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Bayern: Eltern schulen ihre Kinder wieder später ein

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Eltern schulen ihre Kinder wieder später ein

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    In Bayern tendieren immer mehr Eltern dazu, ihre Kinder ein Jahr später einzuschulen
    In Bayern tendieren immer mehr Eltern dazu, ihre Kinder ein Jahr später einzuschulen Foto: Symbolbild: Matthias Becker

    12 739 Kinder sind im Jahr 2012 nicht eingeschult worden, obwohl sie schulpflichtig waren. Das waren 10,7 Prozent aller angehenden Abc-Schützen. Nie zuvor ist der Anteil der für ein Schuljahr zurückgestellten Buben und Mädchen so hoch gewesen. Die Zahlen des Landesamtes für Statistik legen den „Trend zur Zurückstellung“ im Freistaat nahe. Vor zehn Jahren waren es lediglich 3,6 Prozent. Seither stieg der Anteil kontinuierlich an.

    Trend als Warnzeichen für Schulpolitik

    Über die Gründe für die Zurückstellungen sagen die nackten Zahlen freilich nichts aus. Die Änderung des Stichtags für die Einschulung hat nach Ansicht von Experten eine Rolle gespielt. Für Klaus Wenzel, den Präsidenten des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), ist der Trend ein Warnzeichen für die Schulpolitik in Bayern. „Die Grundschule verkommt immer mehr zu einer Messstation, in der überprüft wird, wie schnell die Kinder lernen, wie schnell sie reproduzieren“, sagte Wenzel gestern gegenüber unserer Zeitung.

    Im „Mikrokosmos der einzelnen Schule“ gebe es zwar viele Beispiele für einen guten Umgang mit den Kindern. Aber die Rahmenbedingungen stimmten nicht, so der Verbandschef. „Die Grundschule muss wieder eine

    Kultusministerium sieht keinen Änderungsbedarf

    Das Kultusministerium dagegen sieht keinen Änderungsbedarf. Und auch die hohe Quote der zurückgestellten Kinder ist für Schulminister Ludwig Spaenle nichts Negatives. Er verweist darauf, dass die Buben und Mädchen von der Schulleitung, den Eltern und den Kindertagesstätten in ihrer Entwicklung beurteilt werden. Und das, so der CSU-Minister, werde inzwischen wohl etwas intensiver wahrgenommen.

    Die SPD-Bildungspolitikerin Simone Strohmayr macht einen anderen Grund aus: Ihr reicht die Verzahnung von Kindergärten und Grundschulen nicht aus. Klappe das besser, sagt sie, bräuchte es weniger Rückstellungen.

    Entwicklung kann sich um bis zu drei Jahre unterscheiden

    Im Regierungsbezirk Unterfranken sind diese Übergänge zwischen Kindergarten und Grundschule bereits seit zehn Jahren ein Thema. An den Schulämtern gibt es Kooperationsbeauftragte, an den Schulen und Kindertagesstätten Ansprechpartner. Auch durch viele gemeinsame Projekte sind „Erzieherinnen und Lehrkräfte offensichtlich verstärkt aufeinander zugegangen. Sie haben die sensible Phase des Übergangs vom Kindergarten in die Grundschule nachdrücklich in den Blick genommen“, heißt es in einer wissenschaftlichen Auswertung aus dem Jahr 2007.

    Bernhard Nagel vom Staatsinstitut für Frühpädagogik ist vorsichtig damit, wie der Anteil der Rückstellungen zu interpretieren ist. Er erwähnt, dass es durchaus eine Überlegung berufstätiger Eltern sein könne, ob die Nachmittagsbetreuung des Kindes gewährleistet sei. „Im Kindergarten ist sie sichergestellt, in der Grundschule nicht unbedingt.“ Wichtig ist dem stellvertretenden Institutsleiter zwischen Lebensalter und Entwicklungsalter zu unterscheiden. „Alle Sechsjährigen sind bei Weitem nicht gleich weit. Ihre Entwicklung kann sich um bis zu drei Jahre unterscheiden. Das liegt im Normbereich“, sagt Nagel. Viele Eltern würden aber gleich hektisch, wenn ihre Söhne und Töchter sich nicht so gut ausdrücken oder nicht so gut malen könnten wie Gleichaltrige.

    Längere Unterrichtszeit nicht mit besserem Unterricht gleichzusetzen

    Der 65-jährige Diplom-Psychologe kritisiert außerdem, „dass die Politik nur über strukturelle Maßnahmen diskutiert, nicht aber über Pädagogik“. Er rät, zu analysieren, warum die Sechsjährigen nicht eingeschult worden sind. Schnell erhobene Forderungen seien oft nicht zielführend. Nagel: „Mir konnte noch keiner sagen, ob der Ausbau der Ganztagsschulen in Bayern das bringt, was man sich verspricht.“ Eine längere Unterrichtszeit sei nicht mit einem besseren Unterricht gleichzusetzen.

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