Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Augsburg: Dr. Schottdorf verteidigt sein Labor-Imperium

Augsburg

Dr. Schottdorf verteidigt sein Labor-Imperium

    • |
    Der Augsburger Labormediziner Bernd Schottdorf (Mitte) steht wieder einmal vor Gericht. Angeklagt ist auch seine Ehefrau Gabriele (rechts).
    Der Augsburger Labormediziner Bernd Schottdorf (Mitte) steht wieder einmal vor Gericht. Angeklagt ist auch seine Ehefrau Gabriele (rechts). Foto: Ulrich Wagner

    Das Leben des Dr. Bernd Schottdorf wäre wohl anders verlaufen, wäre er als junger Medizinstudent nicht per Anhalter gefahren. Schottdorf, 75, wäre kein Multimillionär mit eigenem Schloss. Und er säße jetzt nicht auf der Anklagebank im Augsburger Landgericht. Ein französischer Chirurg nimmt Schottdorf damals, 1960, auf dem Heimweg von Marokko in seinem Auto mit. Der Franzose sagt einen Satz, der für den Studenten im zweiten Semester prägend sein wird: „Die Zukunft der Medizin ist die Biochemie.“

    Bernd Schottdorf beschäftigt sich fortan intensiv mit Labormedizin. Und er baut in den Jahrzehnten danach von Augsburg aus ein Labor-Imperium mit weit über 1000 Mitarbeitern auf, das Konkurrenten das Leben schwer und ihn selbst reich macht. Schottdorf lotet immer wieder die Grenzen des Abrechnungssystems aus und gerät deshalb mehrfach ins Visier der Staatsanwaltschaft – bis heute.

    Es geht um Laborleistungen von fast 79 Millionen Euro

    Seit Montag stehen Bernd Schottdorf und seine Frau Gabriele, 61, vor Gericht, weil die Anklage ihnen 124 Fälle des Betrugs vorwirft. Es geht um Laborleistungen in einem Umfang von fast 79 Millionen Euro. Schottdorfs Laborfirma Syscomp soll dabei rund zwölf Millionen Euro zu viel von den gesetzlichen Krankenkassen kassiert haben. Sollten die Eheleute deshalb verurteilt werden, dann drohen ihnen Haftstrafen.

    Um 8.45 Uhr betritt das Ehepaar das Gerichtsgebäude durch den Vordereingang. Einen Versuch, unerkannt in den Sitzungssaal zu kommen, unternehmen die Schottdorfs nicht. Bernd Schottdorf ist komplett in Schwarz gekleidet. Seine schlohweißen Haare bilden einen harten Kontrast zur Kleidung. Er geht direkt hinein ins Blitzlichtgewitter und bleibt erst einen halben Meter vor den Kameras stehen. Der umstrittene Laborarzt wirkt angespannt, aber nicht ängstlich.

    Kurz darauf, im großen Gerichtssaal, macht er deutlich, was er von der Anklage hält. Die Vorwürfe gegen ihn seien falsch, beginnt er seine Verteidigungsrede. „Es gibt keine Tat, es gibt keinen Schaden, es gibt kein Motiv.“ Die führenden Köpfe der Augsburger Justiz sind da, um ihm zuzuhören. Gerichtspräsident Herbert Veh und Rolf Werlitz, Leitender Oberstaatsanwalt, sitzen unter den Zuhörern, daneben Pressesprecher von Gericht und Staatsanwaltschaft. Das Verfahren hat besondere Brisanz. Ein Untersuchungsausschuss des Landtags befasst sich seit Monaten mit der Frage, ob Schottdorf von der Augsburger Justiz in der Vergangenheit geschont wurde. In einem anderen Fall hatte die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen Betrugs eingestellt. Die Opposition vermutet eine Beeinflussung der Justiz durch die Politik.

    Bernd Schottdorf bestreitet Vorwürfe vehement

    Schottdorf selbst sieht das anders. Er fühlt sich zu Unrecht seit Jahrzehnten von Ermittlungsbehörden verfolgt. Zweimal stand er schon wegen Betrugsvorwürfen vor Gericht – einmal wurde das Verfahren eingestellt, einmal gab es einen Freispruch. Im neuen Prozess geht es um den Vorwurf, die Schottdorfs hätten von 2004 bis 2007 Aufträge an fünf Partnerlabore in anderen Bundesländern verteilt. Eigentlich müssen Laborärzte den Krankenkassen ab einem gewissen Auftragsvolumen Rabatte einräumen. Um dies zu vermeiden, sollen laut Anklage Analysen über scheinselbstständige Ärzte abgewickelt worden sein.

    Den Vorwurf bestreitet Schottdorf vehement. Er habe, wie andere Firmen es auch tun, wachsen wollen. Es sei um eine „bundesweite Präsenz“ gegangen und nicht darum, irgendwelche Rabatte zu umgehen. Im Gegenteil: Die von ihm angestoßene Industrialisierung in der Labormedizin habe dazu geführt, dass im Gesundheitssystem Milliarden eingespart wurden.

    Susanne Riedel-Mitterwieser, die Vorsitzende Richterin der 9. Strafkammer, fragt mehrfach nach, wer ihn beim Aufbau seiner Labor-Gruppe beraten habe. Schottdorf nennt die Namen von renommierten Anwälten, Professoren für Straf- und Medizinrecht. Er sei davon ausgegangen, dass alles rechtens ist, so Schottdorf, mit Details habe er sich nie befasst. Das könnte zur entscheidenden Frage in dem Prozess werden: Trägt Schottdorf überhaupt eine Verantwortung für das, was ihm die Anklageschrift vorwirft? Reichte es nicht aus, dass er sich von hochkarätigen Experten das Okay geben ließ?

    Die Antwort auf diese Frage wird auf sich warten lassen. 23 Verhandlungstage sind für den Prozess angesetzt. Gabriele Schottdorf hat zum Auftakt noch nichts gesagt. Sie will ihre Erklärung morgen abgeben.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden