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Bayerische Grenze: Flüchtlinge kommen stoßweise

Bayerische Grenze

Flüchtlinge kommen stoßweise

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    Flüchtlinge – hier nahe des oberbayerischen Freilassing – wollen über die Grenze nach Deutschland. Wann und wo sie ankommen, weiß zuvor niemand. Immer wieder herrscht auch Ruhe.
    Flüchtlinge – hier nahe des oberbayerischen Freilassing – wollen über die Grenze nach Deutschland. Wann und wo sie ankommen, weiß zuvor niemand. Immer wieder herrscht auch Ruhe. Foto: Marc Müller, dpa

    Der Rentner sitzt auf einer Bank an der Schärdinger Uferpromenade. Sein Blick schweift über den grünbraunen Inn. Gegenüber, auf der deutschen Seite steht stolz Schloss Neuhaus. An beiden Seiten führen Brücken über den Fluss – links die alte, rechts die neue für die B512.

    „Ich sitze hier seit einer Stunde“, sagt der Mann. „Kein Stau, nur einmal kam ein Blaulicht vorbei.“ Bekommt man als Schärdinger überhaupt etwas von den Flüchtlingen mit? Der Mann schüttelt den Kopf. Wenn schon, dann nur direkt an der Grenze. Ein Stadtmitarbeiter, der neben ihm gemähtes Gras einsammelt, bestätigt das. „Gestern habe ich fünf gesehen, heute gar keinen“, sagt er. Also runter zur Grenze. Auf der deutschen Seite des Inns stehen drei Bundespolizisten und halten Autos an. „Hier ist gerade gar nichts los“, sagt einer von ihnen.

    Flüchtlingszustrom: Situation an den bayerischen Grenzen entspannt sich

    Tags zuvor sah die Lage anders aus. 270 Personen kamen an den beiden Verbindungen zwischen Niederbayern und Oberösterreich über die Grenze. Eigentlich eine kleine Zahl. Doch für die 3500-Einwohner-Gemeinde Neuhaus ziemlich viel. Es herrschte Ausnahmezustand. Das Rote Kreuz habe sich erst gemeldet, als klar war, dass einige Flüchtlinge in Neuhaus übernachten müssen. Davor versuchte die Polizei, zusätzlich auch die Verpflegung der Neuankömmlinge zu organisieren. „Wir sind bisher nur mit Bürgerspenden ausgekommen“, sagt der Beamte. Ein Zelt steht auf dem Platz neben der Brücke. „Wir sind davon ausgegangen, dass wir heute überrannt werden“, sagt er. Gekommen seien nur in der Früh ein paar. Jetzt warten die Bundespolizisten, rauchen, reden.

    Auch in anderen Grenzorten wie Freilassing und Simbach am Inn hat sich die Situation zwischendurch beruhigt. Während am Mittwoch noch 7149 Flüchtlinge die deutsch-österreichische Grenze passierten, waren es am Donnerstag nur 1969, sagt ein Sprecher der Bundespolizei. Für Freitag gebe es noch keine Zahlen. Wann und wie viele kommen, weiß keiner genau. „Das ist immer Schwankungen unterworfen“, sagt der Sprecher. Das bedeutet: Prognosen gibt es keine, die Migranten erreichen die Bundesrepublik „stoßweise“. Entsprechende Maßnahmen in den angrenzenden Ländern führten dazu, sagt er.

    Von den Flüchtlingen ist in den Grenzdörfern kaum etwas zu sehen

    Der Otto Normalbürger merkt davon fast nichts. Klar, der Stau auf der Autobahn. Natürlich, die große Polizeipräsenz. Zwischen Neuburg am Inn und Passau steht ein Zollbus sogar mitten im Wald an der Straße. Aber in Schärding ziehen Touristen Eis schleckend über den Stadtplatz, der von verschiedenfarbigen Giebelhäusern umringt ist. Eine Reisegruppe läuft einer Stadtführerin hinterher. Flüchtlinge? Nirgends.

