Eklat nach dem Urteil am Freitagmittag im Prozess um illegale Spendenbescheinigungen für Ehrenamtliche beim Sportverein Biburg: Amtsrichterin Marieluise T., 57, die Vorsitzende des Vereins, eben wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 19 500 Euro (150 Tagessätze zu je 130 Euro) verurteilt, will sich die Begründung des Schuldspruchs durch Richter Michael Nißl nicht mehr anhören. „Können Sie nicht aufhören. Ich habe noch etwas anderes zu tun, ich will mir dieses Geschwätz nicht mehr anhören“, ruft sie empört, steht auf, verlässt den Gerichtssaal und schlägt die Türe zu.
Die Angeklagte stellte sich selbst Spendenbescheinigungen aus
Weil die Praxis, ehrenamtliche Tätigkeit nicht mit Bargeld, sondern mit Steuer sparenden Spendenbescheinigungen fürs Finanzamt zu entgelten, in vielen Vereinen offenbar gang und gäbe ist und erstmals, zumindest in Augsburg, ein Gericht darüber zu befinden hatte, erklärt Richter Nißl ausführlich die Gründe für sein Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist.
Zwei Komplexe hatte das Gericht zu entscheiden. Einmal ging es um einen Vorsteuerabzug in Höhe von 5000 Euro für ein Wohn- und Geschäftshaus mit Gaststätte, das der Angeklagten gehört und bei dem sie die Kosten zu 100 Prozent steuer- mindernd geltend gemacht hatte – eine Bewertung, die Richter Nißl als „völlig ausgeschlossen“ bezeichnet und als vorsätzliche Steuerhinterziehung bewertet. Das Ausstellen der Spendenbescheinigungen durch die Angeklagte, zum Teil auch für sich selbst, war nach Ansicht des Gerichts ebenfalls unrechtmäßig.
"Uneinsichtigkeit" der Angeklagten erschreckt das Gericht
Der Knackpunkt: Zwischen Verein und dem Ehrenamtlichen müsse zuvor ein einklagbarer Vertrag geschlossen werden, in dem die Vergütung genau geregelt ist. Und: Das Geld müsse zuerst fließen, dann könne es der Ehrenamtliche wieder spenden und bekomme im Gegenzug die Bescheinigung. Schon vorab auf eine Auszahlung zu verzichten, sei unzulässig. „Die Angeklagte hat gönnerhaft und in Gutsherrenart in die Kasse der Allgemeinheit gegriffen, hat die Spendenbescheinigungen als Zahlungsmittel verwendet“, rügt das Gericht.
Strafmildernd wertet der Richter, dass sich Marieluise T. im Verein stark engagiert habe und dass sie finanziell bereits habe „bluten“ müssen, nachdem sie das Finanzamt in Höhe von 20 000 Euro in Haftung genommen habe. Als „erschreckend“ bezeichnet das Gericht die „Uneinsichtigkeit“ der Angeklagten, die sich über die Grenzen des Rechts hinweggesetzt habe. „Gerade für eine Richterin ist das unwürdig“. Sie habe sich ihr eigenes Recht zurecht geschnitzt.
In ihrem „letzten Wort“ hatte die Angeklagte noch einmal betont, sie habe „in keinem einzigen Fall“ eine Steuerhinterziehung begangen. Für sie seien Gesetze wichtiger als Richtlinien. Staatsanwalt Markus Wiesner und das Gericht bewerten die angeklagten Fälle am Ende rechtlich zum Teil als Beihilfe, etliche Fälle werden auch vorläufig eingestellt, weil deren Bestrafung nicht mehr ins Gewicht fällt.
Angeklagte Richterin könnte aus dem Richterverhältnis entfernt werden
Das Urteil des Strafgerichts kann für die Richterin auch dienstliche Folgen haben. Ein Disziplinarverfahren, das in diesem Fall bereits eingeleitet wurde, ruht derzeit und wird wieder aufgenommen, wenn das Strafurteil rechtskräftig ist. Grundsätzlich gilt: Je nach Schwere des Delikts und der Strafhöhe reichen die Disziplinarmaßnahmen von einem Verweis über eine Geldbuße, einer Kürzung der Dienstbezüge bis zur Entfernung aus dem Richterverhältnis, die automatisch erfolgt, wenn eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen einer vorsätzlichen Tat verhängt wurde.
Für das Disziplinarverfahren der wegen Steuerhinterziehung verurteilten Richterin, die beim Amtsgericht Dillingen tätig ist, ist zunächst einmal der Augsburger Landgerichtspräsident Herbert Veh zuständig. Ab einer bestimmten Sanktionsstufe, etwa der Kürzung der Bezüge, muss dann das Bayerische Dienstgericht entscheiden. Ob das Verhalten der Richterin während der Urteilsverkündung Folgen haben könnte, ist noch unklar.