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Augsburg: Justizkrimi um Karlheinz Schreiber geht in die nächste Runde

Augsburg

Justizkrimi um Karlheinz Schreiber geht in die nächste Runde

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    Ex-Waffenlobbyist Karlheinz Schreiber steht erneut vor dem Augsburger Landgericht.  Foto: Stefan Puchner/Archiv dpa
    Ex-Waffenlobbyist Karlheinz Schreiber steht erneut vor dem Augsburger Landgericht. Foto: Stefan Puchner/Archiv dpa

    Karlheinz Schreiber hat recht behalten. „Wiederschau’n“, hatte der frühere Waffenlobbyist gesagt, nachdem er am 5. Mai 2010 vom Landgericht Augsburg zu acht Jahren Gefängnis wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden war. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das

    Provisionen für Panzergeschäft mit Saudi-Arabien

    Der Fall Schreiber: eine Chronologie

    Karlheinz Schreiber, eine Hauptfigur im CDU-Spendenskandal, beschäftigt seit 15 Jahren die Justiz. Eine Chronologie des Falles.

    Oktober 1995: Nach der Durchsuchung seines Hauses in Kaufering bei Landsberg setzt sich Schreiber nach Pontresina in der Schweiz ab.

    September 1997: Die Staatsanwaltschaft Augsburg erlässt Haftbefehl wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung.

    März 1999: Schreiber flüchtet mit seinem kanadischen Pass nach Ottawa.

    August 1999: Schreiber wird in Toronto gefasst. Die deutsche Justiz beantragt seine Auslieferung. Gegen eine Kaution von 1,2 Millionen kanadischen Dollar (740 000 Euro) kommt er im September wieder auf freien Fuß.

    März 2000: Die Staatsanwaltschaft Augsburg erhebt Anklage gegen Schreiber wegen Bestechung, Beihilfe zur Untreue, gemeinschaftlichen Betrugs und Steuerhinterziehung. Er soll dem Fiskus rund zehn Millionen Euro vorenthalten haben.

    Januar 2001: Schreiber weigert sich, ohne die Zusicherung eines freien Geleits zum Prozess nach Augsburg zu kommen. Das Landgericht Augsburg trennt sein Verfahren deshalb von anderen ab.

    Mai 2004: Das höchste Gericht der Provinz Ontario ordnet Schreibers Ausweisung an, er geht in Berufung.

    Juni 2004: Schreiber wird nach kurzer Auslieferungshaft erneut gegen die schon 1999 hinterlegte Millionenkaution freigelassen.

    Juli 2005: Der deutsche Bundesrat beschließt eine Verschärfung der Verjährungsregeln («Lex Schreiber»). Danach ruht die Verjährung von Straftaten, solange sich der Beschuldigte im Ausland aufhält und die deutschen Behörden seine Auslieferung betreiben.

    Februar 2007: Das oberste kanadische Gericht weist Schreibers Einspruch gegen seine Überstellung nach Deutschland ab.

    Juni 2007: Schreiber verklagt Kanada vor einem Bundesgericht in Halifax (Provinz Neuschottland) wegen angeblicher «Rechtsbrüche» auf Schadenersatz von 35 Millionen Dollar. Der Richter weist die Klage ab.

    November 2007: Das Berufungsgericht von Ontario gibt grünes Licht für Schreibers Auslieferung. Schreiber beantragt ein Berufungsverfahren - sein dritter Gang zum Supreme Court. Das Berufungsgericht von Ontario setzt die Auslieferung bis zum Votum des Obersten Gerichtshofs aus.

    Dezember 2007: Schreiber, seit 4. Oktober in Abschiebehaft, wird gegen die inzwischen auf 1,31 Millionen kanadische Dollar erhöhte Kaution vorerst wieder auf freien Fuß gesetzt.

    August 2008: Das Berufungsgericht von Ontario verwirft den vierten Antrag Schreibers gegen seine Auslieferung.

    August 2009: Nach einer letzten Niederlage vor Gericht wird Schreiber nach Deutschland geflogen.

    18. Januar 2010: Vor dem Landgericht Augsburg beginnt das Verfahren gegen Schreiber. Den Vorwurf der Bestechung hat das Gericht wegen Verjährung allerdings aus dem Haftbefehl genommen.

    Mai 2010: Karlheinz Schreiber wird wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Das ist eine der höchsten Strafen, die je in Deutschland für dieses Delikt ausgesprochen wurden.

    September 2011: Der Bundesgerichtshof (BGH) hebt das Schreiber-Urteil des Augsburger Landgerichts in Teilen auf. Der Fall muss neu verhandelt werden.

    Mai 2012: Schreiber wird aus der Haft entlassen. Grund dafür ist sein Gesundheitszustand. Anfang März erlitt der 78-Jährige in U-Haft einen Herzinfarkt.

    September 2012: In Augsburg beginnt der Revisionsprozess gegen Schreiber.

    Oktober 2013: Die Staatsanwaltschaft plädiert für zehn Jahre Haft.

    November 2013: Schreiber wird zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt.

