noch stärker als ohnehin schon. Und da viele Hausbesitzer unter die Schotterfläche auch noch eine Folie oder Plane legen, könne bei Starkregen das Wasser nicht versickern.
Die Pflicht zur Begrünung gefällt freilich nicht allen. „Vereinzelt gab es Kritik“, räumt Weber ein. Oft habe es aber nur geheißen, das machen wir doch eh schon alles und man konnte zu den Bürgern sagen: Ja dann, bestens – weiter so.
Ein Verband bezeichnet die "Grün-Plicht" als „Verordnungswahnsinn“
Doch ganz so einfach ist es für Ulrike Kirchhoff vom Verband Haus & Grund Bayern nicht. Im Gegenteil. Für sie ist das, was in Erlangen passiert, schlicht ein „Verordnungswahnsinn“. Man habe ja wirklich Verständnis dafür, dass manche Dinge vorgeschrieben werden müssen, aber Grün in Gärten und an Fassaden gehört für Kirchhoff ganz klar nicht dazu.
„Gärten und Fassaden muss jeder Besitzer so gestalten dürfen, wie er möchte“, betont sie. Zumal sie auch Probleme mit dieser Pflicht sieht: So könnten beispielsweise Fassaden durch eine Begrünung leiden und im schlimmsten Fall sogar geschädigt werden, was wiederum zu hohen Kosten für den Hausbesitzer führen könne. „Das ist doch purer Aktionismus“, sagt Kirchhoff. „Daher hat unser Verband in Erlangen zum zivilen Ungehorsam aufgerufen.“
Bund Naturschutz nennt Verordnung in Erlangen einen "überfälligen Schritt"
Richard Mergner kennt die Kritik, er kann sie aber nicht nachvollziehen. Der Vorsitzende des Bund Naturschutz in Bayern findet, dass die Verordnung in Erlangen „ein überfälliger Schritt“ ist und Standard in ganz Bayern werden soll. „Privateigentum hat seine Grenzen, wenn es um den Schutz des Allgemeinwohls geht“, betont Mergner und verweist auf die bayerische Verfassung, in der dies verankert ist.
Auch müssten Bauherrn für alles mögliche Pläne vorlegen und sich an Regeln halten, etwa wie das Dach gedeckt ist, in manchen Gegenden sogar wie der Zaun aussieht. Nur wie der Garten angelegt wird, sei jedem selbst überlassen – „das kann mit Blick auf die Klimakrise nicht sein“. Jeder weiß, wie wichtig der Lebensraum für Insekten, Vögel und Pflanzen heute ist.
Doch nicht nur in Städten, auch im ländlichen Raum ist zu beobachten, „dass diese grauenhaften Schottergärten total in Mode sind“. Mergner hätte sich gewünscht, dass die bayerische Staatsregierung in Folge des Begleitgesetzes zum Volksbegehren „Rettet die Bienen“ Vorschriften wie sie jetzt in Erlangen in Kraft treten für ganz Bayern beschlossen hätte. „Doch da fehlte leider der Mut.“
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