    Dasselbe in Vornbach am Inn, einem Ortsteil von Neuhaus. Nur wenige Häuser liegen an der Straße nach Passau. Andreas Wagner wohnt hier. „Weil wir abseits der Hauptstraße sind, bekommen wir fast nichts mit“, sagt er. Aber diejenigen, die direkt an der Hauptstraße wohnen oder nahe der Autobahn, hätten schon immer wieder Fremde gesehen. Einmal habe sich eine Gruppe in den Ortsteil verirrt und beim Bäcker eingekauft. Ab und zu laufen Flüchtlinge an der Straße den Berg nach Passau hinauf. „Doch da rufen die Autofahrer immer gleich die Polizei, die die Migranten dann aufsammelt“, erzählt er.

    Registrierung der Flüchtlinge an den Grenzen funktioniert wieder

    Das müssen Sie über die Grenzkontrollen wissen

    Grenzkontrollen: Als Reaktion auf den Flüchtlingsstrom hat Deutschland am 13. September 2015 vorübergehend wieder Kontrollen an der Grenze zwischen Deutschland und Österreich eingeführt.

    Kontrollen auf Straßen: Wer über die Grenze fährt, muss sich wegen der Kontrollen auf Staus und Verzögerungen einstellen. Die Polizei verengt dafür die Fahrbahn auf eine Spur oder führt Autos und Lastwagen über einen Parkplatz. Die Kontrollen erfolgen in Stichproben.

    Kontrollen in der Bahn: In Zügen sind Vollkontrollen möglich. Die Beamten gehen also durch die Wagen und kontrollieren jeden Fahrgast.

    Ziel: Das Bundesministerium begründe die Grenzkontrollen so: "Ziel dieser Maßnahme ist es, den derzeitigen Zustrom nach Deutschland zu begrenzen und wieder zu einem geordneten Verfahren bei der Einreise zurückzukehren."

    Auswirkungen auf Deutsche: Deutsche Bürger sollten bei den Grenzkontrollen einen Pass dabei haben. Wer ihn vergisst, muss aber keine schlimmen Konsequenzen fürchten. Angaben lassen sich auch anders prüfen - unter anderem über das Einwohnermeldeamt.

    Auswirkungen auf Flüchtlinge: Die Grenzkontrollen verzögern den Flüchtlingsstrom, stoppen ihn aber nicht. Kein Asylbewerber wird zurückgewiesen. Flüchtlinge werden aber direkt an der Grenze registriert.

    Auswirkungen auf Schleuser: Die Polizei hat bei den Grenzkontrollen mehrere mutmaßliche Schleuser festgenommen. Mittlerweile meiden sie aber wohl die Grenze, da sich die Kontrollen herumgesprochen haben.

    Grundlage: Das Schengen-Abkommen erlaubt vorübergehende Grenzkontrollen bei Gefahrenlagen für maximal sechs Monate.

    Aufwand: Hunderte Polizisten sind für die Kontrollen im Einsatz. Die Bundespolizei spricht von Beamten im niedrigen vierstelligen Bereich, die Gewerkschaft der Polizei von 21 zusätzlichen Hundertschaften.

    Ausweitung: Die Kontrollen werden wohl auch auf andere Bundesländer ausgeweitet. In Sachsen laufen schon Vorbereitungen für die Grenze nach Tschechien.

    Dauer: Es ist unklar, wie lange die Grenzkontrollen dauern. Der bayerische Innenminister Joachim Hermann geht aber von mehreren Wochen oder sogar Monaten aus.

    Die Grenzkontrollen halten nach Ansicht des bayerischen Innenministeriums das, was man sich von ihnen versprochen hat. „Wir schaffen es wieder, die Leute zu registrieren“, sagt Ministeriumssprecher Stefan Frey. Die meisten Migranten werden unmittelbar nach der Einreise aufgegriffen, registriert und untergebracht oder weitergeleitet – wenn möglich am Münchner Hauptbahnhof vorbei. Denn dort würde es schlicht ein „Platzproblem“ geben, wenn tausende Wiesnbesucher auf tausende Migranten treffen, sagt Frey.

    Die Hilfsbereitschaft der Einheimischen ist noch immer groß. Brigitte Friedrich ist mit ihren Töchtern Theres und Emma vom benachbarten Neuburg nach Neuhaus gekommen. „Ich habe in der Zeitung gelesen, dass noch Wasser und Essen gebraucht werden“, sagt sie. Der Polizist sieht derzeit aber keinen Bedarf. Die Lager seien voll. Sie könne später gerne wiederkommen. „Für die Kinder sind Chips super – die stehen da total drauf“, sagt er.

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