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Foto: Alexei Nikolsky, dpa
Foto: Alexei Nikolsky, dpa

In Putins Visier: Der Agentenführer des mutmaßlichen russischen Spions an der Augsburger Uni ist ein Mitarbeiter des russischen Generalkonsulats in München. Er hat einen Diplomatenpass und kann daher von deutschen Ermittlern nicht belangt werden.

Augsburg
25.06.2021

Diebesgrüße aus Moskau - Spion an der Uni handelte in hohem Auftrag

Von Holger Sabinsky-Wolf

Der Spion an der Augsburger Uni ist offenbar direkt vom russischen Generalkonsulat in München aus gesteuert worden. Die Bundesregierung ist über diese Dreistigkeit tief verärgert.

Es ist Freitag, der 18. Juni, als der mutmaßliche russische Spion Ilnur N. sich in Augsburg mit seinem Agentenführer trifft, um neueste Informationen auszutauschen. Doch die konspirative Zusammenkunft wird jäh unterbrochen. Staatsschutzbeamte des Landeskriminalamts kommen hereingestürmt. Sie haben einen Haftbefehl des Generalbundesanwalts gegen den 29-jährigen Studenten dabei. Ilnur N. wird festgenommen. Er soll für einen russischen Auslandsgeheimdienst an der Augsburger Universität interessante Forschungsergebnisse ausspioniert haben. Aber was ist mit dem zweiten Mann?

Der Führungsoffizier des mutmaßlichen Spions kann von den deutschen Ermittlern nicht festgenommen werden. Nach Recherchen unserer Redaktion wies er sich mit einem Diplomatenpass aus. Er arbeitet im russischen Generalkonsulat in München. Durch den Diplomatenstatus ist er dem Zugriff deutscher Ermittler entzogen.

Spion an Uni Augsburg: Bundesregierung ist verärgert über Dreistigkeit des russischen Generalkonsulats

Dieser Umstand bringt zusätzliche Brisanz in den Fall. Die Bundesregierung ist offenbar sauer über den neuen Verdacht von russischer Spionage in Deutschland. Besonders verärgert Regierungsmitglieder die Dreistigkeit, dass Ilnur N.’s Agententätigkeit an der Uni Augsburg einfach direkt aus dem Generalkonsulat gesteuert wurde.

Der mutmaßliche Spion wurde nach seiner Festnahme zuerst nach Karlsruhe gebracht, wo ihm der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs den Haftbefehl eröffnete. N. steht demnach unter Verdacht, spätestens seit Oktober 2020 für einen russischen Geheimdienst gearbeitet zu haben. Er soll sich in dieser Zeit dreimal mit seinem Agentenführer getroffen und mindestens zweimal Informationen geliefert haben. Er erhielt dafür Bargeld. Nach der Haftbefehlseröffnung wurde Ilnur N. in die JVA Augsburg-Gablingen gebracht, wo er seither in Untersuchungshaft sitzt. Auf geheimdienstliche Agententätigkeit stehen in normalen Fällen bis zu fünf Jahre Haft.

Inzwischen ist das Kanzleramt mit der russischen Spionage-Aktion an der Uni Augsburg betraut

In Berlin wird derweil heiß diskutiert, wie mit diesem neuerlichen Fall russischer Spionage umzugehen ist. Aus dem Auswärtigen Amt heißt es auf Anfrage unserer Redaktion: „Dem Auswärtigen Amt ist der Vorfall bekannt. Das Auswärtige Amt geht natürlich jedem Hinweis auf eine Verletzung des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen nach.“ Dieses Abkommen ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der die diplomatischen Beziehungen zwischen Staaten regelt. Theoretisch besteht in solchen Fällen die Möglichkeit, den betroffenen russischen Diplomaten zur unerwünschten Person zu erklären oder den russischen Botschafter ins Auswärtige Amt einzubestellen. Beide Optionen wurden diskutiert, aber nicht gezogen. Nach Informationen unserer Redaktion hat inzwischen das Kanzleramt die Angelegenheit an sich gezogen.

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Dass bislang noch keine Konsequenzen gezogen wurden, liegt auch daran, dass vieles in dem Fall noch unklar ist. So muss erst noch ermittelt werden, was genau Ilnur N. an der Augsburger Universität ausspioniert hat. Der junge Russe war bis 2014 an einer Moskauer Uni. Danach erwarb er einen Master in Materialwissenschaften an der Universität Augsburg – und absolvierte ein Praktikum beim Fraunhofer Institut.

Die Stimmung zwischen Berlin und Moskau ist nach Spionage an der Uni auf einem Tiefpunkt

Seit April 2018 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich des Instituts für Materials Ressource Management tätig, dort in einem Forschungsfeld, das sich mit innovativen Faserverbund-Werkstoffen beschäftigt. Diese sind vielfältig in der Industrie einsetzbar, etwa für den Bau von Autos und Flugzeugen. Der Doktorand soll an einem Forschungsprojekt im Bereich der Raumfahrt mitgewirkt haben.

Die Beziehungen zwischen Berlin und Moskau sind – auch wegen der Geheimdiensttätigkeiten Russlands – derzeit auf einem Tiefpunkt. Erst im Februar hatte die Bundesanwaltschaft einen Deutschen angeklagt, der 2017 sensible Informationen über Bundestagsgebäude an den russischen Geheimdienst verraten haben soll. Die Spionage in Deutschland hat nach Auffassung des Bundesamts für Verfassungsschutz mindestens das Niveau des Kalten Krieges erreicht.

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