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Augsburg: Warum Hochlandrinder als Landschaftspfleger so beliebt sind

Augsburg

Warum Hochlandrinder als Landschaftspfleger so beliebt sind

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    Um prächtig auszusehen, brauchen Schottische Hochlandrinder kein importiertes Soja: Sie kommen meist mit dem Futter auf der Weide aus.
    Um prächtig auszusehen, brauchen Schottische Hochlandrinder kein importiertes Soja: Sie kommen meist mit dem Futter auf der Weide aus. Foto: Jan-Luc Treumann

    Salome streckt ihren Kopf nach oben, ist fast auf Augenhöhe mit Helmut Schachner. Salome ist mehrere hundert Kilo schwer, hat zwei spitze Hörner und könnte Helmut Schachner ohne Weiteres schwer verletzen. Doch Salome will vor allem gestriegelt werden. Sie streckt Schachner ihren Kopf mit den langen Haaren, die über die Augen hängen, entgegen, sodass er sie am Hals bürsten kann. Es sieht nach einer vertrauensvollen Beziehung zwischen dem Züchter und dem Schottischen Hochlandrind aus.

    Seit 2014 weiden die Rinder im Landschaftsschutzgebiet Wolfzahnau in Augsburg, grasen dort zu siebzehnt. Zwischen den ausgewachsenen Tieren tapsen ein paar Kälber noch etwas unbeholfen über die Weide. Die Rinder schaffte sich Schachner aus Trotz an, wie er erzählt.

    Wie der Züchter zu den Hochlandrindern kam

    Sein älterer Bruder, der den elterlichen Hof übernommen hatte, beschloss 2006, die Milchkühe abzugeben, weil sie nicht rentabel waren. "Ich war der Meinung, dass das nicht geht, dass da keine Rinder mehr sind. Irgendwann meinte mein Bruder: ,Dann kaufst’ dir welche‘. So ging es los", schildert Schachner seinen Einstieg ins Züchterleben. "Ich habe zu meiner Frau gesagt, ich kaufe ein paar Rinder. Die dachte, ich mache ein Späßle. Und jetzt sind aus dem Späßle annähernd 40 Tiere geworden," sagt Schachner, dessen Rinder in fünf Gebieten stehen.

    Jeden Tag muss Schachner nach ihnen sehen, planen, wann er Wasserfässer oder Heu auffüllen muss. Bis Anfang des Jahres habe er das nebenberuflich gemacht, als in diesem Jahr ein weiterer Standort dazukam, hat er die Stunden bei seinem Arbeitgeber reduziert. An Urlaub ist nicht zu denken. "Das letzte Mal war ich vor zehn Jahren im Urlaub", sagt Schachner. Vor einigen Jahren fragte ihn seine Frau, ob er mit ihr nach Israel fahren wolle. "Ich hab gesagt: Natürlich will ich mit. Da buchst’ jetzt was für zwei Erwachsene und 26 Rindviecher", erzählt Schachner und lacht.

    Ein Kalb war kürzlich von Maden befallen

    Doch nicht immer machen ihm die Tiere Freude, manchmal bereiten sie Schachner auch Sorgen, so wie kürzlich ein Kalb. Bei den Neugeborenen sei das Fell noch feucht, erklärt der Züchter: "Wenn es so warm ist, legen die Fliegen Eier in das feuchte Fell." In kurzer Zeit können dann viele Maden schlüpfen und das Tier sogar auffressen. Das Kalb war stark befallen. "Ich hab es mit Kernseife gewaschen, mit einer weichen Bürste vorsichtig gebürstet. Da waren tausende Maden drin und du darfst da nicht schrubben, weil man die Haut verletzt und das noch mehr Fliegen anzieht", berichtet Schachner von der sorgfältigen Pflege. Mit der Tierärztin konnte er das Kalb noch retten. Mittlerweile habe es sich wieder gut erholt.

