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Bayerischer Rundfunk: "Historisches Ereignis" Der BR hat mit Katja Wildermuth zum ersten Mal eine Intendantin

Bayerischer Rundfunk

"Historisches Ereignis" Der BR hat mit Katja Wildermuth zum ersten Mal eine Intendantin

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    Katja Wildermuth ist die erste Intendantin des Bayerischen Rundfunks.
    Katja Wildermuth ist die erste Intendantin des Bayerischen Rundfunks. Foto: Steffen Junghans, MDR, dpa

    Etwas nach 17.30 Uhr am Donnerstag prosteten sich BR-Mitarbeiterinnen über das Programm Microsoft Teams virtuell zu. Das BR-Frauennetzwerk „Female for Future“ feierte, wie eine Vertreterin sagte, ein „historisches Ereignis“: Kurz zuvor war erstmals seit Gründung des Bayerischen Rundfunksim Jahre 1949 und nach sieben Männern eine Frau an die Spitze der beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalt gewählt worden – Katja Wildermuth.

    Die 55-Jährige erhielt in der nicht-öffentlichen Sitzung desBR-Rundfunkrats – dem Aufsichtsgremium des Senders – 38 von 48 Stimmen. Im Februar wird sie die Nachfolge Ulrich Wilhelms antreten. Bislang arbeitete sie als Programmdirektorin des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) in Halle. Kurz nach ihrer Wahl sagte sie der Deutschen Presse-Agentur, sie habe gleich ihren Mann und ihre beiden Kinder angerufen. Ihre Tochter habe aus Rumänien gratuliert, ihr Sohn aus Sydney.

    Später erklärte sie auf Anfrage unserer Redaktion: "Wir werden eine herausfordernde Zeit vor uns haben, es geht um Finanzdebatten, um Akzeptanzdebatten. Aber wenn ich mir anschaue, was die Mitarbeitenden des BR in den letzten schwierigen Monaten auf die Beine gestellt haben, was für tolles, vielfältiges, professionelles Programm, dann glaube ich, dass das eine wunderbare Stärke ist, auf die wir aufbauen können.“

    Die rund 400 Unterstützer des Frauennetzwerks erwarten nun eine „Veränderung der Unternehmenskultur hin zu mehr Transparenz und Beteiligung“ – und zudem eine „echte und nachhaltige Förderung von Frauen (...) mit dem Ziel einer paritätischen Verteilung“. Die Grünen-Landtagsabgeordnete Sanne Kurz, die Mitglied im Rundfunkrat ist, sagte, mit Katja Wildermuth bekomme der BR eine Intendantin, „wie wir sie uns wünschen“. Im Gespräch mit unserer Redaktion erzählte sie, Wildermuth habe in ihrer 20-minütigen Bewerbungsrede vor den Rundfunkräten „sehr ruhig, besonnen und klar“ gesprochen. Die Rede sei in zwölf Kapitel eingeteilt gewesen, zehn davon hätten sich mit Wildermuths „Visionen“ für den Sender und zwei mit ihrer persönlichen Beziehung zu Bayern und dem BR befasst.

    Katja Wildermuth setzte sich gegen zwei Mitbewerber durch

    Katja Wildermuth, die in Anzing bei München aufwuchs und in der Landeshauptstadt Deutsch, Geschichte und Sozialkunde für das Lehramt Gymnasium studierte, galt lange als Favoritin. Bereits bevor sie für den Spitzenposten vorgeschlagen wurde, schien es eine Art Konsens zu geben, dass die Zeit reif für eine Frau als BR-Chefin sei. Der Wunsch nach einer Intendantin wurde öffentlich wie nicht-öffentlich vielfach geäußert. Selbst der Rundfunkratsvorsitzende Lorenz Wolf sagte, er würde sich über eine Intendantin freuen.

    Vor etwas mehr als einem Monat wurde dann allerdings mit der Veröffentlichung der Wahlliste überraschend bekannt, dass neben einer Frau – eben Katja Wildermuth – auch zwei Männer im Rennen sind: BR-Verwaltungsdirektor Albrecht Frenzel (54) und Christian Vogg (55). Dem gebürtigen Augsburger Vogg, Chief Data Officer und Bereichsleiter Dokumentation und Archive beim öffentlich-rechtlichen Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), wurden dabei von Anfang an jedoch lediglich Außenseiterchancen eingeräumt. In Frenzel dagegen hatte Wildermuth einen starken Konkurrenten – und die Rundfunkratsmitglieder die Auswahl unter klar profilierten Kandidaten. Dennoch erhielt Frenzel nach Informationen unserer Redaktion nur sechs, Vogg nur vier Stimmen.

