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Augsburg: Karussell der Steuerbetrüger: Augsburger Ermittler jagen internationale Bande

Augsburg

Karussell der Steuerbetrüger: Augsburger Ermittler jagen internationale Bande

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    Seit zwei Jahren jagen Augsburger Ermittler eine internationale Bande. Der Schaden für den Fiskus liegt bei über 100 Millionen Euro. Der erste Prozess endete mit Gefängnisstrafen.
    Seit zwei Jahren jagen Augsburger Ermittler eine internationale Bande. Der Schaden für den Fiskus liegt bei über 100 Millionen Euro. Der erste Prozess endete mit Gefängnisstrafen. Foto: Foto: Silvio Wyszengrad

    Nachts vor einem luxuriösen Wohnhaus auf Mallorca: Polizisten mit Helmen und Schutzwesten brechen mit einem Rammbock die Eingangstür auf. Mit gezückten Pistolen stürmen sie ins Haus. Und Sekunden später sieht man einen nur mit Schlafanzughose bekleideten Mann mit gefesselten Händen auf dem Rücken auf dem Sofa sitzen, eine junge Frau huscht durchs Bild.

    Augsburger Staatsanwalt mit Spezialauftrag unterwegs

    Die Szene ist keinem „Tatort“-Krimi entnommen, sondern hat sich tatsächlich so am 4. Oktober dieses Jahres abgespielt. Ein Einsatzfilm der Guardia Civil hat die Situation dokumentiert. Was nicht im Film zu sehen ist: Auch ein Augsburger Staatsanwalt war bei der Razzia dabei anwesend: Marcus Paintinger. Seit zwei Jahren ist der 39-Jährige in Europa mit einem Spezialauftrag unterwegs Er spürt einem grenzüberschreitend aufgezogenen Betrug mit der deutschen Umsatzsteuer nach. Durch Täuschung haben Finanzämter in verschiedenen Bundesländern fälschlich mehr als 100 Millionen Euro an Händler von Elektronikartikeln ausbezahlt. Die Augsburger Staatsanwaltschaft zählt momentan mehr als 170 Tatverdächtige.

    Erster Prozess in Augsburg beendet

    Vor der 10. Strafkammer des Augsburger Landgerichts endete am Mittwoch der erste große Prozess wegen solcher Karussellgeschäfte. Die acht Angeklagten, die seit Ende Juli vor Gericht standen, waren ab 2009 Akteure in einem raffiniert ausgeklügelten System gewesen – als Händler, Geldwäscher und Spediteure. Gegen einen EDV-Händler (42) aus dem westfälischen Bad Oeynhausen sprachen die Richter die höchste Haftstrafe aus. Er muss für sechs Jahre und neun Monate ins Gefängnis. Für andere Angeklagte – unter ihnen ein Belgier, ein Holländer, ein Däne – fielen die Strafen milder aus. Für sie zahlte sich ihr Geständnis aus. Besonders für einen EDV-Kaufmann aus Königsbrunn. Der 50-Jährige war im Juni 2012 auf Mallorca verhaftet worden. Das

    In nur zwei Jahren kassierte er siebeneinhalb Millionen Euro

    Ab 2009 hatte der Angeklagte dem Finanzamt Augsburg-Land immer neue Kaufrechnungen über dieselben Artikel – Spielekonsolen, Mobiltelefone, Computerprozessoren – vorgelegt und sich die 19-prozentige Umsatzsteuer auszahlen lassen. So kassierte der Königsbrunner vom Fiskus in nur zwei Jahren siebeneinhalb Millionen Euro. Genug, um sich ab 2010 mit Freundin und Tochter auf Mallorca ein schönes Leben zu gönnen. Im Sommer 2012 wurde er verhaftet. Seine einträgliche „Hardwarebrokers.de GmbH“, eine vom Wohnzimmertisch aus betriebene Ein-Mann-Firma, hatte er schon verkauft.

    Das brachte dem neuen Besitzer, einem EDV-Händler aus Buchloe (Kreis Ostallgäu), aber kein Glück. Auch er wurde verhaftet und ist angeklagt, mehrere Millionen Steuern ergaunert zu haben. Sein Prozess hat vor einer anderen Wirtschaftsstrafkammer schon begonnen.

    Großes System der Hinterziehung von Umsatzsteuer vorhanden

    Richter Wolfgang Natale sagte, als er das Urteil der 10. Strafkammer verkündete: „Die Verhandlung hat ganz eindeutig und eindrucksvoll gezeigt, es gibt in Deutschland ein groß angelegtes System der Hinterziehung von Umsatzsteuer, das in vielen Fällen vom Ausland aus gesteuert wird.“ Die Organisatoren des Steuerbetrugs werden in Belgien, Holland, England und Spanien vermutet. Sie bestimmten Lieferwege, Preise und Gewinne. Fünf von ihnen sind gerade in

    Ab 2011 hatten Fahnder fast ein Jahr lang Verdächtige beschattet und zehntausende Telefonate abgehört. Probleme bereitete den Ermittlern, dass Händler, auch wenn sie im Internet Absprachen trafen, sich zur Tarnung nur mit Namen wie „Rolex“, „Swatch“, „Blue Horse“ anredeten. Am 14. Juni 2012 war es dennoch so weit: Quer durch Europa durchsuchten Polizisten, Staatsanwälte, Steuerfahnder mehr als 100 Gebäude, 30 Personen wurden festgenommen.

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