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Augsburg: Schmerzensgeld? Das Gericht ist im Fall Ursula Herrmann skeptisch

Augsburg

Schmerzensgeld? Das Gericht ist im Fall Ursula Herrmann skeptisch

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    Der Bruder der 1981 getöteten Ursula Herrmann will Schmerzensgeld vom Täter. Doch ist die Klage überhaupt zulässig? Klarheit darüber, wie es weitergeht, gibt es erst am 14. Juli.
    Der Bruder der 1981 getöteten Ursula Herrmann will Schmerzensgeld vom Täter. Doch ist die Klage überhaupt zulässig? Klarheit darüber, wie es weitergeht, gibt es erst am 14. Juli. Foto: LKA Bayern dpa/lby (Archiv)

    Es hätte nicht viel gefehlt und Michael Herrmanns Hoffnung auf einen neuen Prozess um den Tod seiner kleinen Schwester Ursula wäre schon nach einer halben Stunde vor Gericht geplatzt. Herrmann, 52, hat eine Zivilklage gegen den verurteilten Entführer eingereicht. Er will 20 000 Euro Schmerzensgeld, weil ihm durch die Tat psychische Belastungen und ein starker Tinnitus entstanden sind. Am Donnerstagvormittag hat die Verhandlung begonnen. Doch in einem Zivilprozess ist das alles gar nicht so einfach. Denn gleichzeitig sagt Michael Herrmann seit Jahren, dass er erhebliche Zweifel an dem Strafurteil gegen Werner Mazurek habe. Kann jemand also

    Das sind auch Fragen, die das Gericht stark beschäftigen. Die Richter fragen daher intensiv bei Michael Herrmann nach: „Warum haben Sie diese Klage gegen Herrn Mazurek eingereicht, wenn Sie ihn gar nicht für den Täter halten?“, hakt der Vorsitzende Harald Meyer ein. Herrmann antwortet, er habe tatsächlich Zweifel am Strafverfahren, akzeptiere aber die rechtskräftige Verurteilung Mazureks. Ihm gehe es auch nicht in erster Linie um das Schmerzensgeld oder um eine Überprüfung des Strafurteils, sondern er suche „innere Ruhe“. „Wie wollen Sie denn ihren Frieden finden durch einen Zivilprozess?“, insistiert Meyer. Wenn das Gericht ihm Schmerzensgeld zuspreche, weil Mazurek wirklich der Täter sei, dann werde  er dies akzeptieren. Falls nicht, dann werde er sich weiter damit beschäftigen.

    Das sind nun gar nicht so unproblematische Aussagen Herrmanns. Denn im Zivilrecht gibt es das Prinzip des sogenannten Rechtschutzbedürfnisses. Jeder hat ein Anrecht auf Rechtschutz, er muss aber auch Gründe dafür darlegen, weshalb er eine Klage einreicht. Umgekehrt bedeutet das: Wenn jemand in Wirklichkeit nicht das Ziel einer Klage verfolgt, dann ist die Klage gar nicht zulässig. Michael Herrmanns Anwalt Joachim Feller meldet sich dann auch sofort zu Wort und versucht sich wortreich in einer Erläuterung der Sätze seines Mandanten: „Das Gericht darf auf keinen Fall den Eindruck haben, dass es für eine Überprüfung des Strafverfahrens sozusagen missbraucht wird“, betont er.

    Fall Ursula Herrmann: Gericht zieht sich zur Beratung zurück

    Dass Michael Herrmann gesundheitliche Beeinträchtigungen hat, daran gibt es wenig Zweifel. Wenige Monate nach Urteil gegen Werner Mazurek im März 2010 hat der Tinnitus eingesetzt und ist bis heute nicht abgeklungen. Herrmann ist Musiker und Musiklehrer, der Tinnitus ist für ihn daher besonders folgenschwer. Eine wichtige Frage für das Gericht ist aber auch, ob tatsächlich der Strafprozess und das Urteil die Ursache für die Beschwerden sind. Der bekannte Gutachter Ralph-Michael Schulte hat Herrmann dies attestiert. Das Gericht hatte dieses Gutachten in Auftrag gegeben. Hätte der Experte diesen Zusammenhang nicht eindeutig bestätigt, wäre die Klage ebenfalls rasch obsolet gewesen.

    So aber zieht sich das Gericht zu einer Zwischenberatung zurück und verkündet dann einen neuen Termin: Am 14. Juli will die Kammer verkünden, wie es weitergeht. Das wird nur wenige Minuten dauern. „Ein Urteil wird es noch nicht geben“, sagt der Vorsitzende Richter Meyer. Das bedeutet, dass das Gericht sich weiter mit dem Fall beschäftigen wird, möglicherweise werden Zeugen benannt und bekannt gemacht, mit welchen Akten aus dem Strafverfahren sich das Gericht beschäftigen will. Anwalt Feller sieht das positiv: „Ich denke, das Gericht steigt in den Prozess ein, es gibt aber noch hohe Hürden.“ Der Anwalt hat schon rund 15 Zeugen benannt.

    Die Anwälte von Werner Mazurek sind zufrieden

    Werner Mazureks Anwälte Walter Rubach und Katharina von Ciriacy-Wantrup sind ebenfalls zufrieden, weil sie davon ausgehen, dass das Gericht sich weiter mit dem Fall beschäftigt. Rubach hatte die Schmerzensgeldklage schon im Vorfeld als „Geschenk des Himmels“ bezeichnet. Er hat Mazurek schon im Strafprozess verteidigt und sieht nun die Chance gekommen „ein wackeliges Urteil nach einem Indizienprozess“ zu überprüfen. Mazurek hat immer bestritten, der Täter gewesen zu sein.

    Ursula Herrmann war 1981 zehn Jahre alt. Sie wurde auf dem Heimweg in einem Wäldchen in Eching am Ammersee verschleppt und in eine eigens gebaute Holzkiste eingesperrt. Das Verlies wurde im Waldboden versenkt. Eine Lüftungsanlage funktionierte nicht, das Mädchen starb wohl schon Stunden nach seiner Entführung. Erst 19 Tage später und nach Lösegeldforderungen über zwei Millionen Mark wurde Ursula von der Polizei gefunden. Werner Mazurek wurde im Frühjahr 2008 festgenommen und im März 2010 zu lebenslanger Haft verurteilt.

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