    Mit Frenzel, ein über den BR hinaus geschätzter Finanzfachmann, hatte jemand zur Wahl gestanden, dem zugetraut wurde, den Sender durch wirtschaftlich schwieriger werdende Zeiten führen zu können. Der „BR muss Millionen einsparen, selbst wenn es 2021 zu einer leichten Erhöhung des Rundfunkbeitrages kommen sollte“, erklärte der Sender auf seiner Homepage in einem kurzen Porträt über Frenzel. Der war 2015 als Verwaltungsdirektor des NDR in die gleiche Position beim BR gewechselt. 2016, nach scharfer Kritik des Bayerischen Obersten Rechnungshofs an Millionendefiziten des Senders, kündigte er an, dass „jetzt alles auf den Prüfstand“ komme – im Programm und im Personalbereich. Frenzel sprach schon damals davon, „schmerzhafte Einsparungen vornehmen“ zu werden. Intern brachte ihm das den Ruf als „Sparkommissar“ ein.

    Die BR-Belegschaft erhofft sich von Katja Wildermuth einen inhaltlichen Aufbruch

    Seine Expertise wird in den nächsten Jahren gefragt sein. Eine Vertreterin des BR-Frauennetzwerks „Female for Future“ hofft, dass er Wildermuth dabei den Rücken stärken und sich als Teamspieler erweisen werde. Auch wenn, was noch offen ist, zum Jahresbeginn die geplante Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent auf monatlich 18,36 Euro pro Haushalt kommt, lastet weiter ein enormer Spardruck auf dem BR.

    Mit Katja Wildermuth dagegen stand eine Frau zur Wahl, von der sich BR-Mitarbeiter und -mitarbeiterinnen vor allem einen inhaltlichen Aufbruch erhoffen – neben dem gesellschaftspolitischen Signal in Sachen Gleichstellung. Sie solle „frischen Wind“ in den Sender bringen, ist am Donnerstagabend vielfach zu hören. Dabei geht es unter anderem um die Entwicklung neuer Formate und das übergeordnete Ziel, möglichst viele der unterschiedlichen Gruppen von Mediennutzern zielgruppengerecht zu erreichen.

    Wildermuth kennt sich damit aus: Weil sie sowohl preisgekrönte Dokumentarfilme („Night Will Fall“, „Putins Spiele“) als auch crossmediale und innovative Projekte mitverantwortete; und wichtiger noch, weil sie beim MDR die Verschmelzung der Bereiche Fernsehen, Hörfunk und Online mitgestaltete – ein mühsamer Prozess, in dem sich der BR noch befindet, inklusive spürbarer Umstrukturierungsmaßnahmen.

    Wildermuth will in einigen Bereichen auch verstärkt investieren

    Nach Informationen unserer Redaktion wolle Wildermuth nicht mit dem Rasenmäher sparen und in einzelne Bereiche sogar verstärkt investieren. Sie wisse darum, dass Transformation Menschen einiges abverlange. Zu hören ist auch, dass der BR nach Wildermuths Aussage gut dastehe, und dass sie glaube, ein solide geführtes Haus zu übernehmen.

    Ulrich Wilhelm (59), der bisherige BR-Intendant, wollte sich nach zehn Jahren im Amt nicht mehr für eine dritte Amtszeit zur Wahl stellen. Das hatte er überraschend im Juli erklärt. Er habe dem Haus „Mehltau und Verkrustungen“ ersparen wollen. Am Donnerstagabend sagte er: „Ich gratuliere Dr. Katja Wildermuth herzlich zur Wahl in diese verantwortungsvolle Aufgabe als Intendantin des Bayerischen Rundfunks und freue mich auf eine gute Zusammenarbeit bei der Übergabe in den nächsten Monaten.“

    Der BR-Rundfunkrat hat 50 Mitglieder. Diese sollen die wichtigen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen des Freistaats vertreten. Über die neue Intendantin entschied das Gremium in geheimer Wahl. Eine einfache Mehrheit war dabei ausreichend. Katja Wildermuths Amtszeit beträgt fünf Jahre. Lorenz Wolf, Vorsitzender des Rundfunkrats, sagte, man habe das "Luxusproblem“ gehabt, "unter drei sehr guten Kandidaten und allesamt überzeugenden Persönlichkeiten eine Auswahl treffen zu können". Katja Wildermuth habe die Wahl "bravourös" für sich entscheiden können. Landtagspräsidentin Ilse Aigner von der CSU, die auch Vorsitzende des Verwaltungsrats des Bayerischen Rundfunksist, sagte: Sie freue sich, dass mit Wildermuth "erstmals eine Frau gewählt worden ist - und dass sie ganz sicher nicht gewonnen hat, nur weil sie eine Frau ist, sondern weil sie durch ihre Qualifikation überzeugt hat".

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