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Augsburg: Der Hass des Polizistenmörders auf den Staat

Augsburg

Der Hass des Polizistenmörders auf den Staat

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    Bald ist Halbzeit im Prozess um den Mord am Polizeibeamten Mathias Vieth. Weitere Zeugen belasten nun die beiden Angeklagten Raimund M. und Rudi R.
    Bald ist Halbzeit im Prozess um den Mord am Polizeibeamten Mathias Vieth. Weitere Zeugen belasten nun die beiden Angeklagten Raimund M. und Rudi R. Foto: Fred Schöllhorn

    Es ist fast Halbzeit im Augsburger Polizistenmord-Prozess und die juristische Aufarbeitung des Mordes am Polizeibeamten Mathias Vieth nähert sich langsam dem Ende. Nach wenigen Verhandlungstagen im Hochsommer wird sich das Schwurgericht ab September der Aufklärung brutaler Raubüberfälle widmen, die ebenfalls den beiden Brüdern Rudi R. und Raimund M. zur Last gelegt werden.

    Prozess arbeitet wichtigste Zeugen und Indizien ab

    Nach dem klassischen Aufbau eines Mordprozesses werden die  wichtigsten Zeugen und Indizien am Anfang abgearbeitet. Das ist bereits geschehen, und von der bisherigen Indizienkette ist zu vermuten, dass sie für eine Verurteilung ausreichen wird. Jetzt sind noch eine Reihe von Zeugen zur Abrundung dran. Zwölf Männer und Frauen waren das gestern – und ein zwölfjähriger Bub.

    Der Mord am Augsburger Polizisten Mathias Vieth

    Der Augsburger Polizeibeamte Mathias Vieth wird am frühen Morgen des 28. Oktober 2011 im Augsburger Siebentischwald von unbekannten Tätern erschossen.

    Der Streifenbeamte und seine Kollegin wollen an diesem Freitagmorgen gegen drei Uhr auf einem Parkplatz am Augsburger Kuhsee ein Motorrad mit zwei Männern kontrollieren.

    Die beiden Verdächtigen flüchten sofort in den nahen Siebentischwald, die Beamten nehmen mit ihrem Streifenwagen die Verfolgung auf.

    Im Wald stürzen die Motorradfahrer. Dann kommt es zu einem Schusswechsel zwischen Beamten und Tätern. Der 41-jährige Polizeibeamte wird trotz Schutzweste tödlich am Hals getroffen, seine Kollegin durch einen Schuss an der Hüfte verletzt.

    Die Täter flüchten. Eine anschließende Großfahndung, an der sich mehrere hundert Polizeibeamte beteiligen, bleibt ohne Erfolg.

    Die Augsburger Polizei richtet noch am gleichen Tag eine Sonderkommission ein. Der Soko "Spickel", benannt nach dem Augsburger Stadtteil, in dem die Tat geschah, gehören zunächst 40 Beamte an.

    Zwei Tage nach dem Polizistenmord geben die Ermittler bekannt, dass das Motorrad der beiden Täter in der Nacht vom 10. auf den 11. Oktober 2011 im Stadtgebiet von Ingolstadt gestohlen worden war. Dabei wurde die rund 15 Jahre alte Honda kurzgeschlossen.

    Drei Tage nach dem tödlichen Schusswechsel rückt die Polizei erneut mit einem Großaufgebot im Augsburger Spickel an. Taucher von Polizei und Feuerwehr suchen in den Kanustrecken des Eiskanals nach Gegenständen.

    Am 3. November wird Mathias Vieth bestattet. Am gleichen Tag stockt die Polizei die Soko "Spickel" auf 50 Beamte auf. Zugleich wird die Belohnung, die zur Aufklärung des Polizistenmordes ausgesetzt ist, auf 10.000 Euro erhöht.

    Ein Abgleich von DNA-Spuren, die am Tatort gesichert werden konnten, mit der bundesweiten DNA-Datenbank ergibt laut Polizei keinen Treffer.

    Am 7. November findet im Augsburger Dom die offizielle Trauerfeier für Mathias Vieth statt. Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann nimmt an ihr teilt.

    Zehn Tage nach dem Augsburger Polizistenmord greift die Sendung "Aktenzeichen XY" den Fall auf. Zwar gehen daraufhin mehrere Hinweise ein, eine heiße Spur ist aber nicht darunter.

    Dezember 2011: Die Belohnung für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen, wird auf insgesamt 100.000 Euro erhöht.

    Am 29. Dezember 2011 nimmt die Polizei in Augsburg und Friedberg zwei Verdächtige fest. Es handelt sich um die Brüder Rudi R. (56) und Raimund M. (58). Schnell wird bekannt: Der Jüngere hat bereits 1975 einen Augsburger Polizisten erschossen.

    Nach der Festnahme entdecken die Fahnder etliche Waffen und auch Sprengstoff. Belastet wird einer der Verdächtigen durch DNA-Spuren, die am Tatort gefunden wurden.

    Auf die Spur der beiden Männer kamen die Ermittler über ein Fahrzeug. Der Wagen war in Tatortnähe beobachtet worden. Im Zuge der Ermittlungen stellte sich heraus, dass die beiden Brüder des Öfteren mit diesem Wagen unterwegs waren.

    Mitte Januar ergeht auch Haftbefehl gegen die Tochter von Raimund M.. Bei ihr wurden Anfang Januar drei Schnellfeuergewehre und acht Handgranaten gefunden, die ihr Vater und dessen Bruder Rudi R. versteckt haben sollen.

    Im Juli 2012 wird die Tochter von Raimund M. verurteilt. Das Gericht spricht sie wegen Verstößen gegen das Waffen- und Kriegswaffengesetz, wegen Geldwäsche, Hehlerei und Diebstahl schuldig.

    August 2012 Die Augsburger Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen die Brüder Raimund M., 60, und Rudi R., 58, wegen Mordes am Polizisten Mathias Vieth. Außerdem listet die Anklage fünf Raubüberfälle auf.

    Es zeichnet sich ein Mammutprozess ab. Das Landgericht Augsburg setzt mehr als 49 Verhandlungstage an.

    21. Februar 2013: Der Mordprozess gegen die Brüder beginnt unter großen Sicherheitsvorkehrungen - und mit einem Eklat. Rudi R. beschimpft den Staatsanwalt als "Drecksack".

    August 2013: Das Gericht hat den Mordkomplex abgearbeitet und beginnt mit der Beweisaufnahme zu den Raubüberfällen. Viele Beobachter rechnen mit einem Mordurteil.

    September 2013: Ein Gutachter stellt fest, dass sich M.s Gesundheitszustand nach 15-monatiger Isolationshaft so verschlechtert hat, dass er verhandlungsunfähig ist.

    November 2013: Das Gericht setzt den Prozess gegen M. aus. Er bleibt vorerst in Haft. Gegen seinen Bruder Rudi R. wird normal weiterverhandelt.

    Februar 2014: Rudi R. wird zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Gericht sieht bei ihm eine besondere Schwere der Schuld und ordnet die anschließende Sicherungsverwahrung an.

    September 2014: Der neue Prozess gegen Raimund M. beginnt.

    Februar 2015: Der Bundesgerichtshof bestätigt das Augsburger Urteil gegen Rudolf R.

    Der Wert der einzelnen Aussagen sollte nicht überschätzt werden. Aber wenn man es nicht gut meint mit den Angeklagten, könnten sie in das negative Bild passen, das die Staatsanwaltschaft von den Angeklagten zeichnet. Konnte Raimund M. trotz seiner Parkinson-Erkrankung Motorrad fahren? Hegt Rudi R. wirklich Hass auf den deutschen Staat? Warum war Rudis Auto auf einen Cousin zugelassen? War der Mann, den eine Hundebesitzerin am Morgen nach der Tat gesehen haben will, tatsächlich Rudi R.? Um solcherlei Fragen ging es.

    Zeugin sah Raimund M. auf dem Lidl-Parkplatz

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    Der Prozess um den Mord am Polizisten Mathias Vieth ist eines der größten Verfahren am Landgericht Augsburg gewesen. Die Bildergalerie zeigt seine Protagonisten.

    Eine frühere Nachbarin von Raimund M. sagte, sie habe M. im Frühsommer 2011 auf dem Parkplatz einer Lidl-Filiale in Augsburg gesehen. Er sei mit einem schweren Motorrad unterwegs gewesen. Am 14. Mai 2011 wurde diese Lidl-Filiale überfallen. Laut Anklage waren Rudi R. und Raimund M. die Täter. Die Frau sagte auch, M. habe wenige Monate vor dem Mord an Mathias Vieth keine Parkinson-Symptome gezeigt. Sie könne das beurteilen, weil sie Altenpflegerin ist. Auch der Zwölfjährige sagte, er habe M. im Oktober 2011 in Friedberg auf einem Motorrad gesehen.

    Mehrere Zeugen berichteten, dass Rudi R. oft auf den deutschen Rechtsstaat schimpfte. R. wurde 1976 zu zweimal lebenslang verurteilt, weil er einen Augsburger Polizisten erschossen hatte. Das Auto, in dem er Ende 2011 verhaftet wurde, war auf einen Cousin zugelassen. Der Mann aus dem Großraum München sagte, dass er seinem Verwandten mit dem günstigeren Versicherungstarif habe helfen wollen. Den Mitsubishi und andere Autos zuvor habe R. aber selbst gekauft.

    Weitere Zeugin meldete sich nach Aufruf bei "Aktenzeichen XY"

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    Im Oktober 2011 wurde der Augsburger Polizeibeamte Mathias Vieth im Dienst erschossen. Die beiden Täter werden später verurteilt.

    Eine Hundebesitzerin aus Gersthofen erklärte, sie habe wenige Stunden nach dem Mord an Mathias Vieth beim Gassigehen mit ihrem Hund einen dunkel gekleideten Mann am Lech gesehen – das ist gut zehn Kilometer vom Tatort entfernt. Erst durch einen Bericht in „Aktenzeichen XY“ sei sie aufgeschreckt worden. Da habe sie den Mann auf einem Foto erkannt. Auf die Frage des Vorsitzenden Richters Christoph Wiesner, ob sie einen der beiden erkenne, zeigte die Frau auf Rudi R. und sagte: „Ihn da mit dem grünen Oberteil.“ Sie erkenne ihn am emotionslosen Gesichtsausdruck. Rudi R. musste lachen.

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