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Augsburg/Münster: Eine Strafe für das Unfassbare

Augsburg/Münster

Eine Strafe für das Unfassbare

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    Vor einem Jahr konnten zwei junge Menschen nach einem Unfall bei Münster nur noch tot geborgen werden. Das Unglück erschütterte die Gemeinde.
    Vor einem Jahr konnten zwei junge Menschen nach einem Unfall bei Münster nur noch tot geborgen werden. Das Unglück erschütterte die Gemeinde. Foto: Ralf Zwiebler / z-media

    Gefasst, aber mit Tränen in den Augen sitzt der junge Mann da. Staatsanwalt Christoph Bauer hat gerade die Anklage verlesen. Er wirft dem 19-Jährigen vor, durch sein fahrlässiges Verhalten im Straßenverkehr für den Tod zweier Jugendlicher verantwortlich zu sein.

    Der gelernte Zerspanungsmechaniker hebt leicht die Hände vom Tisch und sagt: „Es stimmt so. Was soll ich viel dazu sagen?“ Er wisse bloß noch, dass er in jener Nacht – vier Tage vor Heiligabend – im vorigen Jahr auf der Staatsstraße von Thierhaupten nach Münster in den südlichen Landkreis Donau-Ries unterwegs gewesen sei. Dann habe er plötzlich den Baum neben sich gesehen „und dann ist der Unfall passiert“.

    Es ist ein Unglück, das die Menschen in der Region und vor allem in der kleinen Gemeinde Münster kurz vor Weihnachten erschüttert. Auf dem Rückweg von einer Disko in Meitingen (Landkreis Augsburg) sind es um 23.20 Uhr nur noch etwa 200 Meter bis zum Ortsschild, als das Auto, das der damals 18-Jährige steuert, auf eisglatter Straße ins Schleudern gerät und seitlich mit der hinteren rechten Tür mit einer Geschwindigkeit von etwa 60 Stundenkilometern gegen eine Linde am Straßenrand kracht. Für eine 16-Jährige und ihren gleichaltrigen Cousin – beide sitzen auf der Rückbank – kommt jede Hilfe zu spät. Die Beifahrerin, ebenfalls 16, ebenfalls aus Münster und Freundin des 18-Jährigen aus dem nördlichen

    Staatsanwalt: Fahrer hat die Umstände falsch eingeschätzt

    Ein Gutachter stellt später fest, dass der Wagen auf der geraden Strecke rund 80 Stundenkilometer schnell war. Erlaubt wären 100. In jener Dezembernacht ist der Asphalt vom Regen nass. Die Temperatur liegt nur knapp über dem Gefrierpunkt. An exponierten Stellen und am Waldrand ist es glatt, auf anderen Abschnitten nicht, wie die Polizei selbst auf der Fahrt zum Unfallort feststellt. „Das war das Tückische“, so ein Beamter vor Gericht. Die Streife benötigt für die rund zehn Kilometer ungefähr 20 Minuten – ungewöhnlich viel Zeit. Doch während die Polizisten die Gefahr kennen und vom Gas gehen, wird der Angeklagte vom rutschigen Untergrund völlig überrascht. „Er ist nicht mit angepasster Geschwindigkeit gefahren. Er hat schlicht und einfach die Umstände falsch eingeschätzt“, fasst Staatsanwalt Bauer zusammen. Er findet geradezu milde Worte für den jungen Mann. Bei möglichen Sanktionen gegen den Angeklagten „stößt man schnell an Grenzen“, so Bauer, denn: „Letzten Endes sind alle Beteiligten Opfer.“ Der Ankläger hält eine Geldauflage von 1800 Euro, eine Teilnahme an einem Fahrtraining und ein Fahrverbot von drei Monaten für angemessen.

    Der Staatsanwalt habe genau die richtigen Worte gefunden, pflichtet Werner Ruisinger bei. Der Verteidiger spricht „von einem Unfall, der uns alle treffen kann“. Das Jugendschöffengericht unter Vorsitz von Angela Reuber belässt es bei einem Fahrtraining und einer Geldauflage von 500 Euro. Das Verschulden des 19-Jährigen liege „im alleruntersten Bereich“, während die Folgen seiner Tat „ganz furchtbar“ seien. Die Strafe, die das Gericht verhängt, sei allenfalls symbolisch. Am Ende wendet sich die Richterin direkt an die Angehörigen der Opfer, die schweigend dem Prozess folgen. Es sei dem Gericht wichtig gewesen, vor Weihnachten ein Urteil zu fällen, „damit alle Beteiligten abschließen können – soweit es geht“. Der 19-Jährige, der seinem Anwalt zufolge nach dem Unfall von keiner Seite Vorwürfe bekommen hat, erklärt: „Ich kann nicht mehr sagen, als dass es mir leidtut.“

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