Nach der Bluttat in einer Asylbewerberunterkunft in Arnschwang in der Oberpfalz, bei der ein fünfjähriger russischer Bub durch die Messerattacke des 41-jährigen Afghanen Mostafa J. zu Tode kam, hält die Debatte über Hintergründe und mögliche Konsequenzen an. Ins Visier geraten ist dabei auch das Bistum Augsburg, das dem Mann, während er in der Justizvollzugsanstalt Landsberg eine knapp sechsjährige Haftstrafe wegen Brandstiftung verbüßte, den Übertritt zum Christentum ermöglichte. Sein Bekenntnis zum christlichen Glauben war, wie berichtet, die Voraussetzung dafür, vor dem Verwaltungsgericht München ein Abschiebungsverbot zu erstreiten.
Immer wieder wurden Gespräche geführt
"Wir können keinen Taufbewerber ablehnen, wenn er unseren Kriterien entspricht. Ob er als Asylsuchender anerkannt wird oder ob er abgeschoben wird, das ist allein Sache des Staates und der Gerichte", sagte Prälat Bertram Meier, der Leiter des Seelsorgeamtes der Diözese Augsburg. Im Falle Mostafa J. habe es mindestens zwei einleitende und ein abschließendes Gespräch des Taufbewerbers mit dem zuständigen Gefängnispfarrer der JVA Landsberg gegeben, erklärte Meier im Gespräch mit unserer Redaktion.
Dazwischen habe eine Art Religionsunterricht für den Taufbewerber stattgefunden, in Form von Einzelgesprächen in der JVA, ebenfalls mit dem Gefängnispfarrer. In diesen Gesprächen sei es anhand des Apostolischen Glaubensbekenntnisses um die Grundwahrheiten des katholischen Glaubens gegangen, so Meier. Man habe etwa über das Vaterunser oder Bibeltexte gesprochen – genauso wie es vor Taufe und Firmung eines Erwachsenen üblich sei. Der zuständige Pfarrer habe dann den Glaubensfortschritt schriftlich zusammengefasst und dies zur Genehmigung dem Bischöflichen Ordinariat in Augsburg vorgelegt.
Im Falle Mostafa J. habe der damalige Generalvikar auf Grundlage der Akten die Erlaubnis zu Taufe und Firmung erteilt. Der Vorgang habe, sagte Meier, "sicher vier, fünf Monate gedauert". Auf diese Weise solle sichergestellt werden, dass sich niemand die Taufe "erschleicht". Ihm sei kein einziger Fall im Bistum Augsburg bekannt, in dem die Taufe als Vorwand genutzt wurde, um nicht abgeschoben zu werden. Die Zahl der Muslime, die sich taufen ließen, lag Meier zufolge in den vergangenen Jahren bistumsweit bei weniger als zehn Personen pro Jahr.
Der Mann soll ein überzeugter Christ sein
Auch mit Blick auf Bayerns Innenminister Joachim Herrmann von der CSU sagte Meier: "Ich fände es schade, wenn das Thema zum Wahlkampfthema werden würde." Herrmann hatte gesagt, er erwarte von Kirchen und Gerichten, "dass sie sich sehr genau anschauen, ob einer wirklich zum Christentum übertritt". Was Meier stört, sind Zuspitzungen und Polemik bei diesem Thema. "Aus mancher Wortmeldung klingt für mich heraus: Die katholische Kirche unterstützt Terroristen! Das ist völlig absurd. Worauf wir aber vielleicht näher schauen sollten, ist, dass meines Wissens nach Freikirchen, pfingstlerische oder charismatische Gruppen islamische Flüchtlinge mitunter sehr schnell taufen. Das sehe ich kritisch."
Den Verdacht, Mostafa J. könnte nur zum Schein zum Christentum übergetreten sein, hat das Verwaltungsgericht München offenbar sehr genau geprüft. In dem 27 Seiten starken Urteil, das unserer Zeitung vorliegt, heißt es unter anderem, der Afghane habe Bibel-Inhalte vorgetragen und auf Nachfrage trotz geringer Schulbildung und Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache Angaben zu Glaubensinhalten und zu Abfolgen im Gottesdienst machen können. Er habe zudem eine Passage aus dem Neuen Testament vorgetragen, auch wenn er, so wörtlich, "nur vier (anstelle von fünf) Büchern Moses nennen konnte". Das Gericht sei nach einer persönlichen Anhörung des Mannes zu der Überzeugung gelangt, dass seine Hinwendung zum christlichen Glauben "nicht nur formell erfolgt ist, sondern auf einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel beruht und nicht allein aus asyltaktischen Gründen erfolgt ist".