    Das „Klassentreffen“ wird zugleich eine Zeitreise in die Bundesrepublik der 80er und 90er Jahre, als Helmut Kohl und – bis zu seinem Tod 1988 – Franz Josef Strauß prägende Politiker waren. Es wird um Flugzeug- und Panzergeschäfte mit Thailand, Kanada und Saudi-Arabien gehen, die Schreiber vermittelt und dafür hohe Provisionen kassiert hat. Und es geht vor allem um zwei juristische Fragen. Die Richterinnen – die 10. Strafkammer ist mit drei Frauen besetzt – müssen im neuen Prozess prüfen, ob Schreiber zur Tatzeit zwischen 1988 und 1993 in Kanada oder in Deutschland steuerpflichtig war. Zudem muss das Gericht klären, ob der Vorwurf der Bestechung des damaligen Rüstungsstaatssekretärs Ludwig-Holger Pfahls tatsächlich verjährt ist, wie die Augsburger Kollegen vor gut zwei Jahren argumentierten.  Bislang sind für den

    Auch Pfahls soll in den Zeugenstand

    Christian Wulffs Kredit-Affäre und der legendäre Anruf: Bundespräsident Wulff gerät wegen eines verheimlichten Privatkredits Ende 2011 in die Schlagzeilen. Anfang 2012 wird bekannt, dass Wulff mehrere Reportern mit "Krieg" gedroht habe, sollten sie über die Affäre berichten. Sein wütender Anruf bei Bild-Chaf Kai Diekmann wurde nicht nur zum Politikum, sondern auch zum Ziel von Häme und Spott.
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    Für den 22. Oktober ist die Zeugenaussage von Ludwig-Holger Pfahls geplant. Pfahls hatte in seinem Prozess gestanden, von Schreiber Schmiergeld erhalten zu haben. Er wurde 2005 wegen Vorteilsannahme zu zwei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Im November 2011 kassierte er dann noch eine viereinhalbjährige Haftstrafe wegen betrügerischen Bankrotts. Pfahls, 69, hatte sich als mittellos dargestellt, obwohl er vermögend war. Auch die Aussage zweier ehemaliger Thyssen-Manager ist im Oktober vorgesehen. Sie hatten ebenfalls von Schreiber Schmiergeld kassiert und wurden verurteilt. Das Revisionsverfahren ist für den früheren Lobbyisten ein zweischneidiges Schwert. Am Ende könnte eine noch höhere Haftstrafe stehen. Wenn die Bestechung des damaligen Rüstungsstaatssekretärs Ludwig-Holger Pfahls (CSU) nicht als verjährt angesehen wird, könnten einige Jahre hinzukommen. Die Richter waren 2010 von der bislang gültigen Rechtsprechung ausgegangen, dass eine Bestechung dann endet, wenn der Bestochene aus dem Amt scheidet. Dies war bei Pfahls 1992 der Fall und das Delikt damit zehn Jahre später verjährt. Der Vorsitzende

    Eine Kernfrage: Musste Schreiber in Deutschland Steuern zahlen?

    Von Kiep bis Strauß: Urteile in der Schreiber-Affäre

    Walther Leisler Kiep hatte als CDU-Schatzmeister von Karlheinz Schreiber eine Million Mark als Parteispende entgegengenommen. Er wurde zu einer Geldstrafe verurteilt.

    Die Thyssen-Manager Jürgen Maßmann und Winfried Haastert hatten von Schreiber Schmiergeld kassiert und erhielten Bewährungsstrafen von 24 und 20 Monaten.

    Ludwig-Holger Pfahls: Der Ex-Rüstungsstaatssekretär hat sich von Schreiber mit 3,8 Millionen Mark schmieren lassen. Er wurde zu 27 Monaten Haft verurteilt.

    Max Strauß: Der Politikersohn erhielt 2004 wegen Steuerhinterziehung eine Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Nach der Revision wurde Strauß freigesprochen.

    Dieter Holzer wurde 2008 wegen Fluchthilfe für Pfahls zu neun Monaten Bewährungsstrafe verurteilt.

    Karlheinz Schreiber wurde 2010 wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe zu acht Jahren Gefängnis verurteilt.

    Ein weiteres Mal wurde Ludwig-Holger Pfahls im November 2011 verurteilt. Wegen Bankrotts und Steuerhinterziehung muss der frühere Spitzenpolitiker für viereinhalb Jahre ins Gefängnis.

    Dieter Holzer wurde im November 2011 verurteilt, weil er Pfahls nach Ansicht des Landgerichts Augsburg bei der Steuerhinterziehung half. Aufgrund seiner zwei offenen Bewährungen lautete das Urteil auf dreieinhalb Jahre Haft.

    Karlheinz Schreiber wird 2013 im Revisionsverfahren wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

    Auch die von Schreiber erzwungene Beweisaufnahme zur Frage, ob er zur Tatzeit in Kanada seinen Lebensmittelpunkt hatte und dort Steuern hätte zahlen müssen, könnte ein Pyrrhussieg sein. Die Anwälte hatten erklärt, dass Schreiber seinerzeit hauptsächlich in Kanada lebte. Damit seien die kanadischen Steuerbehörden zuständig. Dieses Argument hatten die Augsburger Richter nach Ansicht des BGH ohne hinreichende Gründe verworfen.

    Deshalb muss dieser Punkt jetzt genau geprüft werden. Der 1. Strafsenat ließ durchblicken, er halte es für wenig wahrscheinlich, dass Schreiber zur Tatzeit als Kanadier zu gelten hat. Als wichtiges Indiz wertete Armin Nack, dass Schreiber in Kanada keine Steuern gezahlt habe und die Kanadier auch keine Steuern von ihm haben wollten. Eine Schlüsselrolle wird Schreibers Gesundheitszustand spielen. Der 78-Jährige hatte Anfang März im Gefängnis einen Herzinfarkt erlitten. Der Haftbefehl wurde daher außer Vollzug gesetzt. Seitdem steht Schreiber in seinem Heimatort Kaufering (Landkreis Landsberg) unter Hausarrest. Die Verhandlungsdauer wird wegen Schreibers angeschlagener Gesundheit auf vier Stunden pro Prozesstag begrenzt.

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