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Augsburg: Familie der toten Ursula: Die Zweifel bleiben

Augsburg

Familie der toten Ursula: Die Zweifel bleiben

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    Werner Mazurek.
    Werner Mazurek. Foto: Fred Schöllhorn

    Einer der spektakulärsten Indizienprozesse in der bayerischen Justizgeschichte ist beendet: Am Donnerstagmorgen ist Werner Mazurek vor dem Augsburger Landgericht zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Wegen erpresserischen Menschenraubs mit Todesfolge. Sein Opfer: Ursula Herrmann.

    Das kleine Mädchen war im Sommer 1981 am Ammersee entführt worden, in eine Kiste gepfercht und dort erstickt. Michael Herrmann, der Bruder von Ursula, zeigte nach der Verurteilung des Peinigers seiner Schwester weder Erleichterung noch Genugtuung.

    "Wir haben von dem Gericht keine Gerechtigkeit erwartet und erhofft", reagierte er zurückhaltend. "Ich bin froh dass der Prozess vorbei ist, aber die Zweifel, die wir von Anfang an hatten, sind nicht zerstreut worden", sagte er im Namen seiner Eltern, die dem Verfahren fern geblieben waren.

    Mehr als 28 Jahre nach der Entführung hat das Landgericht Augsburg den 59 Jahre alten Angeklagten in einem spektakulären Indizienprozess verurteilt. Für das Gericht stand fest, dass dieser Mann das Mädchen entführte, sie in eine Kiste sperrte und in einem Wald verbuddelte. Eine Stunde später war das Mädchen tot, lebendig begraben, erstickt.

    Ursulas Mutter ist gesundheitlich angeschlagen

    Der Prozess sei zwar mit einem juristischen Urteil zu Ende gegangen, "doch es ist keine Klärung erfolgt, wie es damals tatsächlich gewesen ist und wer die Mittäter sind", sagte Michael Herrmann.

    Ursulas Mutter leidet bis heute schwer unter dem Verlust ihrer Tochter und ist gesundheitlich angeschlagen. Sohn Michael sagte, er sei in einigen Punkten zu einer anderen Bewertung der Tat gekommen als das Gericht.

    Der hünenhafte Angeklagte mit mächtigem Vollbart nahm die Verurteilung regungslos zur Kenntnis. Zuvor begrüßte er kurz mit einem Küsschen seine mitangeklagte Ehefrau, die wegen mangelnder Beweise frei gesprochen wurde. Während der Urteilsbegründung schrieb der Fernsehtechniker wie ein Protokollant fast ununterbrochen mit. Er beteuerte bis zuletzt seine Unschuld.

    Nach dem Urteil sagte Mazurek auf die Frage, ob er schuldig sei: "Natürlich nicht. Finden Sie den Händler in Beverungen." Er spielte damit auf einen unbekannten Händler an, der ihm angeblich ein Tonbandgerät verkauft hatte. Das Gerät war in Mazureks Wohnung gefunden worden und stellte das Hauptbeweismittel der Staatsanwaltschaft dar.

    Gigantische Ermittlungsunterlagen

    "Selbstverständlich gehen wir in Revision. Unsere Erfolgschance liegt allerdings bei einem Prozent", meinte Mazureks Verteidiger Walter Rubach. Augsburgs Leitender Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz war zufrieden. "Das Gericht hat die komplexe Beweisaufnahme mit großer Sorgfalt durchgeführt, der Schuldspruch 'lebenslänglich' war zwangsläufig", sagte er nach der Urteilsbegründung. Für die Anklage sei das Urteil eine "große Genugtuung".

    Der Hartnäckigkeit und Beharrlichkeit der Oberstaatsanwältin Brigitta Baur sei es maßgeblich zu verdanken, dass es fast drei Jahrzehnte nach dem Verbrechen zu einer Verurteilung gekommen sei. Ein so großes, langes, umfangreiches Schwurgerichtsverfahren habe er noch nie erlebt.

    Das Landgericht Augsburg hat unter dem Vorsitzenden Wolfgang Rothermel eine wahre Herkules-Arbeit bewältigt. An 55 Verhandlungstagen waren seit Februar 2009 fast 200 Zeugen und elf Sachverständige gehört worden. Die Prozessunterlagen umfassen rund 90.000 Blatt in 400 prall gefüllten Aktenordnern.

    Nah dran am "perfekten Verbrechen"

    Rund 15.000 Spuren waren nach der Entführung ausgewertet worden. Es gab Festnahmen, Telefonüberwachungen, verdeckte Ermittler und endlose Verhöre von Verdächtigen. Darunter war auch der jetzt Verurteilte, doch damals reichten die Beweise für eine Anklage nicht aus. Die Tat war "nahe am perfekten Verbrechen, sorgfältig und lange geplant", sagt Rothermel in seiner Urteilsbegründung. "Ursula war kein Zufallsopfer."

    Der Verurteilte wird mit Handschellen zu einer langen Haftstrafe aus dem Saal geführt. Nebenklagevertreterin Marion Zech hatte sich mit Strafforderungen zurückgehalten. Denn Ursulas Eltern hatten bis zuletzt Zweifel an der Schuld des Angeklagten überzeugt. "Es ist ein gut begründetes Urteil", sagte sie. (mit dpa)

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