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Augsburg: Eiszeit im Inhofer-Prozess

Augsburg

Eiszeit im Inhofer-Prozess

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    Vor der 10. Strafkammer des Landgerichts in Augsburg müssen sich die Kaufmänner August, Edgar und Karl Inhofer sowie Dr. Peter Schorr verantworten.
    Vor der 10. Strafkammer des Landgerichts in Augsburg müssen sich die Kaufmänner August, Edgar und Karl Inhofer sowie Dr. Peter Schorr verantworten. Foto: Bernhard Weizenegger, Archiv

    Es gehört zu den Gepflogenheiten des Strafprozesses, dass sich Staatsanwaltschaft und Verteidigung in die Haare geraten. Das liegt in der Natur der Sache, da die beiden Seiten genau gegensätzliche Interessen vertreten. Nur selten passiert es, dass das Gericht und die Staatsanwälte streiten. Eine absolute Ausnahme aber ist es, wenn es zu einem offenen Zerwürfnis zwischen Richtern und Anklägern kommt. Genau dies aber ist am Donnerstag im Prozess gegen die Chefs des Möbelhauses Inhofer geschehen. Ein weiteres Kapitel in diesem an Merkwürdigkeiten nicht armen Verfahren.

    Es ist 10.20 Uhr, als die Luft im Gerichtssaal 101 zu brennen beginnt. Der Vorsitzende Richter Wolfgang Natale berichtet gerade von gescheiterten Gesprächen über einen sogenannten Deal, als ihn Staatsanwalt Karl Pobuda unterbrechen will. Natale fährt den Ankläger in scharfem Ton an: „Nein, jetzt nicht! Sie sind später dran.“ Von diesem Moment an ist klar, dass irgendetwas zwischen Staatsanwaltschaft und der 10. Strafkammer des Augsburger Landgerichts nicht stimmt.

    Worum es geht, wird wenige Minuten später deutlich. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Gericht Rechtsbruch vor. Die Richter sollen in den Deal-Gesprächen den Verteidigern „einseitige Versprechen“ gemacht haben, wie es Karl Pobuda ausdrückt. Und das, obwohl eine Verfahrensabsprache am heftigen Widerstand der Staatsanwälte gescheitert ist. Natale rollt die Augen und lässt wissen: „Jeder darf sagen, was er will.“

    Der Hintergrund: In dem Prozess gegen die Inhofer-Führungsriege geht es um den Betrug von Sozialabgaben und Steuerhinterziehung. Inhofer soll 49 Scheinselbstständige beschäftigt haben. Doch so klar, wie es in der Anklage beschrieben ist, stellt sich der Fall nicht dar. Das Gericht hat daher schon mehrfach darauf hingewiesen, dass es die

    Doch die Staatsanwaltschaft schaltet auf stur. In den Sondierungsgesprächen am Dienstagnachmittag hat das Gericht dann durchblicken lassen, dass es sich unter bestimmten Umständen Bewährungsstrafen und hohe Geldstrafen vorstellen könne. Es ist das erklärte Ziel der Verteidiger, die vier Angeklagten August, Karl und Edgar Inhofer sowie Peter Schorr vor einer Gefängnisstrafe zu bewahren. Die Anklagebehörde war jedoch mit dem Verlauf des Gesprächs derart unzufrieden, dass sie danach eine schriftliche Stellungnahme fertigte, in der sie eine Verständigung kategorisch ausschließt. Vor allem den operativen Möbelhaus-Geschäftsführer Edgar Inhofer wollen die Ankläger unbedingt hinter Gittern sehen.

    Eine vergiftete Atmosphäre

    Offenbar ist auch das Gericht erstaunt über so viel Verfolgungseifer. Richter Natale weist die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft aufs Schärfste zurück, die Atmosphäre zwischen Gericht und Staatsanwälten ist vergiftet.

    Höchst irritiert zeigen sich viele, als Staatsanwalt Pobuda einen Beschluss des Oberlandesgerichts München aus dem September 2014 zitiert, der nach der Meinung der Anwälte und anderer erfahrener Juristen „null komma nichts“ mit dem Fall Inhofer zu tun hat.

    Die Staatsanwaltschaft setzt also ihre sehr harte Linie gegen die Familie Inhofer fort, die sie mit der Inhaftierung Edgar Inhofers und Peter Schorrs im Dezember 2012 begonnen hat. Bleibt die Frage, warum die Staatsanwälte so hart einsteigen? Edgar Inhofers Verteidiger Walter Rubach sagt: „Man könnte den Eindruck gewinnen, dass die Staatsanwaltschaft die notwendige Distanz zur Sache und zu den Prozessbeteiligten zu verlieren droht.“

    Die Frage nach dem Warum steht umso mehr im Raum, als ein Argument der Ankläger widerlegt ist: Dass Bewährungsstrafen nicht infrage kommen, weil in vergleichbaren Fällen härtere Urteile ergangen seien. Es ist nämlich zumindest ein Fall eines Unternehmens aus dem Großraum Augsburg verbürgt, in dem die Anklagebehörde deutlich mehr Milde hat walten lassen. Obwohl der Sozialversicherungsschaden und der Zeitraum der Taten vergleichbar mit dem Fall Inhofer waren, hat die Staatsanwaltschaft dieses Verfahren im Herbst 2010 sogar eingestellt – gegen eine Geldbuße in hohem sechsstelligen Bereich.

    Die Angeklagten können sich das Scharmützel zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht in Ruhe ansehen. Das Gericht hat ihnen gute Chancen in Aussicht gestellt, mit Bewährungs- oder Geldstrafen davonzukommen. Eine Grundvoraussetzung dafür haben die Inhofers am Donnerstag erfüllt. Sie haben über ihre Verteidiger ein Geständnis abgelegt.

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