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Ausstellung in Augsburg: Bayerische Monster und Mythen: Kennen Sie den Wullimann?

Ausstellung in Augsburg

Bayerische Monster und Mythen: Kennen Sie den Wullimann?

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    Bei Künstlerin Yvonne Schlosser dreht sich derzeit alles um Monster – gute und böse.
    Bei Künstlerin Yvonne Schlosser dreht sich derzeit alles um Monster – gute und böse. Foto: Ulrich Wagner

    Wenn die Künstlerin Yvonne Schlosser von Monstern spricht, beginnt sie zu schwelgen. Wenn sie erklärt, was es mit dem Nachtkugeler auf sich hat, wo der Wullimann lebt und warum das Kappa nicht mehr böse ist. Ihr Favorit: der Blutschink. „Das ist ein Zotteltier mit blutigen Schenkeln, das in Tirol am Lech haust. Ein besonderes Wassermonster.“ Solche Gestalten, die durch Volksmythen und Albträume wandeln, haben in der Augsburger Barfüßerstraße einen Platz gefunden: Die Galerie und Papierwerkstatt „Druckspätzle“ widmet ihnen eine Ausstellung.

    Die vier Künstler des Kollektivs Druckspätzle, die seit 2013 die kleine Galerie und Werkstatt betreiben, haben sich ein Bild von den Gruselwesen gemacht – mit Malereien, Fotografien und Faltkunst. Alles begann mit einer Spurensuche in Augsburg: Schwarz-Weiß-Fotografien zeigen Steinfratzen und Fabelfiguren, die sich über Jahrhunderte in das Bild der Stadt eingeprägt haben. „Augsburg ist eine Monsterhauptstadt“, sagt Schlosser. „Die Grotesken im Goldenen Saal, die Hydra am Herkulesbrunnen, Wasserspeier. Die Liste ist noch gar nicht vollständig.“

    Mythen in Bayern - jede Region hat ihre eigenen Monster

    Allerlei gruselige Gesichter gibt es in der Galerie.
    Allerlei gruselige Gesichter gibt es in der Galerie. Foto: Ulrich Wagner

    Schlosser ist Kunsthistorikerin. Sie hat in der Fachliteratur, im „Lexikon der Dämonen und Elementargeister“ recherchiert, aber auch Feldforschung betrieben: Etwa 200 Menschen haben die Druckspätzle nach den Monstern ihrer Heimat befragt. So erschließt sich eine Art Landkarte des Grusels: Die „Fledermaus von Inningen“ ist eine lokale Gruselerscheinung. Die Allgäuer fürchten dagegen das Knochenhündle, das als düstere Malerei in der Galerie sein Gerippe zeigt. Am Bodensee verbreitet der Nachtkrapp Schrecken. Und in Franken? Dort kenne man kaum Monster, sagt Schlosser. In den Alpen dagegen, ranken sich zahlreiche Geschichten um Schreckgestalten. „Ich vermute, dass dort das Naturerlebnis noch ein Stück intensiver ist.“ Hinter jeder Gruselfigur steckt laut Schlosser der Versuch, Unfassbares zu erklären und Ängste zu kanalisieren. Dabei macht sich die „schwarze Pädagogik“ solche Gestalten zunutze: Mit Gruselgeschichten haben Erwachsene immer wieder versucht, Kinder zu beeinflussen und zu erziehen. Eine pädagogische Finte, die Schlosser fragwürdig findet.

    Schlossers Monster, die die Galerie bevölkern, sind aus Papier. „Es gibt bei Origami kein Ende der formalen Vielfalt“, sagt die 39-Jährige. Als Basis nimmt sie ein quadratisches Stück Papier, knickt es Kante um Kante und bald steht, in einem grünen Wald von gefalteten Tannen: der rote Blutschink. Ein Wesen, das Kinder der Sage nach ins Wasser reißt. So weit, so böse – doch vor wenigen Jahren, erzählt Schlosser, habe das Schicksal des Blutschinks eine Wende genommen. Als Tiroler Naturschützer die künstliche Lenkung des Lechs durch Staustufen anprangerten, entdeckten sie ihn als Symbol. Heute gelte er als liebenswerter Geist des Widerstands, sagt Schlosser. Die seltsame Wandlung vom guten zum bösen Monster – und zum Kunstmotiv – Wie kommt das? Sie hat eine Theorie: „Je länger Monster in Geschichten tradiert werden, desto harmloser werden sie.“

    Der Wullimann wohnt in Mittelschwaben

    Grusel wächst oft im Verborgenen, das zeigen Gregor Naglers Zeichnungen. Ein Blick in einen menschenleeren, spärlich beleuchteten Vorratskeller: Kein Monster in Sicht – aber wer weiß, wie gut es sich verstecken kann? In diesem Keller könnte der Wullimann hausen, ein Regionalmonster, das von Günzburg und Krumbach bis ins Allgäu bekannt ist. „Der Wullimann hinterlässt tiefe Spuren“, sagt Schlosser. „Viele kennen den Spruch aus der Kindheit: Wenn du nicht aufräumst, holt dich der Wullimann.“ Aber niemand wisse so recht, wie er aussieht. „Wir betreiben hier quasi Wullimann-Grundlagenforschung.“

    Auch der Hund von Baskerville ist in der Ausstellung zu sehen.
    Auch der Hund von Baskerville ist in der Ausstellung zu sehen. Foto: Ulrich Wagner

    Was allen Monstern gemein ist: Gefährlich und surreal wirken sie, und immer animalisch. Schon in der Steinzeit hätten Monster die Fantasie inspiriert, in Felsenmalereien, sagt Schlosser. Jahrtausende später feierte die Kunstwelt die apokalyptischen Fantasiewelten des Renaissancmeisters Hieronymus Bosch, die Monsterfabrik Hollywood inszeniert heute Godzilla und den Hulk. Und die Fantasie konstruiert immer neue Gruselfiguren. Futuristisch erscheinen auch die tierischen Monstermalereien in der Galerie: Die leuchtenden „Atompudel von Gundremmingen“ hängen neben dem „Fleischwolf von Burgau“.

    Die Monster und Ungeheuer der Moderne leben in der Kunst, in der Popkultur – aber auch in kruden Verschwörungstheorien. Eine davon: Sogenannte Reptiloide, Mischwesen aus Mensch und Alien, übernehmen die Weltherrschaft, „Das ist Aberglauben 2.0. Es gibt nichts neues unter der Sonne“, sagt Schlosser. „Der Glaube an Monster hat nie aufgehört.“

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