Das Stechen im Kopf sei neu, sagt ein 27-Jähriger. Er sitzt im Saal zwei des Verwaltungsgerichts Augsburg und versteht die Welt nicht mehr. Der Mann aus Langerringen im Landkreis Augsburg hat eine sportliche Figur, litt bis vor kurzem nicht unter Kopfschmerzen oder Schlafstörungen. Doch seit Dezember 2014 sei das anders.
Seitdem drehen sich die Rotoren zweier Windräder auf der Flur zwischen Langerringen und Lamerdingen (Landkreis Ostallgäu). Zu Unrecht, meinen der 27-Jährige und mehrere Kläger, die im Gerichtssaal erschienen sind. Sie fürchten sich unter anderem vor Lärm, Infraschall, der zwar nicht hörbar ist, aber ihrer Meinung nach schädlich sein soll, Erschütterungen im Boden, Schattenwurf durch die Rotoren – und tote Vögel. Kurzum: Die Anwohner haben Angst um ihre Gesundheit und die der Tiere. Doch das Gericht wies gestern alle fünf Klagen ab.
Gutachterin sieht „keinen Hinweis“ auf negative Auswirkungen
Zuvor nahm es sich unter Vorsitz von Beate Schabert-Zeidler knapp sechs Stunden Zeit, lud drei Sachverständige, hörte sich die Argumente der Anwohner an. Etwa 40 Zuschauer saßen in den Stuhlreihen, manche sehr unruhig. Einzelne wetterten halblaut gegen das Landratsamt Ostallgäu, das die Windräder genehmigt hatte, oder den Chef der Firma, die die Windräder erbaut hatte.
Aber es saßen auch schimpfende Befürworter der Windräder im Sitzungssaal – und die sahen sich bestätigt. Eine Gutachterin des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit sagte, dass „selbst unter der Windkraftanlage kein Infraschall“ zu bemerken sei. Die Kläger befürchten hingegen, dieser Infraschall mache sie krank. Die Gutachterin widerspricht: Es gebe „keinen Hinweis“ auf gesundheitliche Auswirkungen durch den Infraschall, der von den Windrädern ausgehe. Und auch das Argument, die Windräder machen Lärm, stößt auf Gegenworte der Experten.
Anwohner wollen den Rechtsweg weiter ausschöpfen
Der 27-Jährige aus Langerringen vergleicht die Lautstärke mit einem alten Traktor im Standgas. Eine Anwohnerin sagt, der Lärm „macht einen verrückt“, ein älterer Mann klagt: „Ich kann nicht mehr ständig dort leben.“ Die Richterin erwidert, dass vor Gericht nur Fakten zählen – nicht das individuelle Befinden. Fast jedes Windrad würde beklagt, Erfolg habe nur, wer in seinen Rechten verletzt werde. Dazu zählt beispielsweise nicht, dass Wildtiere einer Gefahr ausgesetzt sind. Die Rotmilane, die laut Anwohnern in der Nähe der Windräder nisten, sind für das Gericht deswegen nicht relevant – auch wenn für sie die Rotoren gefährlich werden könnten. Den weiteren Argumenten der Kläger widersprechen die drei Sachverständigen ebenfalls.
Die Erschütterungen durch die sich drehenden Windräder reichen danach nicht bis zu den hunderte Meter entfernten Anwohnergrundstücken. Und der Schatten durch die Rotoren, die sich an ihrem höchsten Punkt in bis zu 200 Metern Höhe drehen, beschränke sich auf wenige Stunden im Jahr. Ginge es nach der Abstandsregelung vom Zehnfachen der Windradhöhe, dürften die Anlagen hingegen nicht stehen. Doch das sogenannte 10H-Gesetz existierte erst nach dem Bau der beiden Windräder. So bleibt den Anwohnern nun nur ein Weg: Sie wollen den Rechtsweg weiter ausschöpfen.