Mitdem Vertrauen ist das so eine Sache. Es ist das Fundament einer jeden Beziehung – auch einer politischen. Nur wird es da gerne als Floskel eingesetzt, und das Haltbarkeitsdatum kann schon mal vom einen auf den anderen Tag überschritten sein.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat am Donnerstag über seine Gesundheitsministerin Melanie Huml gesagt: „Ich habe weiter Vertrauen zu ihr.“ Deshalb habe er auch ihren Rücktritt abgelehnt, den sie aufgrund der schweren Panne in den Corona-Testzentren gleich zweimal angeboten hatte.
Klar dürfte aber auch sein: Hätte Söder ihn angenommen, wäre das leicht so zu deuten gewesen, dass hier ein „Bauernopfer“ gesucht und auch gefunden wurde. Personelle Konsequenzen wurden trotzdem gezogen, wenn auch eine Stufe tiefer. Andreas Zapf, Chef des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, muss seinen Posten räumen und wird ins Huml-Ministerium versetzt.
Gleichzeitig machte Söder unmissverständlich klar, wer das Fiasko mit den hunderten nicht zugestellten positiven Befunden politisch zu verantworten habe: Melanie Huml. Sie habe einen schweren Fehler gemacht. Dieser sei „in der Umsetzung“ passiert, nicht aber „in der Strategie“ – womit Söder unausgesprochen bei sich selbst kein Versäumnis sieht.
Er will seine Ministerin also halten. Aber wie ernst meint er das wirklich?
Corona-Testpanne: Entscheidend ist, wie schnell die Fehler behoben werden
Bis Ende der Woche sollen die Mängel in den Testzentren entlang der Autobahnen abgestellt sein. Die letzten positiv auf Corona getesteten Autofahrer sollen endlich informiert werden, private Dienstleister die Arbeit von Ehrenamtlichen übernehmen und vor allem die Verfahren digitalisiert werden. Sollte das nicht klappen, die Zahl der positiv Getesteten ohne Zustellung des Ergebnisses sogar noch deutlich steigen oder an anderer Stelle des Ministeriums eine Panne passieren, dürften die Tage von Melanie Huml gezählt sein. So gesehen ist sie eine Ministerin auf Bewährung. „Sie will diese Scharte auswetzen und sie will das auch jetzt schaffen“, sagte Söder.
Bekommt sie die Lage in den Griff, spricht einiges dafür, dass sie ihren Job tatsächlich behalten darf. Melanie Huml zählt trotz ihrer erst 44 Jahre zu den dienstältesten Regierungsmitgliedern in Bayern. Sie gehörte bereits ab 2007 – erst als Staatssekretärin – den Kabinetten Beckstein und Seehofer an und steht seit 2013 an der Spitze des Gesundheitsressorts. Markus Söder hat sie 2019 in dieser Funktion übernommen, weil sie eben erfahren und als approbierte Ärztin vom Fach ist, ihr Ministerium zuvor aber auch geräuschlos und ohne Pannen geführt hat.
Seit der Corona-Krise ist die Bambergerin, die mit einem Rechtsanwalt verheiratet ist und zwei Söhne hat, allerdings ungleich mehr gefordert. Ein CSU-Mann, der einen guten Einblick ins derzeitige Kabinett und die Arbeit der Ministerien hat, sagt im Gespräch mit unserer Redaktion: „Das Gesundheitsministerium ist klassischerweise kein operatives Ministerium.“ Heißt: Es ist im Kern mit Verwaltungsaufgaben betraut und wenig erprobt im Umgang mit Krisen, wie es das Innenministerium beispielsweise ist. Doch genau diese Krisenerfahrung ist seit dem Frühjahr gefragt.
Deshalb hatte Söder im März mit Winfried Brechmann vorübergehend einen neuen Amtschef im Ministerium installiert und bis Juli den erfahrenen Staatssekretär Gerhard Eck entsandt – beide kommen aus dem Innenministerium. Kein Wunder also, dass Söder Huml nun die Zuständigkeit für den bis Ende August vorgesehenen Aufbau der 100 Testzentren in allen bayerischen Landkreisen entziehen und in die Hände von „Mister Zuverlässig“ Joachim Herrmann legen will – dem Innenminister.
Söders Bewertung von Humls Arbeit klingt wie: Sie hat sich stets bemüht
In München erzählt man sich, Söder sei schon länger nicht mehr mit der Arbeit von Melanie Huml zufrieden – weil sie eben keine geborene Krisenmanagerin sei. Bei der Pressekonferenz am Donnerstag sagte er, sie habe ihre Aufgabe in der Krise „mit hohem Einsatz“ versehen. In einem Arbeitszeugnis in der freien Wirtschaft entspricht dies etwa der wenig schmeichelhaften Formulierung: „Sie hat sich stets bemüht.“
Der CSU-Insider sagt: „Söders Vertrauen in Huml ist da, aber es ist nicht sehr groß.“ Es speise sich vor allem aus praktischen Erwägungen, aus der Erfahrung der Ministerin und der Tatsache, dass ein Wechsel an der Spitze zu diesem Zeitpunkt der Corona-Krise ein riskantes Unterfangen wäre. Hinzu kommt, was für die auf den Proporz achtende CSU von nicht unerheblicher Bedeutung ist: Huml vertritt den Regierungsbezirk Oberfranken im Kabinett und sie ist eine Frau, noch dazu eine junge. Mit letzteren Kategorien tut sich die Partei bei der Besetzung von Ministerposten erfahrungsgemäß schwer.
Ein CSU-Insider sagt: Ohne weiteren Fehler wird Melanie Huml bleiben - auf Bewährung
„Würde Söder sie entlassen, würde sich das Thema noch stärker auf ihn selbst fokussieren“, prophezeit der CSU-Mann. Wie sich überhaupt die Frage stellt, wie schnell Markus Söder bereit ist, ein Regierungsmitglied in der Krise fallen zu lassen. Im Fall des von vielen Krisen geplagten Bundesverkehrsministers Andreas Scheuer – ein ganz anderes Thema – verhält sich der Ministerpräsident auffallend zurückhaltend.
Von daher glaubt der CSU-Insider: „Wenn Melanie Huml keinen weiteren Fehler macht, wird sie Ministerin bleiben.“ Wenn auch auf Bewährung.
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