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Ausländerfeindlichkeit: Der totgeschwiegene Anschlag in Schwandorf

Ausländerfeindlichkeit

Der totgeschwiegene Anschlag in Schwandorf

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    Die Ohnmacht der Helfer: In diesem Haus wurden durch einen Neonazi vier Leben ausgelöscht.
    Die Ohnmacht der Helfer: In diesem Haus wurden durch einen Neonazi vier Leben ausgelöscht. Foto: Foto: dpa

    Der 17. Dezember 1988 ist ein schwarzer Tag in der Geschichte der oberpfälzischen Stadt Schwandorf. Ein Neonazi verübte damals einen Brandanschlag, vier Menschen starben. Lange war die Tat fast vergessen. Inzwischen pflegt die Stadt eine Erinnerungskultur.

    Wer an Orte rechtsextremistischer Gewaltverbrechen denkt, dem fällt wohl nicht als Erstes Schwandorf ein. Dabei ereignete sich hier Ende der 1980er Jahre einer der schlimmsten ausländerfeindlichen Anschläge der Nachkriegszeit. Vier Menschen starben, als ein stadtbekannter Neonazi ein Haus niederbrannte, in dem überwiegend Türken wohnten. Lange Zeit wurde der Stadt vorgeworfen, nicht genug für die Erinnerung an die Opfer zu tun und das Geschehene lieber zu verdrängen. Inzwischen begeht Schwandorf jedes Jahr am 17. Dezember einen kommunalen Gedenktag, heuer zum dritten Mal.

    An besagtem Dezembertag im Jahr 1988 zündete ein 19-Jähriger aus blindem Hass im Treppenhaus eines Schwandorfer Wohngebäudes Kartons an. Die Flammen breiteten sich schnell aus. Ein türkischer Arbeiter, seine Frau, ihr zwölfjähriger Sohn und ein 47 Jahre alter Deutscher verbrannten bis zur Unkenntlichkeit. Mehrere Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Von dem Haus blieb nur eine Ruine, die abgerissen werden musste.

    Keine Gedenkveranstaltung zum runden Jahrestag

    Ausgerechnet zum runden Jahrestag des Brandanschlags 2008 hatte niemand in Schwandorf eine Gedenkveranstaltung vorbereitet – dafür gab es viel Kritik. „Vor Ort ist man ziemlich schnell über die Tat hinweggegangen“, sagt Rüdiger Löster von der bayerischen SPD-Initiative „Endstation Rechts“. Eine Ursache sieht er in der Furcht der Kommunalpolitiker, den Ruf ihrer Stadt zu schädigen. Es sei dringend notwendig gewesen, dass Schwandorf umdenke und eine Gedenkkultur aufbaue, meint Löster. Mit dem Argument, in der Stadt gebe es keine rechte Szene, wurde ein Denkmal für die Toten in der 30.000 Einwohner großen Kommune tatsächlich immer wieder verhindert. Nach langem Streit wurde vor einigen Jahren zumindest eine Gedenktafel in der Nähe des Tatorts montiert.

    Dennoch weist der Sprecher der Stadt, Lothar Mulzer, Kritik an der Erinnerungskultur Schwandorfs zurück. „Der 17. Dezember ist bei uns ein Thema und war es immer.“ Die aktuelle Diskussion um die Neonazi-Mordserie rücke den Anschlag von damals vielleicht wieder mehr ins überregionale Bewusstsein – im Schwandorfer Gedächtnis sei er aber die ganze Zeit über verankert gewesen. „Wir wollen uns nicht davon beeinflussen lassen, wie die jetzige Stimmungslage ist.“ Daher sei in diesem Jahr auch keine größere Gedenkveranstaltung geplant als sonst.

    Die Fachstelle gegen Rechtsextremismus der Landeshauptstadt München meint unabhängig von der Schwandorfer Tragödie, dass die Dimensionen rechtsextremistischer Verbrechen und die dazugehörigen Netzwerke vor Ort oft nicht erkannt werden. Eine Tat werde dann als lediglich punktuelles Ereignis abgetan, sagt Miriam Heigl von der Fachstelle. „Die Demokraten sind häufig nicht vorbereitet auf so einen Fall.“ In den Kommunen fehle außerdem oft nötiges Expertenwissen.

    Der Neonazi aus Schwandorf wurde einst zu zwölfeinhalb Jahren Haft wegen besonders schwerer Brandstiftung verurteilt, einen Mord sahen die Richter nicht. Die Strafe musste er vollständig absitzen. Als der Brandstifter 2001 wieder freikam, tauchte er sofort bei Gesinnungsgenossen in Ostdeutschland unter. „Seine Sympathie zum Rechtsextremismus ist nicht abgerissen, er ist unverbesserlich“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums damals. Ähnlich sieht es auch Stadtsprecher Mulzer: „Er hat es nicht einmal eingesehen und bereut – das macht es umso schlimmer.“ (dpa)

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