Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Augsburger Polizistenmord: Rudi R. droht die Höchststrafe - doch was passiert mit seinem Bruder?

Augsburger Polizistenmord

Rudi R. droht die Höchststrafe - doch was passiert mit seinem Bruder?

    • |
    Die Indizienlage gegen R. darf sowohl im Hinblick auf den Mord an Mathias Vieth als auch bezüglich fünf Raubüberfällen als erdrückend gelten.
    Die Indizienlage gegen R. darf sowohl im Hinblick auf den Mord an Mathias Vieth als auch bezüglich fünf Raubüberfällen als erdrückend gelten. Foto: Fred Schöllhorn

    Kurz vor dem Schluss ist im Prozess gegen den mutmaßlichen Polizisten-Doppelmörder Rudi R. eine neue Nebenklägerin hinzugekommen: Es ist die ältere Schwester des ermordeten Polizeibeamten Mathias Vieth. Sie wird nicht mehr viele Gelegenheiten haben, aktiv an der Verhandlung mitzuwirken.

    Ihr Auftreten ist eher symbolisch zu sehen. Vor allem im Hinblick auf einen möglichen zweiten Prozess gegen R.s älteren Bruder Raimund M., der im Hintergrund immer mitschwingt. Zu vieles ist der Vieth-Schwester zuletzt schiefgegangen am Augsburger Landgericht. Nun will sie persönlich mitverfolgen, wie die Justiz mit den mutmaßlichen Mördern ihres Bruders umgeht. Mit Walter Rubach hat sie denselben Anwalt wie Vieths Witwe Sandra.

    Die Lage nach der Zweiteilung des Verfahrens könnte kaum unterschiedlicher sein: Der Prozess gegen Rudi R. steht kurz vor dem Abschluss. Ihm droht eine lebenslange Gefängnisstrafe mit besonderer Schwere der Schuld und möglicherweise Sicherungsverwahrung obendrauf. Das würde bedeuten, dass Rudi R. das Gefängnis wahrscheinlich nicht mehr als lebender Mann verlässt.

    Die Indizienlage gegen R. ist erdrückend

    Der Mord am Augsburger Polizisten Mathias Vieth

    Der Augsburger Polizeibeamte Mathias Vieth wird am frühen Morgen des 28. Oktober 2011 im Augsburger Siebentischwald von unbekannten Tätern erschossen.

    Der Streifenbeamte und seine Kollegin wollen an diesem Freitagmorgen gegen drei Uhr auf einem Parkplatz am Augsburger Kuhsee ein Motorrad mit zwei Männern kontrollieren.

    Die beiden Verdächtigen flüchten sofort in den nahen Siebentischwald, die Beamten nehmen mit ihrem Streifenwagen die Verfolgung auf.

    Im Wald stürzen die Motorradfahrer. Dann kommt es zu einem Schusswechsel zwischen Beamten und Tätern. Der 41-jährige Polizeibeamte wird trotz Schutzweste tödlich am Hals getroffen, seine Kollegin durch einen Schuss an der Hüfte verletzt.

    Die Täter flüchten. Eine anschließende Großfahndung, an der sich mehrere hundert Polizeibeamte beteiligen, bleibt ohne Erfolg.

    Die Augsburger Polizei richtet noch am gleichen Tag eine Sonderkommission ein. Der Soko "Spickel", benannt nach dem Augsburger Stadtteil, in dem die Tat geschah, gehören zunächst 40 Beamte an.

    Zwei Tage nach dem Polizistenmord geben die Ermittler bekannt, dass das Motorrad der beiden Täter in der Nacht vom 10. auf den 11. Oktober 2011 im Stadtgebiet von Ingolstadt gestohlen worden war. Dabei wurde die rund 15 Jahre alte Honda kurzgeschlossen.

    Drei Tage nach dem tödlichen Schusswechsel rückt die Polizei erneut mit einem Großaufgebot im Augsburger Spickel an. Taucher von Polizei und Feuerwehr suchen in den Kanustrecken des Eiskanals nach Gegenständen.

    Am 3. November wird Mathias Vieth bestattet. Am gleichen Tag stockt die Polizei die Soko "Spickel" auf 50 Beamte auf. Zugleich wird die Belohnung, die zur Aufklärung des Polizistenmordes ausgesetzt ist, auf 10.000 Euro erhöht.

    Ein Abgleich von DNA-Spuren, die am Tatort gesichert werden konnten, mit der bundesweiten DNA-Datenbank ergibt laut Polizei keinen Treffer.

    Am 7. November findet im Augsburger Dom die offizielle Trauerfeier für Mathias Vieth statt. Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann nimmt an ihr teilt.

    Zehn Tage nach dem Augsburger Polizistenmord greift die Sendung "Aktenzeichen XY" den Fall auf. Zwar gehen daraufhin mehrere Hinweise ein, eine heiße Spur ist aber nicht darunter.

    Dezember 2011: Die Belohnung für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen, wird auf insgesamt 100.000 Euro erhöht.

    Am 29. Dezember 2011 nimmt die Polizei in Augsburg und Friedberg zwei Verdächtige fest. Es handelt sich um die Brüder Rudi R. (56) und Raimund M. (58). Schnell wird bekannt: Der Jüngere hat bereits 1975 einen Augsburger Polizisten erschossen.

    Nach der Festnahme entdecken die Fahnder etliche Waffen und auch Sprengstoff. Belastet wird einer der Verdächtigen durch DNA-Spuren, die am Tatort gefunden wurden.

    Auf die Spur der beiden Männer kamen die Ermittler über ein Fahrzeug. Der Wagen war in Tatortnähe beobachtet worden. Im Zuge der Ermittlungen stellte sich heraus, dass die beiden Brüder des Öfteren mit diesem Wagen unterwegs waren.

