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"An dieser Katastrophe werde ich nicht zerbrechen"

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"An dieser Katastrophe werde ich nicht zerbrechen"

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    Walter Bau - Bauunternehmer - erstmals nach Insolvenz fotografiert - Bild Fred Schöllhorn
    Walter Bau - Bauunternehmer - erstmals nach Insolvenz fotografiert - Bild Fred Schöllhorn Foto: Fred Schöllhorn

    Von unserem Redaktionsmitglied Stefan Stahl

    Seit dem Kollaps der Augsburger Walter Bau- AG reden viele über Ignaz Walter. Dabei fallen böse Worte über den Gründer des einst drittgrößten deutschen Baukonzerns. Es hagelt Anschuldigungen gegen den 68-Jährigen. Doch gerade im Unternehmerlager ist keiner bereit, sich mit seinem Namen zitieren zu lassen. So sagt ein Firmenvertreter, der nicht genannt werden will, gegenüber unserer Zeitung: "Er ist ein uneinsichtiger Mensch. Walter sieht die Probleme immer nur bei den anderen. Seit der Pleite arbeitet er an Verschwörungstheorien." Und: "Noch denkt der frühere Walter-Bau-Aufsichtsratschef nach. Die Reflexionsphase ist nicht abgeschlossen." Damit umschreibt der Kritiker die Tatsache, dass Walter seit dem Insolvenzverfahren bisher nicht umfassend Auskunft gegeben hat.

    Vertreter der Arbeitnehmerorganisation IG Bau treten selbstbewusster auf. Karl Bauer, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der insolventen Walter Bau-AG, sagt im Gespräch mit unserer Zeitung: "Die Mitarbeiter betrachten es als unfeinen Zug, dass Walter bisher nicht vor sie getreten ist. Auch ich bin enttäuscht." Der Repräsentant der Beschäftigten räumt aber ein, dass er den früheren Firmenchef lange geschätzt habe ­ eine Meinung, die von vielen Beschäftigten zu hören ist.

    Walter hatte unter den Mitarbeitern ein hohes Ansehen. Bauer versucht in harten Zeiten für einen Betriebsrat fair zu bleiben: "Auf das Wort von Ignaz Walter konnte man sich verlassen." Es sei zwar, so der Arbeitnehmervertreter, schwierig gewesen, den Unternehmer von einer Meinung abzubringen: "Er ist wie ich ein sturer Bayer." Der Mitarbeiter-Repräsentant verweist darauf, dass er Walter mit entsprechenden Fakten durchaus schon einmal überzeugen konnte. Bauer erinnert sich jedoch auch daran, dass es "der Patriarch oft nicht verstanden hat, wenn man ihn in einer bestimmten Sache kritisierte". So versucht der Gesamtbetriebsratschef ein differenziertes Bild des Unternehmers zu malen ­ gerade in Bezug auf die Hintergründe für die Pleite der Walter Bau-AG. Den Zusammenbruch des Konzerns führt er auf folgende Gründe zurück:

    eine sture Politik der Banken gegenüber dem Unternehmen, die jahrelange konjunkturelle Talfahrt der Branche, die zögerliche Zahlungsmoral der Deutschen Bahn gegenüber Walter-Firmen, Managementfehler des Vorstands der Walter Bau-AG, misslungene Auslands-Engagements in Australien und den USA und das Reinregieren von Ignaz Walter als Aufsichtsratsvorsitzender in das Tagesgeschäft.

    Auch Karl Heinz Strobl, Bundesvorstandsmitglied der IG Bau, berichtet, dass er "in der Vergangenheit ordentlich mit Walter zusammengearbeitet hat". Gleichwohl sagt der Gewerkschafter auf Anfrage dieser Zeitung über den Unternehmer: "Er hat mittlerweile jeglichen Respekt seiner Beschäftigten verloren. Viele sind mit ihm durch dick und dünn gegangen. Er hat sie enttäuscht."

    Diese, von uns wiederholt dokumentierte Kritik an Walter hält schon seit Wochen an. Der Betroffene selbst äußerte sich dazu trotz mehrfacher Nachfragen nicht. Er sprach zuletzt generell nicht mit Journalisten. Jetzt bricht Walter sein Schweigen in einem Gespräch mit unserer Zeitung. Dabei nimmt er am gestrigen Freitag noch nicht umfassend zu den ihm gemachten Vorwürfen Stellung. Das werde er erst in einigen Wochen tun, "wenn ehemalige Vorstände, Aufsichtsräte und Betriebsräte gemeinsam ein Papier mit Fakten vorlegen". Diesen Äußerungen des Unternehmers ist zu entnehmen, dass er erst nach der Publikation entsprechender Unterlagen konkret Stellung, etwa zur Rolle der Banken und Beratungsfirmen, nehmen will. Momentan habe er keine Chance. Ihn treibt die Sorge um, durch zu viel Offenheit zum jetzigen Zeitpunkt seinen Gegnern in die Hände zu spielen.

