Im Tegernseer Bräustüberl und auf dem Wallberg war sie schon. Aber ansonsten hat Sandra Rivera Diaz noch wenig Zeit gehabt, das bei Urlaubern so beliebte Tegernseer Tal zu erkunden. „Wir haben kaum Freizeit“, sagt die 26-Jährige – und sorgt bei ihren Kolleginnen für zustimmendes Kopfnicken.
Diaz ist eine von 17 spanischen Pflegekräften, die seit wenigen Wochen in der Klinik St. Hubertus in Bad Wiessee Verbände wechseln, Patienten waschen und Medikamente verabreichen. Die 15 jungen Frauen und zwei Männer wurden in ihrer Heimat für die Rehaklinik angeworben. Ein ähnliches Projekt läuft seit vergangenem Jahr am Universitätsklinikum Erlangen.
Tausende Stellen im Pflegedienst deutschlandweit unbesetzt
Zwei Dinge kommen zusammen: Im krisengeschüttelten Spanien liegt die Arbeitslosenquote bei über 25 Prozent, in Deutschland sind Pflegekräfte Mangelware. Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft konnten 2011 bundesweit rund 3000 Stellen im Pflegedienst nicht besetzt werden. Also schaltete der Wiesseer Klinikchef Christian Gores, 37, eine Annonce auf Deutsch in spanischen Zeitungen. 120 Bewerbungen gingen ein.
Wenig später saß Gores im Flugzeug und führte in Madrid und Sevilla Vorstellungsgespräche mit 60 meist jungen, hauptsächlich weiblichen Pflegekräften. 20 Bewerber wurden ausgewählt, drei sprangen ab. Den ganzen Dezember über – sechs Stunden täglich – paukten Diaz und ihre Kolleginnen erst einmal Deutsch.
Deutschunterricht mit Anwesenheitspflicht
Seit Januar arbeiten die Pflegerinnen 30 Wochenstunden auf den Stationen, viermal die Woche kommen je viereinhalb Stunden Sprachunterricht dazu. „Dabei herrscht Anwesenheitspflicht“, sagt der Klinikchef. Dafür gibt es einen auf acht Monate befristeten Vertrag mit der Zusage auf Übernahme bei bestandener Sprachprüfung. Dann bekommen Diaz und Co. das Tarifgehalt einer examinierten Krankenpflegerin, bis dahin werden sie als Pflegehilfskräfte bezahlt.
Jeder Spanierin ist eine deutsche Pflegekraft zugewiesen, eine Art Patin, die ihr bei beruflichen Problemen, aber auch privat zur Seite steht. „Die Kolleginnen helfen mir wirklich sehr“, sagt die aus Sevilla stammende Sandra Rivera Diaz, „und auch die Patienten sind sehr nett. Sie sprechen langsam mit uns, damit wir sie verstehen.“
"Heimweh haben sie alle"
Zainsmyt Medina Lugo, eine gebürtige Kubanerin, ist die Einzige der 17-köpfigen spanischen Gruppe, die eine eigene Familie hat. In ihrer Freizeit telefoniert die 41-Jährige viel mit ihrem Mann und den drei Kindern. „Wenn ich hier eine unbefristete Stelle finde, kann ich mir vorstellen, dass meine Familie nachkommt“, sagt sie in holprigem Deutsch.
Noch aber müssen sich Lugo und ihre Kolleginnen an die neue Umgebung gewöhnen. Und auch wenn sie sich nach dem Eindruck der Klinikleitung erstaunlich schnell in Deutschland zurechtgefunden haben, eines kann Christian Gores seinen neuen Mitarbeiterinnen nicht ersparen: „Heimweh haben sie alle.“ mit dpa