Die unendliche Geschichte der ebenso wundersamen wie ärgerlichen Kostensteigerungen bei öffentlichen Bauvorhaben ist um eine besondere Episode reicher. Die letzten Sanierungsabschnitte am Klinikum Augsburg, das am 1. Januar 2019 als Universitätsklinik in die Trägerschaft des Freistaats Bayern übergeht, sollen möglicherweise doppelt so viel kosten, wie ursprünglich geplant. Das wären rund 560 statt 280 Millionen Euro. Und das Kuriose daran ist, dass es dafür offenbar nur einen einzigen Grund gibt: Sobald der Staat das Sagen hat, wird’s automatisch teurer.
Langer Kampf bis zur Uniklinik in Augsburg
Es war ein langer Kampf bis zur Uniklinik in Augsburg. Jahrzehntelang ging gar nichts voran, weil sich die früheren Staatsregierungen unter den Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, Max Streibl, Edmund Stoiber und Günther Beckstein auf den Standpunkt stellten, dass für Augsburg und Schwaben ein Zentralklinikum als Krankenhaus der höchsten Versorgungsstufe ausreicht. Dann überraschte Horst Seehofer im Februar 2009 mit einem großen Versprechen, das er im Goldenen Buch der Stadt Augsburg schriftlich fixierte: „Die Uniklinik kommt!!!“ Und danach dauerte es, weil vielfältige und hartnäckige Widerstände zu überwinden waren, noch einmal gut sieben Jahre, ehe das „Jahrhundertprojekt“ (Seehofer) die letzte Hürde nahm. Im Oktober 2016 stimmte das Kabinett endgültig dem Sanierungskonzept zu, das mit den Trägern des Klinikums (Stadt und Landkreis Augsburg) ausgehandelt worden war.
Teil dieser Vereinbarung war, dass das Klinikum im Zuge des Übergangs der Trägerschaft in mehreren Schritten generalsaniert wird. Für die Bauabschnitte 1 bis 4 waren Stadt und Landkreis Augsburg noch komplett zuständig. Sie blieben weitgehend im geplanten Kostenrahmen. Mutter-Kind-Zentrum und Kinderklinik etwa kosteten 46 Millionen Euro. Mit 44 Millionen Euro, so die Auskunft des Landratsamtes Augsburg, war zuvor kalkuliert worden.
Auch für die Bauabschnitte 5 bis 14, die nach dem 1. Januar 2019 realisiert werden sollen, mussten die Kommunen eine Kalkulation vorlegen. Es war Teil der Vereinbarung, dass die Sanierung des Klinikums auch nach dem Übergang der Trägerschaft so finanziert wird, als wäre es ein kommunales Krankenhaus und keine staatliche Uniklinik. Die Gesamtkosten wurden mit 280 Millionen Euro veranschlagt.
Bauherr aber ist dann der Freistaat Bayern, genauer: das Wissenschaftsministerium. Fachlich zuständig ist die Oberste Baubehörde (OBB). Und dort kalkuliert man, wie jetzt bekannt wurde, offenbar anders als in Augsburg – nämlich doppelt so hoch. Wie kommt das? Und wer zahlt das?
Die Reaktionen? Unterschiedlich
Die Reaktionen in Stadt und Landkreis Augsburg fallen unterschiedlich aus. Der frühere CSU-Landtagsabgeordnete Max Strehle, der Jahrzehnte für das Klinikum stritt und immer noch im Verwaltungsrat sitzt, wittert neue Querschüsse. „Da sitzen Leute im Wissenschaftsministerium, die die Uniklinik Augsburg nie haben wollten“, sagt er und argwöhnt, dass versucht werden könnte, den Augsburgern im Nachhinein mehr Kosten aufzubürden oder den Übergang der Trägerschaft weiter hinauszuschieben.
Der Augsburger Oberbürgermeister Kurt Gribl und Landrat Martin Sailer (beide CSU) geben sich deutlich gelassener. Sailer sagt, die Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftsministerium sei „ausgesprochen kooperativ und konstruktiv“. Die Kostensteigerung kommentiert er trocken: „Die Oberste Baubehörde saniert wesentlich aufwendiger und teurer als wir.“
An der Korrektheit der Kostenschätzungen der Kommunen aber hält der Landrat genauso fest wie der Oberbürgermeister. Beide verweisen darauf, dass die bereits erfolgten kommunalen Sanierungsmaßnahmen im Kostenrahmen geblieben seien. Wenn der Staat jetzt mehr und anders saniere, so Gribl, „dann ist das nicht mehr unsere Sache“. Dass Stadt und Landkreis über die getroffene Vereinbarung hinaus noch einmal viele Millionen drauflegen, schließen die Kommunalpolitiker aus. „Mehr geht bei uns nicht“, sagt Gribl.
Ähnlich sieht das auch der SPD-Fraktionschef im Kreistag und Vize-Chef des Haushaltsausschusses im Landtag, Harald Güller. „Doppelt so viel, nur weil der Freistaat baut und plant, das kann nicht sein. So geht es auf keinen Fall“, sagt Güller und geht sogar noch einen Schritt weiter: „Wir bauen da keinen Luxustempel. Das wird weder kommunal finanziert noch aus den Mitteln des Freistaats.“ Zum Hintergrund: Die Haushaltspolitiker im Landtag sind zur Zeit wegen diverser, zum Teil beträchtlicher Kostensteigerungen bei staatlichen Projekten auf die Oberste Baubehörde nicht gut zu sprechen.
Spaenle weist Vorwürfe zurück
Wissenschaftsminister Ludwig Spaenle (CSU) reagiert zurückhaltend. Sein Ministerium verweist lediglich auf den Befund der OBB, wonach die „bisher geschätzten Kosten zu niedrig angesetzt“ seien, „belastbare Bauplanungen“ aber noch nicht vorlägen. Der Vorwurf, dass es Querschüsse gegen das Projekt gebe, treffe nicht zu. „Das Wissenschaftsministerium steht uneingeschränkt zu dem geplanten Uniklinikum und treibt die Umsetzung offensiv voran“, heißt es auf Anfrage unserer Zeitung. Für mögliche Kostensteigerungen sieht Spaenle in seinem Haus keine Verantwortung. Er verlasse sich da, so sagt er auf Nachfrage, „ganz auf die Expertise der Obersten Baubehörde“.
Sorgen über mögliche zusätzliche finanzielle Belastungen muss man sich in Augsburg aber offenbar nicht machen. Entwarnung gibt es von höchster Stelle im Freistaat. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) versichert im Gespräch mit unserer Redaktion: „Wir bleiben bei unserer Linie.“ Sowohl der Zeitplan (Übergang der Trägerschaft zum 1. Januar 2019) als auch die Vereinbarung mit den Kommunen gelten fort. Wenn es wirklich zu Kostensteigerungen komme, müsse das Projekt halt zeitlich gestreckt werden, sagt Seehofer. Sein designierter Nachfolger, Finanzminister Markus Söder, bekräftigt das. „Pacta sunt servanda“, sagt Söder. Verträge müssen gehalten werden.
Auch Innen- und Bauminister Joachim Herrmann steht zur Uniklinik. „Das Projekt als solches steht nicht in Zweifel.“ Die Bauverwaltung nimmt er in Schutz. Sie sei nur dafür zuständig, fachlich umzusetzen, was der Bauherr wolle. Ehe belastbare Kostenschätzungen vorgelegt werden könnten, müsse erst das Wissenschaftsministerium sagen, was es konkret will.
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