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Amoklauf von München: David S. - Wie aus dem Milchbubi ein Killer wurde

Amoklauf von München

David S. - Wie aus dem Milchbubi ein Killer wurde

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    Zehn Menschen starben in München, darunter der Täter. Wer war David S.?
    Zehn Menschen starben in München, darunter der Täter. Wer war David S.? Foto: Sven Hoppe, dpa

    Früh gab es dieses skurrile Video, das einen jungen Mann auf dem Parkdeck des Olympia-Einkaufszentrums zeigt. Er geht nervös umher. Dann wird er von einem Balkon aus von einem Mann als „Arschloch“ beschimpft. Der junge Bursche lässt sich auf einen Dialog ein. Satzfetzen sind zu vernehmen: „Ich bin Deutscher“, „Ihr Scheiß Türken“, „Ich war in Behandlung“. Am Freitagabend waren es noch Sätze ohne Bedeutung. Jetzt wissen wir mehr.

    München: War die Tat wirklich nicht vorhersehbar?

    Der Einzeltäter von München war ein 18-jähriger Schüler, der an Depressionen litt, wahrscheinlich von Mitschülern gehänselt wurde und sich intensiv mit Amokläufen auseinandergesetzt hat. Wer war dieser David S., der neun Menschen getötet und 16 weitere verletzt hat? Wie konnte es so weit kommen, dass aus dem Jungen, den Nachbarn als „nett“ beschreiben, ein grausamer Amokläufer wurde? Und war die Tat wirklich nicht vorhersehbar?

    David Ali S., der Junge mit dem Milchgesicht, ist der Sohn iranischer Eltern, der Vater ist Taxiunternehmer, die Mutter war laut einer Nachbarin Verkäuferin bei Karstadt. Der Sohn ist in München geboren und aufgewachsen, hat einen deutschen und einen iranischen Pass. David hat einen Bruder. Die Familie wohnt in der Münchner Maxvorstadt. Die gilt als sehr lebenswerter Stadtteil mit einem riesigen Kulturangebot. Hier liegen die berühmten Pinakotheken. Doch es gibt auch andere Gegenden mit viel sozialem Wohnungsbau. Wie an der Dachauer Straße. Dennoch lebt die Familie S. in geregelten Verhältnissen. David macht die mittlere Reife, dann wechselt er in die Fachoberschule.

    In der Schule hat David große Probleme. Er leidet an der „Zappelphilipp-Krankheit“ ADHS. Am Freitag soll der 18-Jährige durch eine Prüfung an der Fachoberschule gefallen sein, berichten Mitschüler. Ist das der endgültige Auslöser für den lange geplanten Amoklauf? Angeblich soll der junge Deutsch-Iraner in der

    David S. war schwer psychisch krank

    Doch es ist nicht nur ADHS. David ist schwer psychisch krank. Er leidet unter Depressionen und einer sozialen Phobie. 2015 wird er zwei Monate lang stationär in der Psychiatrie des Klinikums Harlaching behandelt, auch mit Medikamenten. Sogar bis kurz vor der Tat.

    Die Angst vor echtem Kontakt mit anderen Menschen äußert sich bei David S. darin, dass er sich immer mehr zurückzieht und viel Zeit in seinem Zimmer verbringt. Dort spielt er „Ballerspiele“. Darunter „Counterstrike“ – jenes Spiel, das von fast allen Amokläufern gespielt worden ist. Auf einer Online-Spieleseite meldet er sich nach Auskunft ehemaliger Schulfreunde unter Namen wie „Amokläufer“ oder „Bis ich keinen Sinn mehr sehe“ an. Er äußert dort auch Gewaltfantasien gegenüber Mitspielern. Die finden ihn komisch. Weil er sich oft „nationalistisch“ äußert. Weil er so aggressiv spielt. Doch weil martialisches Gehabe in der kruden Welt der sogenannten Ego-Shooter irgendwie dazugehört, nimmt ihn keiner so recht ernst.

    Es weiß ja auch niemand, dass sich der Junge bereits seit langem mit Amokläufen beschäftigt. Sein Zimmer ist oft zugesperrt. Die Eltern bekommen anscheinend nichts mit. Die Horrortat vom Freitagabend plant er konkret seit einem Jahr. Er verfasst ein eigenes Manifest. Er verherrlicht die Tat von Winnenden, besucht sogar die Stadt und macht Fotos vom Tatort an der Realschule.

    Und er ist fasziniert von der Gräueltat des Anders Behring Breivik, der in Norwegen 77 Menschen getötet hat. Nach Aussagen eines früheren Schulfreunds benutzt David manchmal ein Foto des Massenmörders als Profilbild bei WhatsApp. Und kann es wirklich Zufall sein, dass David S. genau am fünften Jahrestag des Massakers von Utoya zuschlägt? In seinem Zimmer finden sich etliche Zeitungsartikel über Amokläufe. Er hat auch das Buch „Amok im Kopf. Warum Schüler töten“ des amerikanischen Autors Peter Langman. Der zeigt sich am Sonntag über diesen Umstand bestürzt.

    Davids Pläne werden konkreter. Er besorgt sich im Darknet, einem verborgenen, schwer zugänglichen Teil des Internet, eine Waffe. Es ist eine Glock 17, Kaliber 9 Millimeter. Eine halbautomatische Pistole. Sie kommt aus der Slowakei, die Seriennummer ist herausgefeilt. Es war mal eine Theaterwaffe, die wieder scharf gemacht worden ist. Auch Breivik hat eine

    Die perfide Facebook-Falle

    Am Freitag soll David den Anschlag wenige Stunden vorher seinen Kumpels aus den Ballerspielen angekündigt haben. Dann sind ihm leere Drohungen im Internet nicht mehr genug. Er fälscht einen Facebook-Account, versieht ihn mit Angaben und Fotos eines türkischen Mädchens „Selina“ und lädt ins McDonald’s am Olympia-Einkaufszentrum ein: „Kommt heute um 16 Uhr Meggi am OEZ ich spendiere euch was wenn ihr wollt aber nicht zu teuer.“ Da ist er in Gedanken schon beim Äußersten. Er stellt eine perfide Facebook-Falle, um möglichst viele Menschen zum Tatort zu locken. Dann macht er sich auf den Weg.

    In seinem roten Rucksack hat er die Waffe und mehr als 350 Schuss Munition. Um 17.48 Uhr eröffnet er aus der Glock-Pistole das Feuer auf Passanten, schießt auf fliehende Menschen, läuft ins Einkaufszentrum gegenüber, schießt weiter. Dann geht er durch einen Glastunnel auf das Parkdeck. Und dort scheint er nicht mehr weiter zu wissen. Er hat vieles geplant, das Ende aber offenbar nicht.

    Wie er von dem Parkdeck wieder herunterkommt, ist noch nicht bekannt. Irgendwie schafft er es im panischen München. Er landet in einer Nebenstraße einige Ecken weiter. Dort stellen ihn Polizisten. David S., der 18-jährige Junge, wählt dasselbe Ende wie der Amokläufer von Winnenden: Er schießt sich ein Mal gezielt in den Kopf.

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