Hätte man Eva Lettenbauer vor acht Jahren gesagt, dass sie Aussichten auf den Landesvorsitz der bayerischen Grünen hat, hätte sie dies nicht für möglich gehalten. 18 Jahre alt war sie damals und tief getroffen von der Nuklearkatastrophe in Fukushima. So kam es, dass sie von ihrem 60-Seelen-Dorf Reichertswies bei Daiting (Landkreis Donau-Ries) nach Donauwörth fuhr, um gegen Atomkraft zu demonstrieren. Im Nachhinein beschreibt Lettenbauer dies als Schlüsselmoment, in dem sie politisiert wurde. Ein Parteimitglied war sie bis dahin nicht, Grün hingegen schon immer.
Nun erreicht sie den Höhepunkt ihrer Karriere: Auf dem Parteitag in Lindau am Bodensee ist Lettenbauer mit 63,2 Prozent der Stimmen zur neuen Vorsitzenden der bayerischen Grünen gewählt worden.
Lettenbauer überrascht in vielerlei Hinsicht. Zum einen ist da ihr großes Interesse für Technik. Zum anderen beweist sie immer wieder, dass sie nicht unterschätzt werden sollte. Als sie im Herbst 2018 als Abgeordnete in den Landtag einzog, mögen sich viele Männer im Parlament gefragt haben: "Kann die überhaupt was?". Eine Frage, die die 26-Jährige aus ihrem Wirtschaftsingenieurwesen-Studium gut kennt. "Man muss sich als Frau in technischen Berufen oft erst einmal beweisen. Dann ist die Überraschung groß, wenn auch Frauen Löten können", sagt sie.
Eva Lettenbauer ist in der Grünen Jugend verwurzelt
Dabei war Lettenbauer kein unbeschriebenes Blatt. "Ich habe mich seit 2011 in meinem Kreisverband engagiert und früh Erfahrungen darüber hinaus gesammelt." Vier Jahre lang leitete Lettenbauer die junggrüne Politik und Bildungsarbeit im Bereich Wirtschaft und Soziales – erst auf Landes- und dann auf Bundesebene. Dann war sie drei Jahre lang Vorsitzende der Grünen Jugend in Bayern. Sie setzte sich für einen kostenlosen Nahverkehr ein und brachte das Thema mit ihren Mitstreitern ins Landtagswahlprogramm der Grünen.
Dass sie selbst jung und vom Land ist, ist von Vorteil. Sie weiß, welche Themen die Menschen beschäftigen. "Mit der Zeit habe ich viel gelernt", sagt sie. Lettenbauer entwickelte das nötige Selbstbewusstsein. "Trotzdem werde ich nie vergessen, wie aufgeregt ich bei meiner ersten Parteitagsrede war."
Lettenbauer: "Grüne müssen über Umwelt hinaus präsenter werden"
Dass das Ehrenamt so erfolgreich lief, überraschte sie. "Hauptberuflich Politik zu machen, war für mich lange kein Thema." Der Schritt dorthin vor einem Jahr sei umso spannender gewesen. Das nächste Ziel ist die Kommunalwahl. Lettenbauer will die Grünen präsenter machen. Neben Umwelt- stünden die Grünen für wirtschaftliche und soziale Themen, sagt sie. "Sie müssen hörbarer werden."
Eva Lettenbauer lebt immer noch in ihrem Heimatdorf und möchte dort so schnell nicht weg. "Ich komme auch in einer Großstadt gut klar, aber mir fehlt dort die Ruhe", sagt sie. In ihrer Freizeit steigt die Wirtschaftsingenieurin gerne aufs Rad. Politisch hat sie noch viel vor. "Ich brenne darauf, noch mehr Verantwortung zu übernehmen." Schließlich sei ihr Lebensmotto: "Die Zukunft ernst nehmen, heißt nicht auf andere zu warten, sondern selbst aktiv werden".
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