Einer der wohl größten Milchviehbetriebe Deutschlands im Unterallgäu steht unter Verdacht, Tiere über Wochen hinweg gequält und misshandelt zu haben. Die Staatsanwaltschaft ist eingeschaltet. Aufgedeckt haben die mutmaßlichen Missstände die Tierschützer vom Verein „Soko Tierschutz“ aus Augsburg. Wir sprachen mit dessen Gründer Friedrich Mülln.
Wie sind Sie dem Betrieb im Unterallgäu auf die Schliche gekommen?
Friedrich Mülln: Bei Soko Tierschutz arbeiten wir in der Regel mit Informanten zusammen, die uns von diversen Missständen berichten. Auch die Bilder und Berichte aus dem Stall in Bad Grönenbach haben wir aus vertrauensvollen Quellen erhalten. Wir haben trotzdem alle Informationen noch einmal überprüft und dabei die Personen sowie und die Orte, die zu sehen sind, eindeutig identifizieren können. Es handelt sich also tatsächlich um den Betrieb in Bad Grönenbach.
Die Soko Tierschutz berichtet regelmäßig von Missständen in Ställen oder Schlachthöfen – ist der Fall in Bad Grönenbach einer von vielen?
Mülln: Nein, dieser Fall ist in besonderem Maße erschreckend. Ich bin jetzt schon einige Jahre als Tierschützer unterwegs und weiß, dass die Zustände in manchen Ställen wirklich gruselig sind. Aber diese Dichte an Verstößen, die Brutalität, die Systematik der Misshandlung der Tiere auf einem Hof, der sich selbst gerne als Prestige-Betrieb darstellt – so etwas habe auch ich nicht erwartet. Ich kenne mittlerweile viele Milchviehbetriebe, auch weil ich selbst aus dem Chiemgau komme. Es kommt in vielen Ställen mal vor, dass einer Kuh mal der Schwanz umgedreht wird oder dass mal mit einem Knüppel zugeschlagen wird. Aber solche Zustände wie in dem Stall in Bad Grönenbach habe ich vorher noch nicht gesehen. Das hängt womöglich auch mit der schieren Größe des Betriebes zusammen. Der Landwirt selbst hat einmal von 1800 Tieren gesprochen, wir gehen von deutlich mehr aus.
Werden wir doch konkreter. Was haben Sie in dem Stall alles gesehen?
Mülln: Dort werden Tiere systematisch misshandelt. Kranke Tiere, die nicht mehr stehen können, kämpfen liegend tagelang mit dem Tod. Sie werden teilweise zweimal am Tag mit Zangen zum Aufstehen gezwungen und stürzen sofort wieder auf den Boden. Sie werden geschlagen, verletzt, gequält. Manche Tiere werden mit einem Bolzenschussgerät „getötet“ – dabei ist diese Methode eigentlich nur zur Betäubung der Tiere gedacht.
Welche Konsequenzen haben Sie aus den Bildern gezogen, die Sie gesehen haben?
Mülln: Wir können bei so etwas nicht tatenlos zusehen und haben am 10. Juni eine anonyme Anzeige beim Veterinäramt zur Gefahrenabwehr erstattet, in der Hoffnung, dass die Behörden einschreiten. Doch diese Hoffnung wurde enttäuscht. Als am nächsten Tag ein Kontrolleur in den Betrieb kam, wurde vorher auffällig gründlich aufgeräumt.
Sie glauben, die Betreiber wussten von der Kontrolle?
Mülln: Das kann ich nicht behaupten. Unseren Informationen nach wich der Morgen der Kontrolle aber auffällig von einem normalen Tagesablauf ab. Das Schlimmere aber ist: Nach der Kontrolle ging es mit den Misshandlungen und Verstößen quasi nahtlos weiter. Das wirft kein gutes Licht auf die Schlagkraft der örtlichen Behörde. Daher haben wir am vergangenen Donnerstag auch Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Memmingen erstattet.
Die Soko Tierschutz wurde 2012 in Augsburg gegründet. Was ist Ihr Ziel?
Mülln: Wir wollen blinde Flecken beim Tierschutz aufdecken. Daher haben wir auch vor etwa zwei Jahren beschlossen, uns auf die Milchindustrie zu konzentrieren. Über die Zustände in Geflügelmastanlagen oder in Schweineställen wurde in der Vergangenheit immer wieder und viel berichtet. Aus unserer Sicht wurden und werden die Probleme in der Milchviehhaltung dagegen oft verharmlost. Das wollen wir ändern.