    Vielleicht zeigt sich hier im Kleinen eine Eigenschaft, die der Art grundsätzlich zugeschrieben wird: Robustheit. So beschreibt sie Walter Reulecke, Geschäftsführer des Verbands Deutscher Highland Cattle Züchter und Halter, aber auch als gute Raufutterverwerter und als wetterhart: "Hochlandrinder leben das ganze Jahr draußen. Sie mögen keine Ställe. Wenn man sie dort hält, ist das Mikroklima im Fell nicht optimal, es können sich Bakterien vermehren und das Fell kann abgehen", schildert der Biologe. Für ihn stehen die Hochlandrinder auch für eine nachhaltige Form der Fleischerzeugung: Es müsse kein Futter wie Soja aus Südamerika importiert werden, sondern die Tiere kämen meist mit der Nahrung aus, die sie auf der Weide finden. Dennoch müssten Züchter täglich schauen, wie es den Rindern gehe.

    Welche Aufgabe die Hochlandrinder an der Wolfzahnau haben

    Die Zahl der Hochlandrinder in Deutschland steigt. Gab es 2010 laut Statistischem Bundesamt noch 35.400 Tiere, sind es nun 44.200. Die meisten Rinder lebten laut der Statistik aus dem Vorjahr mit 6600 Tieren in Bayern. Auch Schachners Herde wächst weiter. Als die Stadt Augsburg vor einigen Jahren bei ihm für ein Beweidungsprojekt anfragte, hatte Schachner nur eine Handvoll Rinder: "Ich habe mir die Flächen angeschaut und gesagt: ,Was will ich hier mit meinen drei, vier Tieren? Die sind da ja verloren.‘" Die Antwort war: "Ja, wenn Sie das haben wollen, müssen Sie noch welche kaufen."

    Also kaufte sich Schachner eine ganze Herde. Mittlerweile hat er fünf Gebiete, auf denen die Rinder leben – kürzlich kam eine Fläche dazu, die wegen römischer Funde unter Denkmalschutz steht. Damit diese nicht durch Wurzeln von Sträuchern beschädigt werden, leben dort ebenfalls Rinder. Deren Aufgabe ist es, die Wiesen abzuweiden. Schachner verweist auf die Bäume und Büsche hinter der Weide. "Ohne die Tiere wäre nach sieben Jahren alles zugebuscht", schildert er.

    Der ökologische Nutzen der Tiere ist groß

    Der Züchter wartet, bis die Wiesenbrüter im Frühjahr ausgeflogen sind, und lässt die Rinder dann auf die Wiesen. Bis dahin leben die Tiere im vorderen Bereich seiner Weide, wo es Unterstände für die Rinder gibt. Doch die lassen sich laut Schachner häufig lieber draußen einschneien. Wenn die Tiere schließlich auf die Weide dürfen, hätten sich schon viele Blumensamen verbreitet und die Artenvielfalt nehme zu. Diesem Zweck diene auch das Beweidungsprojekt an der A8 zwischen Augsburg und München. Dort stehen die Hochlandrinder laut Züchter Joe Engelhardt aber nur noch bis Weihnachten.

    Der Vertrag mit der Betreiberfirma läuft aus, auf einen neuen konnte man sich nicht einigen. Dabei sei der ökologische Nutzen groß, sagt Engelhardt. Vorteile für die Natur sieht auch Norbert Pantel vom Landschaftspflegeverband. "Die Rinder sind kein Rasenmäher, der alles gleichmäßig abfrisst. Dadurch und durch ihren Tritt entsteht Strukturreichtum. Je mehr Strukturen da sind, desto mehr potenzielle Lebensräume gibt es für Pflanzen und Tiere", erklärt Pantel.

    Neben Salome kommen auch die anderen Rinder zu Schachner, um gebürstet werden. "Sie sind sehr zutraulich. Das gelingt nur, wenn man viel Zeit mit ihnen verbringt", sagt Schachner. Manchmal, erzählt er und zeigt auf einen Baum mit einem krummen Ast, setze er sich dort hin und beobachte die Herde: "Das ist dann ein bisschen wie Urlaub."

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