    Doch Walter ist ein sensibler und extrovertierter Mensch, der den gemachten Vorsätzen im Gespräch nicht ganz treu bleibt. Zu der Kritik an seiner Person fällt ihm ein: "Was ich in den letzten Wochen an Niedertracht erlebt habe, konnte ich mir in den kühnsten Träumen nicht vorstellen." Zeigt er sich zu Beginn der Unterhaltung noch zurückhaltend, findet Walter bald zurück zur deutlichen und wie immer floskelfreien Aussprache, ein Wesensmerkmal, das ihn von vielen Managern unterscheidet. Bilanz-Pressekonferenzen mit dem Augsburger Unternehmer waren im Gegensatz zu den meisten Veranstaltungen dieser Art nie langweilig, weil Walter Klartext redet, ein Umstand, der ihm als früheren Bauindustrie-Präsidenten nützte. So tritt Walter vehement dem Eindruck entgegen, er habe sich vor den Mitarbeitern verborgen: "Das Schicksal der Beschäftigten ist mir nicht egal. Ich habe mich schriftlich von ihnen verabschiedet. Damit entbehren die Vorwürfe jeder Grundlage." Ein Blick ins Archiv belegt diese Aussage des Unternehmers. Am 30. Januar schrieb Walter folgende Zeilen aus Anlass der Niederlage seines Aufsichtsratsvorsitzes: "Mein ganzes Handeln galt immer dem Wohl des Unternehmens und seinen Mitarbeitern, welche mit mir teilweise mehr als 25 Jahre durch dick und dünn gegangen sind. Dies gilt auch heute." Am Schluss des Textes geht der Firmengründer noch einmal auf seine langjährigen Mitstreiter ein: "Ich bedanke mich bei allen Mitarbeitern für ihre Treue und ihren Einsatz. Dem Unternehmen und seinen Menschen wünsche ich für die Zukunft alles Gute." In dem Dokument ist an einer Stelle zudem auch von "hausgemachten Fehlern" in Zusammenhang mit den Ursachen des Einbruchs der Firma die Rede. Zudem zeigt das Gespräch: Walter haben die Ereignisse der vergangenen Wochen zugesetzt. Das alles lässt ihn nicht kalt: "Ich helfe dem ein oder anderen Betroffenen."

    Der Unternehmer hat nicht ­ wie es heißt ­ die Flucht aus Augsburg ergriffen. Zwar mied er seine Stammtische, war aber die ganze Zeit über in Augsburg. Walter hat nach wie vor ein Büro in der ehemaligen Konzernzentrale. Er will seinen gegenüberliegenden Glaspalast mit dem von ihm eingerichteten Kunstmuseum weiter betreiben. Gleiches gelte für die seinen Namen tragende Stiftung. Sie werde auch künftig Bedürftigen helfen.

    Walter versteckt sich nicht. Er geht offen durch die Stadt. So kommt der Unternehmer zu dem Gespräch in einem Lokal nicht durch den Hinter-, sondern den Vordereingang. Er hat nichts gegen die Wahl des Tisches, obwohl er von zahlreichen anderen Gästen des Restaurants einsehbar ist. Walter: "Ich bin zwar öffentlich etwas in Deckung gegangen, verstecke mich aber nicht. Ich will in Augsburg bleiben."

    Noch lässt es der Unternehmer offen, was er künftig macht: "Mit dem Bau hat das aber nichts mehr zu tun." Die zurückliegenden Ereignisse bezeichnet er als "die Katastrophe". Walter sagt: "Ich habe mein Lebenswerk verloren, mein ganzes Unternehmen und dann fällt man noch moralisch über mich her." Manchmal, wenn er seinen früheren Konzernsitz verlässt, komme ihm alles wie ein böser Traum vor. Dennoch wirkt der gläubige Mensch, der sich intensiv mit Philosophie und Kunst beschäftigt, gefestigt: "An dieser Katastrophe werde ich nicht zerbrechen." Jetzt lächelt Walter wieder ­ zumindest ein wenig.

    In einem exklusiven Gespräch mit unserer Zeitung gab Ignaz Walter gestern erste Einblicke in seine gegenwärtige Situation. Ihm wird vorgeworfen, als Aufsichtsrats-Chef in das Tagesgeschäft der Walter Bau-AG hinein regiert zu haben. Der Unternehmer sagt jedoch, er habe sich auf die von Gesetz und Satzung vorgegebenen Aufsichtspflichten beschränkt. Menschlich haben ihn die Vorgänge der letzten Wochen mitgenommen. Wenn ihm die Ereignisse besonders zusetzten, suchte er den Kontakt zu seinen beiden Enkeln: "Ohne sie wäre es schwer für mich gewesen." 

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