Wenn Staatsrecht und Kirchenrecht aufeinanderprallen, wird es spannend. Lässt sich die Kirche doch ungern von weltlichen Gerichten in ihre Angelegenheiten dreinreden. Doch ist eine Taufe eine rein innerkirchliche Angelegenheit – oder spielt sie in den weltlichen Bereich hinein?
Mit dieser Frage musste sich das Verwaltungsgericht Augsburg beschäftigen. Ein Vater hatte dagegen geklagt, dass seine von ihm geschiedene Frau die gemeinsame Tochter (4) gegen seinen Willen hat taufen lassen. Das Sorgerecht für die Kleine üben beide Eltern gleichberechtigt aus. Der Mann wollte nun erreichen, dass die Taufe annulliert wird. Als Begründung gab er an, er habe wegen der Missbrauchsfälle in der Kirche Zweifel gehabt, ob seine Tochter dort gut aufgehoben sei. Trotz seiner Bedenken wurde das Mädchen in der Augsburger Pfarrei Herz Jesu getauft.
Der Staat mischt sich nicht in innerkirchliche Belange ein
Um die Streitfrage zu klären, wälzte der Präsident des Verwaltungsgerichts, Ivo Moll, gleich mehrere Gesetzestexte: das Grundgesetz, in dem die Religionsfreiheit garantiert wird; das Bürgerliche Gesetzbuch, in dem das Sorgerecht geregelt ist; und der Codex Iuris Canonici, das Gesetzbuch der katholischen Kirche. Das Ergebnis der Verhandlung: Die Klage des Vaters wurde abgewiesen.
Grundsätzlich ist es so: Der Staat darf sich nicht in innerkirchliche Angelegenheiten einmischen. Das gilt nicht, wenn weltliches Recht tangiert ist. Ivo Molls Beispiele: Der Anhänger einer Rasta-Religion darf dennoch in Deutschland nicht Cannabis rauchen. Und eine Landesbischöfin darf nicht betrunken Auto fahren. Wie ist es nun mit der Taufe? Das Bistum Augsburg, vertreten durch Diözesanrechtsdirektor Josef Binder, sieht sie als innerkirchliche Angelegenheit. Außerdem, so sagt Binder, „handelt es sich um ein Sakrament, das kann einem niemand mehr nehmen“.
Ein Blick auf die genauen Umstände dieser Taufe lohnt. Nach Kirchenrecht reicht die Zustimmung eines Elternteils, um die Taufe zu gewähren. Allerdings scheint die Mutter in diesem Fall verschwiegen zu haben, dass die Eltern das gemeinsame Sorgerecht ausüben. Sie ließ das Mädchen auch nicht in der Heimat-Pfarrei taufen, sondern woanders. Der Pfarrer dort kannte die Vorgeschichte nicht und sah keinen Hinderungsgrund. Er taufte das Mädchen.
Kirchenrechtlich war alles in Ordnung
Kirchenrechtlich war alles in Ordnung, stellte Richter Moll fest. Möglicherweise war die Taufe ein Verstoß gegen Zivilrecht, aber deshalb könne ein staatliches Gericht nicht die Taufe annullieren. Der Rechtsverstoß müsste schon gravierend sein, damit der Staat in innerkirchliches Recht eingreift. „Hier ist einiges schiefgelaufen, auch zu Ihren Lasten, aber die Taufe kriegen Sie nicht mehr los“, beschied Richter Moll dem Kläger. Die Eltern könnten sich freilich einigen und das Mädchen wieder aus der Kirche austreten lassen.
Der Vater ist entsetzt über das Urteil: „Hier geht es um das Grundrecht der Religionsfreiheit. Ich verstehe nicht, warum jemand recht bekommt, obwohl er gegen das Recht verstoßen hat“, sagte der Mann. Er hätte die Entscheidung über die Taufe lieber seiner Tochter selbst überlassen, wenn sie 14 ist.
Nur eine Möglichkeit bleibt dem Vater theoretisch: Er kann versuchen, beim Familiengericht das alleinige Sorgerecht für die Frage der Religionsausübung zu erhalten. Das sei aber unwahrscheinlich, so Richter Moll. Denn kein Familiengericht werde feststellen, dass ein Kind durch eine katholische Taufe Schaden erleidet.