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Augsburg: Kurt Gribl: „Bei Integration stehen wir erst am Anfang“

Augsburg

Kurt Gribl: „Bei Integration stehen wir erst am Anfang“

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    Welche Aufgaben sieht Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl beim Thema Flüchtlinge und Integration als vordringlich?
    Welche Aufgaben sieht Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl beim Thema Flüchtlinge und Integration als vordringlich? Foto: Anne Wall (Archiv)

    Etwa 890.000 Asylsuchende sind im vergangenen Jahr nach Deutschland gekommen. Heuer sind es deutlich weniger. Ist das die Chance, sich intensiver um die Flüchtlinge zu kümmern, weil es nicht mehr nur darum geht, möglichst viele Menschen möglichst schnell irgendwie unterzubringen?

    Die Entlastung ist gut. Sie zeigt, wie Politik gewirkt hat. Eine gleichbleibende Belastung hätten wir wohl nicht mehr bewältigen können. Aufnahmeeinrichtungen lassen sich organisieren. Die eigentliche Arbeit ist aber die Integration dieser Menschen. Und da stehen wir erst am Anfang.

    Was sind die wichtigsten Herausforderungen, vor denen die Gesellschaft steht?

    Das Wichtigste ist, dass Integration nachhaltig erfolgt. Die Kanzlerin hat heute gesagt, eine schlechte Integration beschäftigt uns über Jahrzehnte. Und damit hat sie recht. Wir dürfen Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Wir müssen einerseits unterstützen, aber auf der anderen Seite auch darauf achten, dass Mitwirkung eingefordert wird. Und: Wir müssen unsere Strukturen anpassen. In Augsburg tun wir das künftig zum Beispiel durch die Einrichtung einer koordinierten Bildungsberatung für Zugewanderte. Hier engagieren sich die Stadt, freie Träger und die Agentur für Arbeit gemeinschaftlich, um gute Integration zu befördern.

    Was meinen Sie damit?

    Die Arbeit unserer Ehrenamtlichen hat in der Vergangenheit auch deshalb funktioniert, weil es keine Spitzenbelastungen gab. Das Ehrenamt wird weiter gefordert sein, aber es darf nicht überfordert werden. Wir benötigen eine professionelle Schulung und Anleitung von Freiwilligen, die vor interkulturellen Herausforderungen stehen. Ehrenamtliche Arbeit muss anerkannt und koordiniert werden. Dazu gehört auch eine finanzielle Unterstützung.

    Eine Forderung des Städtetags, den Sie im Kanzleramt vertreten haben, ist mit dem Vorwurf verbunden, der Staat überlasse große Bereiche der Integrationsarbeit dem bürgerschaftlichen Engagement und den Kommunen. Gleichzeitig entziehe er sich seiner finanziellen Verantwortung.

    Es gibt schon viele Einzelprojekte, die finanziert sind. Das sind aber meistens nur Impulse: Der Staat gibt für Projekte drei Jahre lang Geld. Die funktionieren auch in aller Regel gut, sind differenziert und wirkungsvoll. Ich nenne da für Augsburg beispielhaft die Stadtteilmütter oder die muslimische Seelsorge. Dann aber werden diese Projekte den Kommunen überlassen. Das geht so nicht. Wir müssen Integration als eine Daueraufgabe zwischen Bund, Ländern und Kommunen verstehen. Wenn Sprache und Bildung als ein Schlüssel für eine gelingende Integration angesehen werden, dann müssen hier der Bund und die Länder noch mehr tun. Anstandshalber muss auch dazu gesagt werden, dass wir vom Bund ein Sieben-Milliarden-Paket bekommen haben für Integrationsleistungen und ein Zwei-Milliarden-Paket für Unterkunftskosten. Das entlastet die Städte und Gemeinden, bezieht sich aber vor allem auf das Organisatorische. Jetzt gilt es, Antworten auf inhaltliche Fragen der Integration zu finden.

    Die sieben Milliarden wurden aus Föderalismusgründen nur an die Länder weitergereicht. Und Ihr Nürnberger Amtskollege von der SPD, Ulrich Maly, beklagt sich, dass der Freistaat die Kommunen derzeit nicht angemessen an den Bundesmitteln beteiligt.

    Da sind die Diskussionen mit dem Freistaat Bayern noch nicht abgeschlossen. Das steht auf der Agenda. Es geht zum Beispiel darum, wer die Kosten für die inzwischen volljährigen unbegleiteten Flüchtlinge übernehmen soll.

    Die gesellschaftliche Akzeptanz ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Integration. Vor einer Überforderung wird nicht erst seit kurzem gewarnt. Wie kann man diesen Sorgen der Menschen begegnen?

    Ohne Akzeptanz funktioniert Integration nicht. Wir brauchen immer die Menschen dazu. Die Akzeptanz ist deswegen strapaziert, weil auch das Gerechtigkeitsempfinden angesprochen ist. Die Leute formulieren oft, dass der Staat viel Geld hat für Flüchtlinge, für sie selbst aber nichts.

    Ist das ein berechtigter Vorwurf?

    Das kann ich nicht einmal abschließend beurteilen. Wir müssen jedenfalls lernen, dass wir Integrationsarbeit nicht nur aus dem Blickwinkel der Bedürfnisse von Flüchtlingen und Menschen mit Migrationshintergrund sehen. Die Bedürfnisse unserer eigenen Gesellschaft müssen mitformuliert werden. Außerdem geht es darum, an der einen oder anderen Stelle aktiv dazu beizutragen, dass eine Konkurrenzsituation gar nicht erst entsteht. Es gibt viele staatliche Leistungen, die möglicherweise anderen nicht gewährt werden. Das ist immer ein Ansatzpunkt für ein Ungerechtigkeitsgefühl. Da müssen wir sehr aufpassen.

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