Im Augsburger Polizistenmord-Prozess steht ab Dienstag die mit Spannung erwartete Aufarbeitung der Waffen-Gutachten an. An mehreren Verhandlungstagen wird sich das Schwurgericht mit allen erdenklichen Fragen rund um das Thema Waffen und Schüsse beschäftigen. Sachverständige des Bundes- und Landeskriminalamts werden dazu Gutachten vortragen. Auch eine dreidimensionale Animation des Geschehens in der Mordnacht wird gezeigt. Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Polizistenmord-Prozess: Waffen-Gutachten soll Tathergang zeigen
Welche Waffen verwendeten die Polizistenmörder?
Der Polizeibeamte Mathias Vieth wurde mit Schüssen aus einer Pistole der Marke FEG und einem Kalaschnikow-Schnellfeuergewehr getötet. Zudem wurde aus einer zweiten Kalaschnikow geschossen. Am Tatort fand die Polizei eine weitere Pistole der Marke Tokarev, aus der aber in der Mordnacht nicht geschossen wurde. Das haben die Untersuchungen ergeben. Insgesamt hatten Vieths Mörder also zwei Kalaschnikows und zwei Pistolen dabei.
Wie lief das Feuergefecht ab?
Innerhalb von kürzester Zeit fielen fast 40 Schüsse im Augsburger Siebentischwald. Die Ermittler gehen davon aus, dass Vieth zunächst von Pistolenschüssen aus der FEG zu Boden gestreckt worden ist. Dann muss einer der Täter nach dem Schussbild am Tatort von der Kopfseite her aus einer Entfernung von etwa eineinhalb Metern auf den am Boden liegenden Polizisten eine Salve aus der Kalaschnikow abgefeuert haben. Vieths Streifenkollegin gab ebenfalls drei Schüsse in Richtung Täter ab.
"Polizistenmord glich einer Hinrichtung"
Was zeigt der 3-D-Film?
Der Film zeigt natürlich nicht, wer geschossen hat. Er ist kein Beweis gegen die Angeklagten Raimund M. und Rudi R. Der Film macht vielmehr das Geschehen in der Nacht zum 28. Oktober 2011 auf eine erschreckend nüchterne Weise plastisch. In der aufwendigen Animation ist zu sehen, wie Mathias Vieth aus dem Streifenwagen aussteigt, erst Schutz hinter einem Baum sucht und sich dann – selbst feuernd – auf die Täter zu bewegt. Akribisch haben die Spezialisten des Landeskriminalamts (LKA) alle verfügbaren Spuren und Daten am Tatort mithilfe eines 3-D-Scanners verarbeitet. Jeder einzelne Schuss ist ebenso dokumentiert wie Entfernungen, Bäume und Laufwege. Wenn der Sachverständige diese Woche die Animation zeigt, wird es auch um die Frage gehen, ob ein Täter geschossen hat oder zwei Täter geschossen haben.
Welche Waffen wurden bei Rudi R. und Raimund M. gefunden?
Die Kripo stellte in mehreren Verstecken der beiden Angeklagten ein ganzes Waffenarsenal sicher. Neben drei Kalaschnikow-Gewehren auch eine Vielzahl von Revolvern und Pistolen, darunter zwei der Marke FEG. Auch acht funktionsfähige Handgranaten wurden gefunden.
Waren unter den sichergestellten Waffen die Tatwaffen?
Jein. Eine „Smoking Gun“ – also die eine, gesicherte Tatwaffe – gibt es nicht. Nach bisherigen Erkenntnissen sollen unter den Waffen, die bei den Angeklagten gefunden wurden, Teile der Tatwaffen sein. Die Untersuchungen von Bundes- und Landeskriminalamt lassen Raum für die Vermutung, dass die sichergestellten Kalaschnikow-Gewehre auseinandergenommen und in anderer Kombination neu zusammengesetzt wurden. In der umfangreichen Telefonüberwachung der beiden Brüder gibt es angeblich eine Sequenz, in der sich Rudi R. und Raimund M. über die Reihenfolge der Bolzen der Kalaschnikows unterhalten.
Gibt es DNA-Spuren an den Waffen?
Der Mord am Augsburger Polizisten Mathias Vieth
Der Augsburger Polizeibeamte Mathias Vieth wird am frühen Morgen des 28. Oktober 2011 im Augsburger Siebentischwald von unbekannten Tätern erschossen.
Der Streifenbeamte und seine Kollegin wollen an diesem Freitagmorgen gegen drei Uhr auf einem Parkplatz am Augsburger Kuhsee ein Motorrad mit zwei Männern kontrollieren.
Die beiden Verdächtigen flüchten sofort in den nahen Siebentischwald, die Beamten nehmen mit ihrem Streifenwagen die Verfolgung auf.
Im Wald stürzen die Motorradfahrer. Dann kommt es zu einem Schusswechsel zwischen Beamten und Tätern. Der 41-jährige Polizeibeamte wird trotz Schutzweste tödlich am Hals getroffen, seine Kollegin durch einen Schuss an der Hüfte verletzt.
Die Täter flüchten. Eine anschließende Großfahndung, an der sich mehrere hundert Polizeibeamte beteiligen, bleibt ohne Erfolg.
Die Augsburger Polizei richtet noch am gleichen Tag eine Sonderkommission ein. Der Soko "Spickel", benannt nach dem Augsburger Stadtteil, in dem die Tat geschah, gehören zunächst 40 Beamte an.
Zwei Tage nach dem Polizistenmord geben die Ermittler bekannt, dass das Motorrad der beiden Täter in der Nacht vom 10. auf den 11. Oktober 2011 im Stadtgebiet von Ingolstadt gestohlen worden war. Dabei wurde die rund 15 Jahre alte Honda kurzgeschlossen.
Drei Tage nach dem tödlichen Schusswechsel rückt die Polizei erneut mit einem Großaufgebot im Augsburger Spickel an. Taucher von Polizei und Feuerwehr suchen in den Kanustrecken des Eiskanals nach Gegenständen.
Am 3. November wird Mathias Vieth bestattet. Am gleichen Tag stockt die Polizei die Soko "Spickel" auf 50 Beamte auf. Zugleich wird die Belohnung, die zur Aufklärung des Polizistenmordes ausgesetzt ist, auf 10.000 Euro erhöht.
Ein Abgleich von DNA-Spuren, die am Tatort gesichert werden konnten, mit der bundesweiten DNA-Datenbank ergibt laut Polizei keinen Treffer.
Am 7. November findet im Augsburger Dom die offizielle Trauerfeier für Mathias Vieth statt. Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann nimmt an ihr teilt.
Zehn Tage nach dem Augsburger Polizistenmord greift die Sendung "Aktenzeichen XY" den Fall auf. Zwar gehen daraufhin mehrere Hinweise ein, eine heiße Spur ist aber nicht darunter.
Dezember 2011: Die Belohnung für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen, wird auf insgesamt 100.000 Euro erhöht.
Am 29. Dezember 2011 nimmt die Polizei in Augsburg und Friedberg zwei Verdächtige fest. Es handelt sich um die Brüder Rudi R. (56) und Raimund M. (58). Schnell wird bekannt: Der Jüngere hat bereits 1975 einen Augsburger Polizisten erschossen.
Nach der Festnahme entdecken die Fahnder etliche Waffen und auch Sprengstoff. Belastet wird einer der Verdächtigen durch DNA-Spuren, die am Tatort gefunden wurden.
Auf die Spur der beiden Männer kamen die Ermittler über ein Fahrzeug. Der Wagen war in Tatortnähe beobachtet worden. Im Zuge der Ermittlungen stellte sich heraus, dass die beiden Brüder des Öfteren mit diesem Wagen unterwegs waren.
Mitte Januar ergeht auch Haftbefehl gegen die Tochter von Raimund M.. Bei ihr wurden Anfang Januar drei Schnellfeuergewehre und acht Handgranaten gefunden, die ihr Vater und dessen Bruder Rudi R. versteckt haben sollen.
Im Juli 2012 wird die Tochter von Raimund M. verurteilt. Das Gericht spricht sie wegen Verstößen gegen das Waffen- und Kriegswaffengesetz, wegen Geldwäsche, Hehlerei und Diebstahl schuldig.
August 2012 Die Augsburger Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen die Brüder Raimund M., 60, und Rudi R., 58, wegen Mordes am Polizisten Mathias Vieth. Außerdem listet die Anklage fünf Raubüberfälle auf.
Es zeichnet sich ein Mammutprozess ab. Das Landgericht Augsburg setzt mehr als 49 Verhandlungstage an.
21. Februar 2013: Der Mordprozess gegen die Brüder beginnt unter großen Sicherheitsvorkehrungen - und mit einem Eklat. Rudi R. beschimpft den Staatsanwalt als "Drecksack".
August 2013: Das Gericht hat den Mordkomplex abgearbeitet und beginnt mit der Beweisaufnahme zu den Raubüberfällen. Viele Beobachter rechnen mit einem Mordurteil.
September 2013: Ein Gutachter stellt fest, dass sich M.s Gesundheitszustand nach 15-monatiger Isolationshaft so verschlechtert hat, dass er verhandlungsunfähig ist.
November 2013: Das Gericht setzt den Prozess gegen M. aus. Er bleibt vorerst in Haft. Gegen seinen Bruder Rudi R. wird normal weiterverhandelt.
Februar 2014: Rudi R. wird zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Gericht sieht bei ihm eine besondere Schwere der Schuld und ordnet die anschließende Sicherungsverwahrung an.
September 2014: Der neue Prozess gegen Raimund M. beginnt.
Februar 2015: Der Bundesgerichtshof bestätigt das Augsburger Urteil gegen Rudolf R.
Auf der Tokarev-Pistole am Tatort wurde DNA gefunden, die Raimund M. zuzuordnen ist. An der FEG-Pistole, die in M.s Haus entdeckt wurde, haftete auch DNA-Material seines Bruders Rudi R.
Welche Waffen waren bei den Raubüberfällen im Einsatz?
Laut Anklage bedrohten Rudi R. und Raimund M. bei zwei Raubüberfällen ihre Opfer mit Kalaschnikow-Gewehren. Einmal soll eine Uzi-Maschinenpistole zur Einschüchterung der Angestellten verwendet worden sein. Auch eine Uzi beschlagnahmten die Ermittler in einem der Verstecke der beiden Angeklagten. Bei den anderen Überfällen hatten die Täter von den Zeugen nicht näher bezeichnete Pistolen dabei.
Waffen-Gutachten entscheidend für den Polizistenmord-Prozess
Welche Bedeutung haben die Waffen-Gutachten für den Prozess?
Die Gutachten über die Waffen sind mit entscheidend für den Ausgang des Prozesses. Viel wird davon abhängen, wie die Sachverständigen das Rätsel der Kalaschnikows erklären können. Wenn sie zu dem Schluss kommen, dass Teile der bei R. und M. gefundenen Schnellfeuergewehre tatsächlich beim Mord an Mathias Vieth verwendet wurden, wäre das ein wesentliches Indiz für die Schuld der beiden angeklagten Brüder.