    Mitte Januar ergeht auch Haftbefehl gegen die Tochter von Raimund M.. Bei ihr wurden Anfang Januar drei Schnellfeuergewehre und acht Handgranaten gefunden, die ihr Vater und dessen Bruder Rudi R. versteckt haben sollen.

    Im Juli 2012 wird die Tochter von Raimund M. verurteilt. Das Gericht spricht sie wegen Verstößen gegen das Waffen- und Kriegswaffengesetz, wegen Geldwäsche, Hehlerei und Diebstahl schuldig.

    August 2012 Die Augsburger Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen die Brüder Raimund M., 60, und Rudi R., 58, wegen Mordes am Polizisten Mathias Vieth. Außerdem listet die Anklage fünf Raubüberfälle auf.

    Es zeichnet sich ein Mammutprozess ab. Das Landgericht Augsburg setzt mehr als 49 Verhandlungstage an.

    21. Februar 2013: Der Mordprozess gegen die Brüder beginnt unter großen Sicherheitsvorkehrungen - und mit einem Eklat. Rudi R. beschimpft den Staatsanwalt als "Drecksack".

    August 2013: Das Gericht hat den Mordkomplex abgearbeitet und beginnt mit der Beweisaufnahme zu den Raubüberfällen. Viele Beobachter rechnen mit einem Mordurteil.

    September 2013: Ein Gutachter stellt fest, dass sich M.s Gesundheitszustand nach 15-monatiger Isolationshaft so verschlechtert hat, dass er verhandlungsunfähig ist.

    November 2013: Das Gericht setzt den Prozess gegen M. aus. Er bleibt vorerst in Haft. Gegen seinen Bruder Rudi R. wird normal weiterverhandelt.

    Februar 2014: Rudi R. wird zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Gericht sieht bei ihm eine besondere Schwere der Schuld und ordnet die anschließende Sicherungsverwahrung an.

    September 2014: Der neue Prozess gegen Raimund M. beginnt.

    Februar 2015: Der Bundesgerichtshof bestätigt das Augsburger Urteil gegen Rudolf R.

    Die Höchststrafe droht, weil R. eine schwerkriminelle Vergangenheit hat, deren Tiefpunkt die Ermordung des Augsburger Polizeiobermeisters Bernd-Dieter Kraus im Jahr 1975 war. Die Indizienlage gegen R., 58, darf sowohl im Hinblick auf den Mord an Mathias Vieth als auch bezüglich fünf Raubüberfällen als erdrückend gelten.

    Zum inoffiziellen Abschluss der Beweisaufnahme gestern erstattete der Augsburger Landgerichtsarzt Richard Gruber sein psychiatrisches Gutachten über Rudi R. Gruber konnte dabei nur auf Unterlagen, Zeugenaussagen und den Eindruck aus dem Prozess zurückgreifen, einen persönlichen Kontakt verweigerte R.

    Intellektuell nicht unbeschlagen, misstrauisch und verschlossen

    Der Gutachter zeichnete das Bild eines intellektuell nicht unbeschlagenen, verschlossenen, misstrauischen Mannes, der schon in jungen Jahren eine Affinität zu Waffen und eine Tendenz zur Kriminalität zeigte. Körperliche Gebrechen hat R. im Gegensatz zu seinem parkinsonkranken Bruder Raimund M. nicht. Seine Statur ist kräftig, vor allem durch jahrzehntelanges Gewichtheben und Krafttraining.

    Gruber sprach von einem „Hang zum Sarkasmus“ und „Bestrebungen, seine Umgebung zu dominieren“. Nach seiner Verurteilung wegen Polizistenmordes stand R. mit 39 Jahren vor einem kompletten Neuanfang. Doch anstatt seinen Lebensunterhalt mühsam mit ehrlicher Arbeit zu bestreiten, setzte Rudi R. mit einer „konsequenten Positionierung“ (Gruber) auf gewaltbereite Kriminalität. Bereits fünf Monate nach seiner Entlassung betrog er, indem er Waren umetikettierte.

    Im Dezember 2002 klaute er in einem großen Supermarkt: Bräunungscreme, Boxershorts, Socken, Schnaps. Als ihn Detektive ertappten, sprühte R. ihnen Pfefferspray ins Gesicht und leistete erheblichen Widerstand. Zu jenem Zeitpunkt soll er laut Anklage bereits mindestens zwei bewaffnete Raubüberfälle auf eine Sicherheitsfirma und eine Bank begangen haben.

    Die Beziehungen von R. hielten nie lange

    Beziehungen zu Frauen hielten bei R. nie lange. Er ist laut Gutachter ein schwieriger Typ: Eine starke Eigenbezogenheit, nachhaltige negative Emotionen, sparsame Empathie kennzeichnen den Angeklagten.

    Seine engste Bezugsperson war der ältere Bruder Raimund M., 60. Doch der sitzt seit dem 20. November 2013 nicht mehr im Gerichtssaal. Wegen seiner Parkinson-Erkrankung und 15 Monaten Isolationshaft soll er nach Ansicht des Neurologen und Psychiaters Ralph-Michael Schulte nicht mehr in der Lage sein, dem Prozess zu folgen. Eine Untersuchung im Uniklinikum Großhadern legte zuletzt allerdings ein anderes Ergebnis nahe.

    Icon Galerie
    14 Bilder
    Der Prozess um den Mord am Polizisten Mathias Vieth ist eines der größten Verfahren am Landgericht Augsburg gewesen. Die Bildergalerie zeigt seine Protagonisten.

    Momentan scheint durchaus möglich, dass Ende Februar der Prozess gegen den zweiten mutmaßlichen Polizistenmörder von Neuem beginnt.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden