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Analyse: Die frechste SPD Deutschlands kommt aus Bayern

Analyse

Die frechste SPD Deutschlands kommt aus Bayern

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    München, 26. Mai: Wahlabend der SPD zur Europawahl. Ein einzelner Genosse schaut sich ein Statement von Andrea Nahles an.
    München, 26. Mai: Wahlabend der SPD zur Europawahl. Ein einzelner Genosse schaut sich ein Statement von Andrea Nahles an. Foto: Lino Mirgeler, dpa

    Wer wissen will, wie es um die Bayern-SPD steht, sollte diese beiden Nachrichten kennen, die am Samstagmorgen fast gleichzeitig verbreitet wurden: 1.

    Die Bayern-SPD will also nicht nur Privatleuten nach elf Uhr abends das Licht ausknipsen, sondern auch der Großen Koalition in Berlin. Finsternis allerorten. Die beiden Forderungen sind in ihrer politischen Tragweite allerdings so weit auseinander, dass man sich ein Schmunzeln kaum verkneifen kann. Während die Idee, es nachts dunkel werden zu lassen, eher zum Erscheinungsbild der Bayern-SPD passt, wirft das forsche Aufstellen von Bedingungen an die GroKo Fragen auf.

    Kohnen forderte nach der Europawahl Konsequenzen

    Zum Beispiel die: Ist die erfolglose Bayern-SPD nach zwei Wahlergebnissen unter zehn Prozent wirklich der richtige Landesverband, um freche Forderungen an die Bundes-SPD zu formulieren und Kritik zu üben? Schon am Abend der Europawahl – die mit einem neuen Tiefschlag von 9,3 Prozent für die Bayern-SPD endete – ging die Vorsitzende Natascha Kohnen mit ihrer eigenen Partei hart ins Gericht. Die SPD müsse bei Themen wie Grundrente und Klimaschutz endlich liefern. Nun legt sie nach: „Wir müssen für die SPD eine Profilierung erreichen, da muss endlich Druck in die Kiste.“, fordert Kohnen. „Die Geduld der SPD ist am Ende.“ In der Bundes-SPD habe es keinerlei Konsequenzen aus den Landtagswahlen in Hessen und in Bayern gegeben. Die Bundesparteispitze um Andrea Nahles habe diese Warnung offenbar nicht ernst genommen. Schon in den Monaten zuvor hatte Kohnen der SPD einen Linksruck empfohlen.

    Doch es ist eben immer so eine Sache mit Kritik und Forderungen aus dem SPD-Landesverband Bayern. Die bayerischen Genossen haben 15 Mal in Folge die Landtagswahlen verloren, zuletzt mit anschwellender Dramatik. Bei vielen in der Bundes-SPD stoßen derlei Attacken aus dem Freistaat auf Häme. Und das wird in der Bayern-SPD teils auch auf die eigene Spitze um die Vorsitzende Natascha Kohnen zurückgeführt: „Wenn man kein Standing in Berlin hat, muss man sich nicht wundern, dass einen keiner ernst nimmt.“, sagt einer aus dem Landesvorstand. Kohnen sitzt als stellvertretende Parteivorsitzende im Bundesvorstand. Sie war nach der Landtagswahl im Herbst selbst unter Druck geraten.

    Das Verhalten der bayerischen SPD ist symptomatisch für die ganze Partei

    Doch das Auftreten der Bayern-SPD ist symptomatisch für die ganze Partei. Die Sozialdemokraten geben ein Bild der Zerstrittenheit und der Unregierbarkeit ab. Sie wirken wie eine Partei der Besserwisser, deren Lieblingsbeschäftigung es ist, die eigenen Parteichefs abzusägen. Und manchmal sieht es sogar so aus, als ob den Sozialdemokraten der Wähler wurscht wäre. Vor der Landtagswahl 2018 sagte ein bayerischer Parteistratege noch, man sei inhaltlich mit sich im Reinen: „Viele in der Partei sagen: Wenn das nur zwölf Prozent der Wähler unterstützen, dann ist das halt so.“

    Widerstand aus dem traditionell linken und chronisch erfolglosen Landesverband Bayern hat ohnehin eine gewisse Tradition. Als der SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder 2003 die Agenda 2010 durchsetzen wollte, wurde der Gegenangriff maßgeblich aus Bayern organisiert. Unter anderem die schwäbische Bundestagsabgeordnete Sigrid Skarpelis-Sperk initiierte mit Kollegen das erste Mitgliederbegehren in der SPD überhaupt gegen Schröders Ideen. Der Widerstand hatte keinen Erfolg. Schröder blieb, die Agenda 2010 kam – und gilt bis heute als die wichtigste Sozialreform der vergangenen Jahrzehnte. Auch damals war schon zu hören: Was wollen eigentlich die bayerischen Sozis, die seit Jahrzehnten keine Wahl gewonnen haben? Und dabei war die Bayern-SPD bei der Landtagswahl 2003 mit 19,6 Prozent noch doppelt so stark wie heute.

    SPD-Kommunalpolitiker kritisiert Besserwisserei in seiner Partei

    Wenn man die Erfolgsquote als Maßstab nimmt, dann dürfen sich eigentlich nur die erfolgreichen SPD-Kommunalpolitiker zu Wort melden. Sie sind in den vergangenen Jahrzehnten immer ganz gut mit der Strategie gefahren, sich von ihrem Landesverband so weit wie möglich zu distanzieren. Der Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly, der nächstes Jahr nicht mehr antritt, kritisiert die Besserwisserei in seiner Partei, formuliert aber elegant: „Die SPD hat so viele gute Ideen, dass sie immer glaubt, alles besser zu wissen als die Leute. Dabei ist fröhliche Weltverbesserung viel schöner als Zwangsbeglückung.“ Selbstkritisch gibt sich auch Harald Güller, der Sprecher der schwäbischen SPD-Abgeordneten im Landtag: „Wir haben bei den Themen nicht nur ein Vermittlungsproblem, wir haben selbst keine klare Linie.“

    Die CSU reagierte übrigens überraschend massiv auf die GroKo-Bedingungen der bayerischen Genossen: Was die Bayern-SPD fordere, könne „kein Maßstab für erfolgreiches Regieren sein“, sagte Generalsekretär Markus Blume. „Die bayerischen Genossen sind chronisch links und anhaltend erfolglos“. Wenigstens einer nimmt die Bayern-SPD noch ernst.

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