Wenn ein Strafverteidiger in einem Prozess unglücklich agiert, kann es schon mal vorkommen, dass sein Mandant eine höhere Strafe einfängt. Dass ein Gericht als Reaktion auf das Agieren der Staatsanwaltschaft eine mildere Strafe verhängt, kommt selten vor. Und doch könnte genau das im Prozess gegen die Chefs des Möbelhauses Inhofer passieren.
Die Beweisaufnahme ist objektiv nicht gut für die Anklageseite gelaufen. Das hat die 10. Strafkammer mehrfach signalisiert. Dennoch blieben die Staatsanwälte Karl Pobuda und Dominik Wagner hart. Der Möbelhaus-Geschäftsführer Edgar Inhofer sollte hinter Gitter. Dafür riskierten die Anklagevertreter sogar einen Riesenkrach mit dem Gericht.
Staatsanwaltschaft versuchte, eine Blamage zu vermeiden
Erst zum Ende des Verfahrens hin hat die Staatsanwaltschaft noch einen Versuch unternommen, eine Blamage zu vermeiden. Am 23. September willigte die Anklagebehörde nach einem Verständigungsgespräch mit den Inhofer-Verteidigern ein, dass keiner der Angeklagten ins Gefängnis muss. Teils hohe Bewährungs- und Geldstrafen schwebten den Strafverfolgern vor. An dem Gespräch nahmen auch der Leitende Oberstaatsanwalt Rolf Werlitz und die Leiterin der Wirtschaftsabteilung, Brigitta Baur, teil.
Nun war es am Gericht, sich zu diesem Gespräch zu positionieren. Die Strafkammer hätte zustimmen und kurz vor dem Urteil doch noch einen „Deal“ machen können. Doch die Richter haben die Staatsanwälte auflaufen lassen. Der Vorsitzende Wolfgang Natale sagte am Donnerstag, es gebe dafür keinen Anlass. Die Initiative komme zu spät. Manche Vorstellungen der Staatsanwaltschaft bewegten sich gar „nicht auf dem Boden des Rechts“, so Natale.
Der Versuch der Gesichtswahrung ist damit verpufft. Der Richter machte ganz deutlich, dass sich das Gericht nicht an die besprochenen Strafen gebunden fühle. Es ist dies ein weiteres Kapitel in dem Kleinkrieg, der seit Wochen zwischen Gericht und Staatsanwaltschaft tobt.
Anklage könnte kompletten Schiffbruch erleiden
Nun könnte es passieren, dass die Anklage komplett Schiffbruch erleidet und die Urteile kommende Woche noch geringer ausfallen. Für Seniorchef August Inhofer waren elf Monate Bewährungsstrafe im Raum gestanden, für Edgar Inhofer zwei Jahre. August Inhofer könnte damit sogar Geschäftsführer des Sendener Familienunternehmens bleiben. Für Karl Inhofer und Peter Schorr kommen Geldstrafen infrage.
Gestern beantragte die Staatsanwaltschaft auch noch, in 18 weiteren Fällen des Hinterziehens von Sozialabgaben das Verfahren einzustellen. Insgesamt sind damit schon 21 Fälle von 49 aus der Anklage weggefallen, da der Nachweis einer Scheinselbstständigkeit nicht zu führen ist. Inhofer-Firmenanwalt Alfred Sauter, früher bayerischer Justizminister, ist sauer, dass die Anklage überhaupt in dieser Form zustande gekommen ist: „Da ist schlampigst ermittelt worden“, sagte Sauter.
Die Vorwürfe der Steuerhinterziehung hat das Gericht ohnehin schon als nicht relevant klassifiziert, weil kein tatsächlicher Steuerschaden entstanden ist. Von einem ursprünglich vorgeworfenen Schaden für Fiskus und Rentenkasse von 3,65 Millionen Euro könnten am Ende deutlich weniger als eine Million bleiben.
Ein klarer Fall also? Für die Staatsanwaltschaft offenbar nicht. Sie scheint auch kurz vor dem Urteil noch Revisionsgründe schaffen zu wollen. So wurde beantragt, Protokolle vorzulesen, wie sich die Angeklagten im Dezember 2012 beim Ermittlungsrichter geäußert haben. Dort haben Edgar Inhofer und Peter Schorr einen „objektiven Sachverhalt“ in dürren Worten eingeräumt.
Verteidiger Walter Lechner sagte an die Adresse der Staatsanwaltschaft: „Da ging es schlicht darum, die von Ihnen kurz vor Weihnachten inhaftierten Familienväter frei zu bekommen.“ Und Richter Natale machte klar, dass die Protokolle für das Gericht nicht von Bedeutung seien. Das Urteil soll am kommenden Mittwoch verkündet werden.